Meine geliebte Karoline! Dein Brief an deinem lieben Geburt- tage hat mich unter allen deinen Briefen am meisten erfreuet. Hier siehst du, wie ich immer an Baireut denke und schreibe, und sogar5 Vormittags, weil mir selten ein Nachmittag gelassen wird. -- Immer ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abreise vorbereite, neue Ein- ladungen wieder an, so z. B. die Eßladung des baierschen Gesandten. -- Ich kann dir nicht sagen, wie ich mich wieder nach Hause sehne. -- Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, ist hier. Das beiliegende10 Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß- kongreß von 80 Menschen mit vorgesungen. Das Mehre sieh in Emanuels Brief. -- Meine Pension ist bezahlt worden. Hast du sie von Münch bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben, denn die Provision (1 rtl.) hatt' er schon neulich abgezogen. -- Sage15 mir doch, welche Musikalien ich der Emma kaufen soll -- dann was Odilien -- dann was dem Max -- ja was der Magd. Sitzt diese noch auf ihrem alten moralischen Dienst-Thron? -- Das Trankgeld hab ich dem Fuhrmann geben lassen. Aber das Fuhrlohn von 18 fl. schicke lieber zu Schaller, mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert20 habe. -- Bei der Verrückung des Repositoriums bringt ja mein Wetterglas an einen sichern Ort. -- Nie hab' ich einen so reizenden Junius erlebt. Aber so geschmückt die Gegend ist, kann ich alles doch nicht so wie in Baireut genießen, aus Mangel eines Garten am Morgen. -- Den Brief an Welden gib meinem Bruder. --25 Odilie ist doch wieder hergestellt? Die ungewöhnliche Witterung brütet Krankheiten aus, z. B. in Heidelberg bösartige Masern. Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor, weil ich fehle. -- Meinen dicken Brief mit dem Wasserfeste hast du doch erhalten? -- Du kannst dir denken, liebes Weib, wie meinem30 Herzen und Auge mitten in der großen Gesellschaft bei der 7ten Strophe des Jungischen Liedes war; und doch mußt' ich Herr über die stärksten Gefühle und Erinnerungen bleiben. --
[Schluß fehlt]35
N. S. Odilie soll mir über die Vögel schreiben.
423. An Karoline Richter.
Frankfurt d. 12. Jun. 1818
Meine geliebte Karoline! Dein Brief an deinem lieben Geburt- tage hat mich unter allen deinen Briefen am meiſten erfreuet. Hier ſiehſt du, wie ich immer an Baireut denke und ſchreibe, und ſogar5 Vormittags, weil mir ſelten ein Nachmittag gelaſſen wird. — Immer ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abreiſe vorbereite, neue Ein- ladungen wieder an, ſo z. B. die Eßladung des baierſchen Geſandten. — Ich kann dir nicht ſagen, wie ich mich wieder nach Hauſe ſehne. — Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, iſt hier. Das beiliegende10 Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß- kongreß von 80 Menſchen mit vorgeſungen. Das Mehre ſieh in Emanuels Brief. — Meine Penſion iſt bezahlt worden. Haſt du ſie von Münch bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben, denn die Proviſion (1 rtl.) hatt’ er ſchon neulich abgezogen. — Sage15 mir doch, welche Muſikalien ich der Emma kaufen ſoll — dann was Odilien — dann was dem Max — ja was der Magd. Sitzt dieſe noch auf ihrem alten moraliſchen Dienſt-Thron? — Das Trankgeld hab ich dem Fuhrmann geben laſſen. Aber das Fuhrlohn von 18 fl. ſchicke lieber zu Schaller, mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert20 habe. — Bei der Verrückung des Repoſitoriums bringt ja mein Wetterglas an einen ſichern Ort. — Nie hab’ ich einen ſo reizenden Junius erlebt. Aber ſo geſchmückt die Gegend iſt, kann ich alles doch nicht ſo wie in Baireut genießen, aus Mangel eines Garten am Morgen. — Den Brief an Welden gib meinem Bruder. —25 Odilie iſt doch wieder hergeſtellt? Die ungewöhnliche Witterung brütet Krankheiten aus, z. B. in Heidelberg bösartige Maſern. Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor, weil ich fehle. — Meinen dicken Brief mit dem Waſſerfeſte haſt du doch erhalten? — Du kannſt dir denken, liebes Weib, wie meinem30 Herzen und Auge mitten in der großen Geſellſchaft bei der 7ten Strophe des Jungiſchen Liedes war; und doch mußt’ ich Herr über die ſtärkſten Gefühle und Erinnerungen bleiben. —
[Schluß fehlt]35
N. S. Odilie ſoll mir über die Vögel ſchreiben.
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423. An Karoline Richter.
Frankfurt d. 12. Jun. 1818
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tage hat mich unter allen deinen Briefen am meiſten erfreuet. Hier
ſiehſt du, wie ich immer an Baireut denke und ſchreibe, und ſogar 5
Vormittags, weil mir ſelten ein Nachmittag gelaſſen wird. — Immer
ketten mich, wenn ich [mich] auch auf Abreiſe vorbereite, neue Ein-
ladungen wieder an, ſo z. B. die Eßladung des baierſchen Geſandten.
— Ich kann dir nicht ſagen, wie ich mich wieder nach Hauſe ſehne.
— Der Hofrath Jung, dein Liebhaber, iſt hier. Das beiliegende 10
Gedicht, wovon ich noch 12 Exemplare habe, wurde in einem Eß-
kongreß von 80 Menſchen mit vorgeſungen. Das Mehre ſieh in
Emanuels Brief. — Meine Penſion iſt bezahlt worden. Haſt du
ſie von Münch bekommen? Er muß dir aber gerade 250 fl. geben,
denn die Proviſion (1 rtl.) hatt’ er ſchon neulich abgezogen. — Sage 15
mir doch, welche Muſikalien ich der Emma kaufen ſoll — dann was
Odilien — dann was dem Max — ja was der Magd. Sitzt dieſe
noch auf ihrem alten moraliſchen Dienſt-Thron? — Das Trankgeld
hab ich dem Fuhrmann geben laſſen. Aber das Fuhrlohn von 18 fl.
ſchicke lieber zu Schaller, mit welchem ich ja eigentlich kontrahiert 20
habe. — Bei der Verrückung des Repoſitoriums bringt ja mein
Wetterglas an einen ſichern Ort. — Nie hab’ ich einen ſo reizenden
Junius erlebt. Aber ſo geſchmückt die Gegend iſt, kann ich alles
doch nicht ſo wie in Baireut genießen, aus Mangel eines Garten
am Morgen. — Den Brief an Welden gib meinem Bruder. — 25
Odilie iſt doch wieder hergeſtellt? Die ungewöhnliche Witterung
brütet Krankheiten aus, z. B. in Heidelberg bösartige Maſern.
Im Falle jeder nur halb bedenklichen Krankheit rufe den Doktor,
weil ich fehle. — Meinen dicken Brief mit dem Waſſerfeſte haſt du
doch erhalten? — Du kannſt dir denken, liebes Weib, wie meinem 30
Herzen und Auge mitten in der großen Geſellſchaft bei der 7ten
Strophe des Jungiſchen Liedes war; und doch mußt’ ich Herr über
die ſtärkſten Gefühle und Erinnerungen bleiben. —
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N. S. Odilie ſoll mir über die Vögel ſchreiben.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/210>, abgerufen am 16.02.2025.
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