und Dauer des Rudolstädter Vogelschießens, dem ich vielleicht zu- fliegen könnte, zumal da Göthe nur Eine Tagesreise davon wohnt; denn ich muß noch die letzte Ruine meiner literarischen Geisterwelt aufsuchen, eh' ich ihr in die fernere folge. -- Wie wol würde mir das geliebte Angesicht deines Bruders und seine Rede über euch alle thun.5 -- Zu Ostern kommt der dritte Theil meiner Herbstblumine; und mein verdoppelter Aufsatz über die Doppelwörter mit Wider- legungen meiner Gegner, z. B. Grimms heraus, der mir im Hermes gar nicht auf der Achillesferse ist. Cotta ist der alte Bereitwillige gegen mich, und thut was ich eben will. -- Die Paulus versichern,10 Schlegel habe nie ein Wort wider mich gesprochen; wie reimest du dieß mit deinen Nachrichten? Grüße den alten guten Paulus, dem nur sein Kopf einen hellen Himmel bereitet. Auch irrst du ganz, wenn du Schlegeln meinen weniger hellen in Heidelberg schuld gibst. Nein, 100 vorige Freuden, Weiber, Musikalien, Spazier-15 fahrten, Gesellschaften etc.etc. fehlten neulich. -- Es kann dir noch nicht hinlänglich bekannt sein, daß die Herzogin Wilhelm, die meinem Ponto einen Tempel versprach, wenn ich ihn nach Stetten brächte, einen grünen in der Größe einer kleinen Laube, aus grünen Zweigen mit einer Rosenkuppel, mit einer Pforte zur rosenumkränzten20 Mooswiege, ins Zimmer tragen ließ und daß der Hund vor dem ganzen Hofe sich ruhig auf mein Geheiß in die Tempel-Wiege legte. Später spielten die 3 Fürstenkinder darin; und noch später hatte der Hund sein Rheimser Salbölfläschchen bei sich und that etwas daraus an den Tempel. -- Die christelnd-süßelnde Hornische Kritik25 misfällt mir sehr. -- Was hörst du von mir aus dem lieben Stutt- gart? -- Mein Schwiegervater, der geheime Obertribunalrath Meier aus Berlin, war auf seiner Badereise bei uns; du hättest den liebenden aber schwachfüßigen Siebziger und die Seeligkeit aller Herzen um ihn sehen sollen. -- Lebe wol, mein geliebter Heinrich,30 und grüße die Geliebten in deinem Hause; und dann die andern außerhalb, die mir gut sind, besonders Sophie Dapping und die Thiedemann.
Richter
35
Verzeih meinen Arbeiten ein langes künftiges Schweigen.
19 Jean Paul Briefe. VII
und Dauer des Rudolſtädter Vogelſchießens, dem ich vielleicht zu- fliegen könnte, zumal da Göthe nur Eine Tagesreiſe davon wohnt; denn ich muß noch die letzte Ruine meiner literariſchen Geiſterwelt aufſuchen, eh’ ich ihr in die fernere folge. — Wie wol würde mir das geliebte Angeſicht deines Bruders und ſeine Rede über euch alle thun.5 — Zu Oſtern kommt der dritte Theil meiner Herbſtblumine; und mein verdoppelter Aufſatz über die Doppelwörter mit Wider- legungen meiner Gegner, z. B. Grimms heraus, der mir im Hermes gar nicht auf der Achillesferſe iſt. Cotta iſt der alte Bereitwillige gegen mich, und thut was ich eben will. — Die Paulus verſichern,10 Schlegel habe nie ein Wort wider mich geſprochen; wie reimeſt du dieß mit deinen Nachrichten? Grüße den alten guten Paulus, dem nur ſein Kopf einen hellen Himmel bereitet. Auch irrſt du ganz, wenn du Schlegeln meinen weniger hellen in Heidelberg ſchuld gibſt. Nein, 100 vorige Freuden, Weiber, Muſikalien, Spazier-15 fahrten, Geſellſchaften ꝛc.