Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.seinem Kopfe und seinem Gemüthe unmöglich. Ich glaube, er ist Das Wort Perspective ist so wechselsinnig gegensinnig wie ad 1. (Was ihr wollt V, 1.) Ich würde "Spiegelbild" ad 2. (Ende gut alles gut V, 3.) "Geschwärztes Sehglas" ad 3. (König Richard II. Act. II, Sc. 2.) "Verwandel-Ver- ad 4. (in Heinrich V.) "perspectively" Fernmalerei --25 d. 2. Sept.30 Von deinem Abraham möcht' ich doch nur etwas mehr Äußer- *) "Gaukelschein" ist Scheinschein und also falsch; denn der Schein als solcher
ist ja keiner. ſeinem Kopfe und ſeinem Gemüthe unmöglich. Ich glaube, er iſt Das Wort Perspective iſt ſo wechſelſinnig 〈gegenſinnig〉 wie ad 1. (Was ihr wollt V, 1.) Ich würde „Spiegelbild“ ad 2. (Ende gut alles gut V, 3.) „Geſchwärztes Sehglas“ ad 3. (König Richard II. Act. II, Sc. 2.) „Verwandel-〈Ver- ad 4. (in Heinrich V.) „perspectively“ Fernmalerei —25 d. 2. Sept.30 Von deinem Abraham möcht’ ich doch nur etwas mehr Äußer- *) „Gaukelſchein“ iſt Scheinſchein und alſo falſch; denn der Schein als ſolcher
iſt ja keiner. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0236" n="229"/> ſeinem Kopfe und ſeinem Gemüthe unmöglich. Ich glaube, er iſt<lb/> blos noch nicht reif genug zum Hellſehen, und wurde noch dazu in<lb/> dieſem überſtrengt durch zu vieles Fragen. Gerichtliches mistrauen-<lb/> des Ausfragen entkräftet auch die beſte Hellſeherin. — Für den Brief<lb/> deiner herrlichen Mutter dankt Mann und Frau. Wer ſetzte in<lb n="5"/> einer ſolchen haushaltenden Hand eine ſolche Feder voraus? — Der<lb/><hi rendition="#aq">Sophie Dapping</hi> drücke die Hand, die ſo gern gibt. — Ihren Bruder<lb/> treibe zur Eile; auch ſchon meiner Neugierde wegen, da ich eigentlich<lb/> noch nie eine ordentliche Rezenſion des <hi rendition="#aq">Siebenkäs</hi> erhalten. — Hier<lb/> meine ſchwachen Antworten:<lb n="10"/> </p> <p> <hi rendition="#et">Das Wort <hi rendition="#aq">Perspective</hi> iſt ſo wechſelſinnig 〈gegenſinnig〉 wie<lb/> bei uns das Perſpektiv und die Perſpektive.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">ad 1. (Was ihr wollt V,</hi> 1.) Ich würde „Spiegelbild“<lb/> 〈Spiegelweſen, -geſtalt〉<note place="foot" n="*)">„Gaukelſchein“ iſt Scheinſchein und alſo falſch; denn der Schein als ſolcher<lb/> iſt ja keiner.</note> <hi rendition="#aq">(natural perspective)</hi> überſetzen,<lb n="35"/> höchſtens Vexierbild — „Spieglung“ wie in Arabien, wo die<lb n="15"/> Sandwüſte als Waſſer erſcheint.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">ad 2. (Ende gut alles gut V,</hi> 3.) „Geſchwärztes Sehglas“<lb/><hi rendition="#aq">(scornfull perspective)</hi>. Eigentlich ein zylindriſcher 〈konvexer〉<lb/> oder metamorphotiſcher Spiegel. Für die Dichtung iſts noch<lb/> genug: „Kugelſpiegel, Kugelglas, oder <hi rendition="#g">Verzerrſpiegel.</hi>“</hi> <lb n="20"/> </p> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">ad 3. (König Richard II. Act. II, Sc.</hi> 2.) „Verwandel-〈Ver-<lb/> zieh-〉gläſer“ <hi rendition="#aq">(Like perspectives)</hi> — Hier iſt für die Poeſie das<lb/> Allgemeine, nicht das Mathematiſche das Beſte; wie es ja im<lb/> Engliſchen auch iſt.