Guten Morgen, Alter! Hast du den Jacobischen Brief noch? Mir ist jetzt gar nicht reiserlich zu Muthe, zumal da ich so drän- gende Arbeiten auf mir habe. Ist nicht Jacobi's Reiseroute so,5 daß ich ihm den Weg über Nürnberg auf der Rückkehr, aber ohne Verlängerung des ohnehin großen Umwegs vorschlagen könnte?
640. An Friedrich Heinrich Jacobi in München.
Baireuth d. 6. Mai 181210
Mein guter Heinrich! Dein Brief hat mir eine unerwartete Freude gemacht, zumal jetzt, wo man nicht einmal unerwartete Noth hat. Mit Vergnügen geh' ich nach Nürnberg und zwar um 1 Tag früher als du ankommst. Nur bestimme mir, wo möglich, sogar Tagzeit deiner Ankunft und den Gasthof. Professor Schweiger15 allda würde dir -- bei möglichen Irrungen -- meine Wohnung sagen lassen können, damit ich richtiger käme. Ich thue bei deinem so großen Umwege -- mög' es belohnt werden, daß dieses mal Salomon selber zur Königin von Saba reiset -- nur die Frage, nicht die Bitte, ob du nicht erst auf der Rückkehr von Heidelberg20 über Nürnberg gehen könntest, da mich in diesem Monat die Ausarbeitung der "Vorschule" etwas drängt. Nimm aber keine besondere Rücksicht darauf, so wenig wie ich, der ich mich für das Ende Monats schon reisefertig halte. Möge dich das Opfer des Umwegs nicht gereuen! Freilich das Ding im Autor, das wider25 deinen Wunsch den Katzenberger und Fibel schreibt, muß auch im Menschen vorkommen; indeßen will ich dir (wenn ich kann) wie der Mond nur Eine Seite zukehren; und hat mich doch bei aller meiner Eckigkeit der Geistes- und Lebens-wunde Herder auch innig liebgewonnen.30
Mein Schweigen über dein treffliches Buch, das ich schon 4 mal gelesen, kam blos von deinem eignen auf meine Briefchen her; und es schien mir, als wäre deine Gesinnung gegen mich erkaltet. Bei- nahe hätt' ich dir doch im ersten Feuer des Genußes geschrieben und als kleinen Dank einen Aufsatz für das Frankfurter Museum --35
639. An Otto.
[Bayreuth, Anfang Mai 1812]
Guten Morgen, Alter! Haſt du den Jacobischen Brief noch? Mir iſt jetzt gar nicht reiſerlich zu Muthe, zumal da ich ſo drän- gende Arbeiten auf mir habe. Iſt nicht Jacobi’s Reiſeroute ſo,5 daß ich ihm den Weg über Nürnberg auf der Rückkehr, aber ohne Verlängerung des ohnehin großen Umwegs vorſchlagen könnte?
640. An Friedrich Heinrich Jacobi in München.
Baireuth d. 6. Mai 181210
Mein guter Heinrich! Dein Brief hat mir eine unerwartete Freude gemacht, zumal jetzt, wo man nicht einmal unerwartete Noth hat. Mit Vergnügen geh’ ich nach Nürnberg und zwar um 1 Tag früher als du ankommſt. Nur beſtimme mir, wo möglich, ſogar Tagzeit deiner Ankunft und den Gaſthof. Profeſſor Schweiger15 allda würde dir — bei möglichen Irrungen — meine Wohnung ſagen laſſen können, damit ich richtiger käme. Ich thue bei deinem ſo großen Umwege — mög’ es belohnt werden, daß dieſes mal Salomon ſelber zur Königin von Saba reiſet — nur die Frage, nicht die Bitte, ob du nicht erſt auf der Rückkehr von Heidelberg20 über Nürnberg gehen könnteſt, da mich in dieſem Monat die Ausarbeitung der „Vorschule“ etwas drängt. Nimm aber keine beſondere Rückſicht darauf, ſo wenig wie ich, der ich mich für das Ende Monats ſchon reiſefertig halte. Möge dich das Opfer des Umwegs nicht gereuen! Freilich das Ding im Autor, das wider25 deinen Wunſch den Katzenberger und Fibel ſchreibt, muß auch im Menſchen vorkommen; indeßen will ich dir (wenn ich kann) wie der Mond nur Eine Seite zukehren; und hat mich doch bei aller meiner Eckigkeit der Geiſtes- und Lebens-wunde Herder auch innig liebgewonnen.30
Mein Schweigen über dein treffliches Buch, das ich ſchon 4 mal geleſen, kam blos von deinem eignen auf meine Briefchen her; und es ſchien mir, als wäre deine Geſinnung gegen mich erkaltet. Bei- nahe hätt’ ich dir doch im erſten Feuer des Genußes geſchrieben und als kleinen Dank einen Aufſatz für das Frankfurter Museum —35
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639. An Otto.
[Bayreuth, Anfang Mai 1812]
Guten Morgen, Alter! Haſt du den Jacobischen Brief noch?
Mir iſt jetzt gar nicht reiſerlich zu Muthe, zumal da ich ſo drän-
gende Arbeiten auf mir habe. Iſt nicht Jacobi’s Reiſeroute ſo, 5
daß ich ihm den Weg über Nürnberg auf der Rückkehr, aber
ohne Verlängerung des ohnehin großen Umwegs vorſchlagen
könnte?
640. An Friedrich Heinrich Jacobi in München.
Baireuth d. 6. Mai 1812 10
Mein guter Heinrich! Dein Brief hat mir eine unerwartete
Freude gemacht, zumal jetzt, wo man nicht einmal unerwartete
Noth hat. Mit Vergnügen geh’ ich nach Nürnberg und zwar um
1 Tag früher als du ankommſt. Nur beſtimme mir, wo möglich,
ſogar Tagzeit deiner Ankunft und den Gaſthof. Profeſſor Schweiger 15
allda würde dir — bei möglichen Irrungen — meine Wohnung
ſagen laſſen können, damit ich richtiger käme. Ich thue bei deinem
ſo großen Umwege — mög’ es belohnt werden, daß dieſes mal
Salomon ſelber zur Königin von Saba reiſet — nur die Frage,
nicht die Bitte, ob du nicht erſt auf der Rückkehr von Heidelberg 20
über Nürnberg gehen könnteſt, da mich in dieſem Monat die
Ausarbeitung der „Vorschule“ etwas drängt. Nimm aber keine
beſondere Rückſicht darauf, ſo wenig wie ich, der ich mich für das
Ende Monats ſchon reiſefertig halte. Möge dich das Opfer des
Umwegs nicht gereuen! Freilich das Ding im Autor, das wider 25
deinen Wunſch den Katzenberger und Fibel ſchreibt, muß auch im
Menſchen vorkommen; indeßen will ich dir (wenn ich kann) wie
der Mond nur Eine Seite zukehren; und hat mich doch bei aller
meiner Eckigkeit der Geiſtes- und Lebens-wunde Herder auch innig
liebgewonnen. 30
Mein Schweigen über dein treffliches Buch, das ich ſchon 4 mal
geleſen, kam blos von deinem eignen auf meine Briefchen her; und
es ſchien mir, als wäre deine Geſinnung gegen mich erkaltet. Bei-
nahe hätt’ ich dir doch im erſten Feuer des Genußes geſchrieben
und als kleinen Dank einen Aufſatz für das Frankfurter Museum — 35
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/277>, abgerufen am 24.11.2024.
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