ꝛc. fehlten neulich. — Es kann dir noch nicht hinlänglich bekannt ſein, daß die Herzogin Wilhelm, die meinem Ponto einen Tempel verſprach, wenn ich ihn nach Stetten brächte, einen grünen in der Größe einer kleinen Laube, aus grünen Zweigen mit einer Roſenkuppel, mit einer Pforte zur roſenumkränzten20 Mooswiege, ins Zimmer tragen ließ und daß der Hund vor dem ganzen Hofe ſich ruhig auf mein Geheiß in die Tempel-Wiege legte. Später ſpielten die 3 Fürſtenkinder darin; und noch ſpäter hatte der Hund ſein Rheimſer Salbölfläſchchen bei ſich und that etwas daraus an den Tempel. — Die chriſtelnd-ſüßelnde Hornische Kritik25 misfällt mir ſehr. — Was hörſt du von mir aus dem lieben Stutt- gart? — Mein Schwiegervater, der geheime Obertribunalrath Meier aus Berlin, war auf ſeiner Badereiſe bei uns; du hätteſt den liebenden aber ſchwachfüßigen Siebziger und die Seeligkeit aller Herzen um ihn ſehen ſollen. — Lebe wol, mein geliebter Heinrich,30 und grüße die Geliebten in deinem Hauſe; und dann die andern außerhalb, die mir gut ſind, beſonders Sophie Dapping und die Thiedemann.
Richter
35
Verzeih meinen Arbeiten ein langes künftiges Schweigen.
19 Jean Paul Briefe. VII
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fliegen könnte, zumal da Göthe nur Eine Tagesreiſe davon wohnt;
denn ich muß noch die letzte Ruine meiner literariſchen Geiſterwelt
aufſuchen, eh’ ich ihr in die fernere folge. — Wie wol würde mir das
geliebte Angeſicht deines Bruders und ſeine Rede über euch alle thun. 5
— Zu Oſtern kommt der dritte Theil meiner Herbſtblumine; und
mein verdoppelter Aufſatz über die Doppelwörter mit Wider-
legungen meiner Gegner, z. B. Grimms heraus, der mir im Hermes
gar nicht auf der Achillesferſe iſt. Cotta iſt der alte Bereitwillige
gegen mich, und thut was ich eben will. — Die Paulus verſichern, 10
Schlegel habe nie ein Wort wider mich geſprochen; wie reimeſt
du dieß mit deinen Nachrichten? Grüße den alten guten Paulus,
dem nur ſein Kopf einen hellen Himmel bereitet. Auch irrſt du ganz,
wenn du Schlegeln meinen weniger hellen in Heidelberg ſchuld
gibſt. Nein, 100 vorige Freuden, Weiber, Muſikalien, Spazier- 15
fahrten, Geſellſchaften ꝛc.ꝛc. fehlten neulich. — Es kann dir noch nicht
hinlänglich bekannt ſein, daß die Herzogin Wilhelm, die meinem
Ponto einen Tempel verſprach, wenn ich ihn nach Stetten brächte,
einen grünen in der Größe einer kleinen Laube, aus grünen Zweigen
mit einer Roſenkuppel, mit einer Pforte zur roſenumkränzten 20
Mooswiege, ins Zimmer tragen ließ und daß der Hund vor dem
ganzen Hofe ſich ruhig auf mein Geheiß in die Tempel-Wiege legte.
Später ſpielten die 3 Fürſtenkinder darin; und noch ſpäter hatte der
Hund ſein Rheimſer Salbölfläſchchen bei ſich und that etwas
daraus an den Tempel. — Die chriſtelnd-ſüßelnde Hornische Kritik 25
misfällt mir ſehr. — Was hörſt du von mir aus dem lieben Stutt-
gart? — Mein Schwiegervater, der geheime Obertribunalrath
Meier aus Berlin, war auf ſeiner Badereiſe bei uns; du hätteſt den
liebenden aber ſchwachfüßigen Siebziger und die Seeligkeit aller
Herzen um ihn ſehen ſollen. — Lebe wol, mein geliebter Heinrich, 30
und grüße die Geliebten in deinem Hauſe; und dann die andern
außerhalb, die mir gut ſind, beſonders Sophie Dapping und die
Thiedemann.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/298>, abgerufen am 11.06.2024.
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