Guten Feiertag! Ich danke dir in der Eile herzlich. "Räusche und Sprünge" sollen weg; jene fielen mir selber auf. Übrigens aber bekümmere ich mich um keine Verläumdung, da meine Werke5 wenigstens meine Erdentage überleben. Wie solls im großen komischen Roman gehen, wo neben einem Eß- auch ein Trinklustiger lange spielt. Goethe, im Cölibat einer unrechtmäßigen Unehe, pries in der Eugenie Ehe und Reinheit und schor sich um nichts.
712. An Cotta.10
Baireuth d. 25. Dec. 1812
Empfangen Sie, bester Cotta, meinen herzlichsten Dank nicht blos für die angewiesenen 60 Ld'or, sondern -- und vorzüglich -- für die geschmackvolle und ästhetische Körperwahl der Aesthetik. -- Bedeutende Druckfehler sind wenige; und der vierte steht schon in15 der 1ten Ausgabe. -- Obwol anerkennend Ihre gute Absicht, bitte ich Sie doch, mich mir selber zu überlassen. In Wolke S. 330--343 finden Sie die männlichen Wörter zu Tausenden ohne Genitiv-S. Andere Fälle sind fehlerhafte Ausnahmen, z. B. nach Schifffahrt, -mann, -leute doch Schiffswerft; -- nach Amthaus, -leute, -mann20 doch Amtsknecht, -kleid; -- nach Landfahrer, -läufer doch Lands- mann. An Haushofmeister könnte man noch ansetzen Haushof- meisteramthausbedarflieferer. Wie klänge Hauseshofsmeistersamts- hausesbedarfslieferer? -- Indeß bin ich sehr -- ganz wider Wolke -- für Feststehendes der Nazion; sonst müßt' ich sagen die Weib, eine25 Mädchen; in 100 Punkten geb ich ihm Unrecht. Ihnen geb ich Recht bei Wörtern der Zweideutigkeit, z. B. Landsmann, Land- mann -- Krieg- (accipere) und Kriegs-Amt -- so Staats-Mann und StaatPutzmann, obgleich Staatskleid wieder da ist etc. etc.
-- Mein Aufsatz für das Morgenblatt erfreuete meinen hiesigen30 Kunst- und Herzfreund sehr. Ob ihn gleich Napoleon so gut wie sein verblendetster Feind unterschreiben wird: so könnte doch ein Zensor unterstreichen; in diesem Falle will ich ihn unbefleckt zurück. -- Kann ich nicht Aufsätze für das Morgenblatt einzeln schätzen, z. B. diesen zu 6 Ld'or? -- Und könnten Sie ihn nicht, falls35 er in das erste Blatt gelangt, mit größerer Schrift drucken lassen? --
711. An Otto.
[Bayreuth, 25. Dez. 1812]
Guten Feiertag! Ich danke dir in der Eile herzlich. „Räuſche und Sprünge“ ſollen weg; jene fielen mir ſelber auf. Übrigens aber bekümmere ich mich um keine Verläumdung, da meine Werke5 wenigſtens meine Erdentage überleben. Wie ſolls im großen komiſchen Roman gehen, wo neben einem Eß- auch ein Trinkluſtiger lange ſpielt. Goethe, im Cölibat einer unrechtmäßigen Unehe, pries in der Eugenie Ehe und Reinheit und ſchor ſich um nichts.
712. An Cotta.10
Baireuth d. 25. Dec. 1812
Empfangen Sie, beſter Cotta, meinen herzlichſten Dank nicht blos für die angewieſenen 60 Ld’or, ſondern — und vorzüglich — für die geſchmackvolle und äſthetiſche Körperwahl der Aeſthetik. — Bedeutende Druckfehler ſind wenige; und der vierte ſteht ſchon in15 der 1ten Ausgabe. — Obwol anerkennend Ihre gute Abſicht, bitte ich Sie doch, mich mir ſelber zu überlaſſen. In Wolke S. 330—343 finden Sie die männlichen Wörter zu Tauſenden ohne Genitiv-S. Andere Fälle ſind fehlerhafte Ausnahmen, z. B. nach Schifffahrt, -mann, -leute doch Schiffswerft; — nach Amthaus, -leute, -mann20 doch Amtsknecht, -kleid; — nach Landfahrer, -läufer doch Lands- mann. An Haushofmeiſter könnte man noch anſetzen Haushof- meiſteramthausbedarflieferer. Wie klänge Hauſeshofsmeiſtersamts- hauſesbedarfslieferer? — Indeß bin ich ſehr — ganz wider Wolke — für Feſtſtehendes der Nazion; ſonſt müßt’ ich ſagen die Weib, eine25 Mädchen; in 100 Punkten geb ich ihm Unrecht. Ihnen geb ich Recht bei Wörtern der Zweideutigkeit, z. B. Landsmann, Land- mann — Krieg- (accipere) und Kriegs-Amt — ſo Staats-Mann und Staat〈Putz〉mann, obgleich Staatskleid wieder da iſt ꝛc. ꝛc.
