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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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treffe das Wetter.) Möge Ihr Herz, liebe Freundin, in einem
fremden Lande und auf einer Erde, wo so vieles Liebstes schon unter
ihr liegt, Sie für die erblaßte Vergangenheit schadlos halten.

Meine herzlichen Grüße an meinen Dutzbruder und an Ihre
Kinder!5

Jean Paul Fr. Richter
666. An Friedrich Heinrich Jacobi in München.

Eiligst, weil mein Freund Emanuel das Blättchen
morgen mit sich reisen läßt
10

Schlichtegroll schrieb mir nichts; und ich glaubte dich noch immer
dem Abendrothscheine der Gletscher gegenüber.

Emanuel in Hesperus hat keine Beziehung auf den wirklichen,
der dieses Briefchen bringt und den ich später kennen lernte. Warum
trauet man mir denn die Indelikatesse oder Indiskrezion zu, daß ich15
einen wirklichen Freund zu einem dichterischen Baugerüste und noch
dazu mit seinem Namen, verbrauchen und auszimmern würde? Eher
mit mir selber könnt' ich sündlich umgehen und von mir Schlimmstes
und Bestes wörtlich entlehnen für Dichtkunst; aber nie mit einem
Freunde. Der wirkliche Emanuel ist mir lieber, kompakter, viel-20
seitiger, kräftiger, als der im Hesperus. -- Von meinem zweiten,
aber frühern Freunde Otto (der gelehrten Welt unter dem Namen
Georgius bekannt) hab' ich dir viel und warm erzählt.

Ich hätte von dir, seit unserer Sichtbarkeit, einen längern und
bestimmtern Brief erwartet; und ich fürchte, durch meine Sicht-25
barkeit bin ich dir noch unsichtbarer geworden als es schon durch
meine komischen Werke geschehen.

Ich wollte, du liehest mir durch Emanuel -- welcher deiner Seele
in der ersten Viertelstunde wolthun wird -- das 12te Heft des
rheinischen Archivs.30

Die Vorschule (wie die Levana) erscheint 1813; ich muß in
jener manches Lob (z. B. Schellings) anglisieren oder abschneidend
verkürzen. Die Artikel über Romantik und das Lächerliche sind sehr
erweitert, aber nicht verkürzt, nur tiefer erwiesen.

Von Reinhold konnt' ich von jeher keinen Stoff gewinnen,35

treffe das Wetter.) Möge Ihr Herz, liebe Freundin, in einem
fremden Lande und auf einer Erde, wo ſo vieles Liebſtes ſchon unter
ihr liegt, Sie für die erblaßte Vergangenheit ſchadlos halten.

Meine herzlichen Grüße an meinen Dutzbruder und an Ihre
Kinder!5

Jean Paul Fr. Richter
666. An Friedrich Heinrich Jacobi in München.

Eiligſt, weil mein Freund Emanuel das Blättchen
morgen mit ſich reiſen läßt
10

Schlichtegroll ſchrieb mir nichts; und ich glaubte dich noch immer
dem Abendrothſcheine der Gletſcher gegenüber.

Emanuel in Hesperus hat keine Beziehung auf den wirklichen,
der dieſes Briefchen bringt und den ich ſpäter kennen lernte. Warum
trauet man mir denn die Indelikateſſe oder Indiſkrezion zu, daß ich15
einen wirklichen Freund zu einem dichteriſchen Baugerüſte und noch
dazu mit ſeinem Namen, verbrauchen und auszimmern würde? Eher
mit mir ſelber könnt’ ich ſündlich umgehen und von mir Schlimmſtes
und Beſtes wörtlich entlehnen für Dichtkunſt; aber nie mit einem
Freunde. Der wirkliche Emanuel iſt mir lieber, kompakter, viel-20
ſeitiger, kräftiger, als der im Hesperus. — Von meinem zweiten,
aber frühern Freunde Otto (der gelehrten Welt unter dem Namen
Georgius bekannt) hab’ ich dir viel und warm erzählt.

Ich hätte von dir, ſeit unſerer Sichtbarkeit, einen längern und
beſtimmtern Brief erwartet; und ich fürchte, durch meine Sicht-25
barkeit bin ich dir noch unſichtbarer geworden als es ſchon durch
meine komiſchen Werke geſchehen.

Ich wollte, du lieheſt mir durch Emanuel — welcher deiner Seele
in der erſten Viertelſtunde wolthun wird — das 12te Heft des
rheiniſchen Archivs.30

Die Vorschule (wie die Levana) erſcheint 1813; ich muß in
jener manches Lob (z. B. Schellings) angliſieren oder abſchneidend
verkürzen. Die Artikel über Romantik und das Lächerliche ſind ſehr
erweitert, aber nicht verkürzt, nur tiefer erwieſen.

Von Reinhold konnt’ ich von jeher keinen Stoff gewinnen,35

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[288/0302] treffe das Wetter.) Möge Ihr Herz, liebe Freundin, in einem fremden Lande und auf einer Erde, wo ſo vieles Liebſtes ſchon unter ihr liegt, Sie für die erblaßte Vergangenheit ſchadlos halten. Meine herzlichen Grüße an meinen Dutzbruder und an Ihre Kinder! 5 Jean Paul Fr. Richter 666. An Friedrich Heinrich Jacobi in München. Baireuth d. 15. Aug. 1812 Eiligſt, weil mein Freund Emanuel das Blättchen morgen mit ſich reiſen läßt 10 Schlichtegroll ſchrieb mir nichts; und ich glaubte dich noch immer dem Abendrothſcheine der Gletſcher gegenüber. Emanuel in Hesperus hat keine Beziehung auf den wirklichen, der dieſes Briefchen bringt und den ich ſpäter kennen lernte. Warum trauet man mir denn die Indelikateſſe oder Indiſkrezion zu, daß ich 15 einen wirklichen Freund zu einem dichteriſchen Baugerüſte und noch dazu mit ſeinem Namen, verbrauchen und auszimmern würde? Eher mit mir ſelber könnt’ ich ſündlich umgehen und von mir Schlimmſtes und Beſtes wörtlich entlehnen für Dichtkunſt; aber nie mit einem Freunde. Der wirkliche Emanuel iſt mir lieber, kompakter, viel- 20 ſeitiger, kräftiger, als der im Hesperus. — Von meinem zweiten, aber frühern Freunde Otto (der gelehrten Welt unter dem Namen Georgius bekannt) hab’ ich dir viel und warm erzählt. Ich hätte von dir, ſeit unſerer Sichtbarkeit, einen längern und beſtimmtern Brief erwartet; und ich fürchte, durch meine Sicht- 25 barkeit bin ich dir noch unſichtbarer geworden als es ſchon durch meine komiſchen Werke geſchehen. Ich wollte, du lieheſt mir durch Emanuel — welcher deiner Seele in der erſten Viertelſtunde wolthun wird — das 12te Heft des rheiniſchen Archivs. 30 Die Vorschule (wie die Levana) erſcheint 1813; ich muß in jener manches Lob (z. B. Schellings) angliſieren oder abſchneidend verkürzen. Die Artikel über Romantik und das Lächerliche ſind ſehr erweitert, aber nicht verkürzt, nur tiefer erwieſen. Von Reinhold konnt’ ich von jeher keinen Stoff gewinnen, 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/302>, abgerufen am 24.11.2024.