</hi> </p><lb/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">ad</hi> 4. (in <hi rendition="#aq">Heinrich V.) „perspectively“</hi> Fernmalerei —<lb n="25"/> „Optiſch- oder optiſcher Betrug“ — „Fernſeherei“ „Fernſicht“<lb/> — „Trugſicht“ „Täuſchferne“ 〈Verwandelferne〉. Hier bezieht<lb/> ſich alles auf die Malerperſpektive, alſo auf die Ferne.</hi> </p> </div><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">d. 2. Sept.</hi> </hi> </dateline> <lb n="30"/> <p>Von deinem Abraham möcht’ ich doch nur etwas mehr Äußer-<lb/> liches wiſſen, und wem er gleicht. Schreibe mir von ihm; denn ich<lb/> liebe ja euch alle. — <hi rendition="#aq">Cotta</hi> lehnte, nach ſeiner Gewohnheit, den Verlag<lb/> der von mir ſehr gelobten Gedichte <hi rendition="#aq">Schuhmachers</hi> ab. — Deinen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [229/0236]
ſeinem Kopfe und ſeinem Gemüthe unmöglich. Ich glaube, er iſt
blos noch nicht reif genug zum Hellſehen, und wurde noch dazu in
dieſem überſtrengt durch zu vieles Fragen. Gerichtliches mistrauen-
des Ausfragen entkräftet auch die beſte Hellſeherin. — Für den Brief
deiner herrlichen Mutter dankt Mann und Frau. Wer ſetzte in 5
einer ſolchen haushaltenden Hand eine ſolche Feder voraus? — Der
Sophie Dapping drücke die Hand, die ſo gern gibt. — Ihren Bruder
treibe zur Eile; auch ſchon meiner Neugierde wegen, da ich eigentlich
noch nie eine ordentliche Rezenſion des Siebenkäs erhalten. — Hier
meine ſchwachen Antworten: 10
Das Wort Perspective iſt ſo wechſelſinnig 〈gegenſinnig〉 wie
bei uns das Perſpektiv und die Perſpektive.
ad 1. (Was ihr wollt V, 1.) Ich würde „Spiegelbild“
〈Spiegelweſen, -geſtalt〉 *) (natural perspective) überſetzen, 35
höchſtens Vexierbild — „Spieglung“ wie in Arabien, wo die 15
Sandwüſte als Waſſer erſcheint.
ad 2. (Ende gut alles gut V, 3.) „Geſchwärztes Sehglas“
(scornfull perspective). Eigentlich ein zylindriſcher 〈konvexer〉
oder metamorphotiſcher Spiegel. Für die Dichtung iſts noch
genug: „Kugelſpiegel, Kugelglas, oder Verzerrſpiegel.“ 20
ad 3. (König Richard II. Act. II, Sc. 2.) „Verwandel-〈Ver-
zieh-〉gläſer“ (Like perspectives) — Hier iſt für die Poeſie das
Allgemeine, nicht das Mathematiſche das Beſte; wie es ja im
Engliſchen auch iſt.
ad 4. (in Heinrich V.) „perspectively“ Fernmalerei — 25
„Optiſch- oder optiſcher Betrug“ — „Fernſeherei“ „Fernſicht“
— „Trugſicht“ „Täuſchferne“ 〈Verwandelferne〉. Hier bezieht
ſich alles auf die Malerperſpektive, alſo auf die Ferne.
d. 2. Sept. 30
Von deinem Abraham möcht’ ich doch nur etwas mehr Äußer-
liches wiſſen, und wem er gleicht. Schreibe mir von ihm; denn ich
liebe ja euch alle. — Cotta lehnte, nach ſeiner Gewohnheit, den Verlag
der von mir ſehr gelobten Gedichte Schuhmachers ab. — Deinen
*) „Gaukelſchein“ iſt Scheinſchein und alſo falſch; denn der Schein als ſolcher
iſt ja keiner.
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(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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