Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.darf, wenn ich nicht alle Kräfte und Genüße höherer Arbeiten zer- d. 16. Dezemb. An Ungern-Sternberg hab' ich schon den 14ten Oktober einen 11*
darf, wenn ich nicht alle Kräfte und Genüße höherer Arbeiten zer- d. 16. Dezemb. An Ungern-Sternberg hab’ ich ſchon den 14ten Oktober einen 11*
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darf, wenn ich nicht alle Kräfte und Genüße höherer Arbeiten zer-
ſplittern will. —
d. 16. Dezemb.
An Ungern-Sternberg hab’ ich ſchon den 14ten Oktober einen
beantworteten Brief mit den Stammbuchblättchen für Vin- 5
centi geſchickt. — Meine Bitte, Sophie P[aulus] auszuſpionieren,
war blos die ſcherzhaft geſagte, mir damals von dieſer Stummen
kleine Fata zu ſchreiben; denn über ihr Inneres braucht’ ich niemand
zu fragen als ſie ſelber, ſo offen-wahr iſt ſie und ſie würde mir die
eine Hälfte eines Gedankens zeigen, eh’ ſie noch wüßte, wie die 10
andere nur ausſähe. — Sophie Dapping gewinn’ ich immer lieber
durch deine ſo ſchönen faſt con amore entworfnen Gemälde. —
Rezenſiere immerhin meinen 2ten Siebenkäs, aber in der Jenaer
L[iteratur] Zeitung, um meinem darin geifernden Feind Krause
den Platz zum Wider-Bellen zu nehmen, das ich nach meinen 15
Saturnalien von ihm erwarte. Sonderbar genug! kann niemand
die zweite Auflage beſſer beurtheilen als der, welcher die Verbeſſe-
rungen früher erfuhr als die Fehler der erſten, — nämlich du. —
Dittmar iſt dem Künſtler noch meine Büſte ſchuldig. Sage Schwarz,
er ſolle, wenn er einmal in einem Käſtchen nichts bekomme als eine 20
lange Naſe, es verzeihen, weil es meine eigne ſei, die der Künſtler
wie ein Tagliacozzo meinem Kopfe nachſchicken wolle und die man
mir dann in Heidelberg ſo leicht aufſetzen kann wie eine Brille. —
Bei der Mutter der ſchönen Koch würd’ ich am Ende wohnen, wenn
ich rechte Freiheit, zu bezahlen behielte — am allererſten mein Ge- 25
tränk —; aber zwiſchen mir und euch liegen noch viele Berge und
Monate. — Laſſe doch einmal die ewig-bewegliche Bachſtelze aus
deinen Briefen hinausfliegen! Nicht eine halbe Minute lang war
ich über das winzige Ding verdrüßlich. — Wie ſpät komm’ ich in
dieſem Briefe auf deine wahrhaft poetiſche Muſik, welche du vom 30
alten Jahre in das neue verknüpfend überklingen läßeſt, und auf die
Seelenworte der herrlichen Mutter, deren Hand das Schönſchreiben
ſo leicht wird wie Schönhandeln! Dieſe Hand möcht’ ich lange
halten und drücken. Sie hat mich und meine Frau wie der Abend-
geſang einer fernen Beterin erquickt. Gott laſſe ſie dir und dem 35
hochwürdigen Vater und euch alle ſich einander im künftigen Jahre!
So viel kannſt du mir leider nicht wünſchen, denn ich habe ſo gar
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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