— Mein Aufſatz für das Morgenblatt erfreuete meinen hieſigen30 Kunſt- und Herzfreund ſehr. Ob ihn gleich Napoleon ſo gut wie ſein verblendetſter Feind unterſchreiben wird: ſo könnte doch ein Zenſor unterſtreichen; in dieſem Falle will ich ihn unbefleckt zurück. — Kann ich nicht Aufſätze für das Morgenblatt einzeln ſchätzen, z. B. dieſen zu 6 Ld’or? — Und könnten Sie ihn nicht, falls35 er in das erſte Blatt gelangt, mit größerer Schrift drucken laſſen? —
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711. An Otto.
[Bayreuth, 25. Dez. 1812]
Guten Feiertag! Ich danke dir in der Eile herzlich. „Räuſche
und Sprünge“ ſollen weg; jene fielen mir ſelber auf. Übrigens aber
bekümmere ich mich um keine Verläumdung, da meine Werke 5
wenigſtens meine Erdentage überleben. Wie ſolls im großen
komiſchen Roman gehen, wo neben einem Eß- auch ein Trinkluſtiger
lange ſpielt. Goethe, im Cölibat einer unrechtmäßigen Unehe, pries
in der Eugenie Ehe und Reinheit und ſchor ſich um nichts.
712. An Cotta. 10
Baireuth d. 25. Dec. 1812
Empfangen Sie, beſter Cotta, meinen herzlichſten Dank nicht blos
für die angewieſenen 60 Ld’or, ſondern — und vorzüglich — für
die geſchmackvolle und äſthetiſche Körperwahl der Aeſthetik. —
Bedeutende Druckfehler ſind wenige; und der vierte ſteht ſchon in 15
der 1ten Ausgabe. — Obwol anerkennend Ihre gute Abſicht, bitte
ich Sie doch, mich mir ſelber zu überlaſſen. In Wolke S. 330—343
finden Sie die männlichen Wörter zu Tauſenden ohne Genitiv-S.
Andere Fälle ſind fehlerhafte Ausnahmen, z. B. nach Schifffahrt,
-mann, -leute doch Schiffswerft; — nach Amthaus, -leute, -mann 20
doch Amtsknecht, -kleid; — nach Landfahrer, -läufer doch Lands-
mann. An Haushofmeiſter könnte man noch anſetzen Haushof-
meiſteramthausbedarflieferer. Wie klänge Hauſeshofsmeiſtersamts-
hauſesbedarfslieferer? — Indeß bin ich ſehr — ganz wider Wolke —
für Feſtſtehendes der Nazion; ſonſt müßt’ ich ſagen die Weib, eine 25
Mädchen; in 100 Punkten geb ich ihm Unrecht. Ihnen geb ich
Recht bei Wörtern der Zweideutigkeit, z. B. Landsmann, Land-
mann — Krieg- (accipere) und Kriegs-Amt — ſo Staats-Mann
und Staat〈Putz〉mann, obgleich Staatskleid wieder da iſt ꝛc. ꝛc.
— Mein Aufſatz für das Morgenblatt erfreuete meinen hieſigen 30
Kunſt- und Herzfreund ſehr. Ob ihn gleich Napoleon ſo gut wie
ſein verblendetſter Feind unterſchreiben wird: ſo könnte doch ein
Zenſor unterſtreichen; in dieſem Falle will ich ihn unbefleckt
zurück. — Kann ich nicht Aufſätze für das Morgenblatt einzeln
ſchätzen, z. B. dieſen zu 6 Ld’or? — Und könnten Sie ihn nicht, falls 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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