Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

Bild:
<< vorherige Seite

einzufließen -- nicht aber auf Männer wie Behr, Seiffert etc. -- durch
die sprachgewaltige Beredsamkeit eines Genz, zu der aber auch seine
Feilheit gehört. Indeß thäte ein Titelwink auf Landtag immer viel. --
Ich fürchte, der neapol[itanische] Krieg greift zuletzt auch bis auf
Münchner Druckwerke herüber. Gleichwol soll O. in Gottes Namen5
das Ämtchen antreten. Eine Menge Landtagverhandlungen lassen sich
weissagen; und hier kann er die Aufsätze bequem vorausmachen. Ab-
danken kann er ja, wenn er will, und dabei mit dem klingenden Spiel
einer Pension abziehen. -- Ich muß aber über alle diese Punkte eine
Antwort haben, um einen Titel richtig zuzuschneiden.10

155. An Emanuel.

Guten Morgen, mein Emanuel! Ich kann mich nicht erinnern, in
meinem ganzen Autorleben ein tolleres Ansinnen erlebt zu haben als das
Hahnriedersche. Ich antworte natürlich nur der Übersenderin Uhde[!].15
-- Zuweilen hoff' ich, ich habe wenigstens die halbe Schuld-Last der
Antworten abgetragen; sofort wird sie aber wieder ganz. -- Das Blätt-
chen für Otto war Ihnen doch recht?

156. An Minna Uthe-Spazier in Dresden.
[Kopie]20

Theuerste Minna! Ihnen send' ich das Nein für den vortrefflichen
H--r, dessen ächt deutsches Herz sich in nichts irrt als im Gegenstande.
Nie wurde mir das sonst schwere Abschlagen einer Bitte leichter als
diesesmal; denn ihre Erfüllung wäre zugleich ein Unrecht, eine
Unnützlichkeit und eine Unmöglichkeit, nämlich in meinem Falle.25
Millionen werden Herrn H. auf seine Frage, ob man Napoleon, den
Raubmörder Enghiens und den Foltermörder des englischen Admirals
B. etc. etc. hätte erschießen dürfen, mit Ja antworten und darin nur das
gesteigerte Verhältnis von Mürat und Ferdinand wiederfinden. Wenn
dieser Prometheus Europa's -- oder vielmehr Gegenprometheus, da30
er Feuer und Menschen blos vertilgte -- von seinem Felsen und von dem
Geier an seiner Leber loskäme: so könnt' er leicht selber als Geier über
den jetzo schlachtfertigen Feldern unseres Welttheils schweben. Ich

einzufließen — nicht aber auf Männer wie Behr, Seiffert ꝛc. — durch
die ſprachgewaltige Beredſamkeit eines Genz, zu der aber auch ſeine
Feilheit gehört. Indeß thäte ein Titelwink auf Landtag immer viel. —
Ich fürchte, der neapol[itaniſche] Krieg greift zuletzt auch bis auf
Münchner Druckwerke herüber. Gleichwol ſoll O. in Gottes Namen5
das Ämtchen antreten. Eine Menge Landtagverhandlungen laſſen ſich
weiſſagen; und hier kann er die Aufſätze bequem vorausmachen. Ab-
danken kann er ja, wenn er will, und dabei mit dem klingenden Spiel
einer Penſion abziehen. — Ich muß aber über alle dieſe Punkte eine
Antwort haben, um einen Titel richtig zuzuſchneiden.10

155. An Emanuel.

Guten Morgen, mein Emanuel! Ich kann mich nicht erinnern, in
meinem ganzen Autorleben ein tolleres Anſinnen erlebt zu haben als das
Hahnriedersche. Ich antworte natürlich nur der Überſenderin Uhde[!].15
— Zuweilen hoff’ ich, ich habe wenigſtens die halbe Schuld-Laſt der
Antworten abgetragen; ſofort wird ſie aber wieder ganz. — Das Blätt-
chen für Otto war Ihnen doch recht?

156. An Minna Uthe-Spazier in Dresden.
[Kopie]20

Theuerſte Minna! Ihnen ſend’ ich das Nein für den vortrefflichen
H—r, deſſen ächt deutſches Herz ſich in nichts irrt als im Gegenſtande.
Nie wurde mir das ſonſt ſchwere Abſchlagen einer Bitte leichter als
dieſesmal; denn ihre Erfüllung wäre zugleich ein Unrecht, eine
Unnützlichkeit und eine Unmöglichkeit, nämlich in meinem Falle.25
Millionen werden Herrn H. auf ſeine Frage, ob man Napoleon, den
Raubmörder Enghiens und den Foltermörder des engliſchen Admirals
B. ꝛc. ꝛc. hätte erſchießen dürfen, mit Ja antworten und darin nur das
geſteigerte Verhältnis von Mürat und Ferdinand wiederfinden. Wenn
dieſer Prometheus Europa’s — oder vielmehr Gegenprometheus, da30
er Feuer und Menſchen blos vertilgte — von ſeinem Felſen und von dem
Geier an ſeiner Leber loskäme: ſo könnt’ er leicht ſelber als Geier über
den jetzo ſchlachtfertigen Feldern unſeres Welttheils ſchweben. Ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="103"/>
einzufließen &#x2014; nicht aber auf Männer wie <hi rendition="#aq">Behr, Seiffert</hi> &#xA75B;c. &#x2014; durch<lb/>
die &#x017F;prachgewaltige Bered&#x017F;amkeit eines <hi rendition="#aq">Genz,</hi> zu der aber auch &#x017F;eine<lb/>
Feilheit gehört. Indeß thäte ein Titelwink auf Landtag immer viel. &#x2014;<lb/>
Ich fürchte, der neapol[itani&#x017F;che] Krieg greift zuletzt auch bis auf<lb/>
Münchner Druckwerke herüber. Gleichwol &#x017F;oll O. in Gottes Namen<lb n="5"/>
das Ämtchen antreten. Eine Menge Landtagverhandlungen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;agen; und hier kann er die Auf&#x017F;ätze bequem vorausmachen. Ab-<lb/>
danken kann er ja, wenn er will, und dabei mit dem klingenden Spiel<lb/>
einer Pen&#x017F;ion abziehen. &#x2014; Ich muß aber über alle die&#x017F;e Punkte eine<lb/>
Antwort haben, um einen Titel richtig zuzu&#x017F;chneiden.<lb n="10"/>
</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>155. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 6. März 1821]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Morgen, mein <hi rendition="#aq">Emanuel!</hi> Ich kann mich nicht erinnern, in<lb/>
meinem ganzen Autorleben ein tolleres An&#x017F;innen erlebt zu haben als das<lb/><hi rendition="#aq">Hahnriedersche.</hi> Ich antworte natürlich nur der Über&#x017F;enderin Uhde[!].<lb n="15"/>
&#x2014; Zuweilen hoff&#x2019; ich, ich habe wenig&#x017F;tens die halbe Schuld-La&#x017F;t der<lb/>
Antworten abgetragen; &#x017F;ofort wird &#x017F;ie aber wieder ganz. &#x2014; Das Blätt-<lb/>
chen für <hi rendition="#aq">Otto</hi> war Ihnen doch recht?</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>156. An <hi rendition="#g">Minna Uthe-Spazier in Dresden.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 12. März 1821]</hi> </dateline>
        <lb n="20"/>
        <p>Theuer&#x017F;te Minna! Ihnen &#x017F;end&#x2019; ich das Nein für den vortrefflichen<lb/>
H&#x2014;r, de&#x017F;&#x017F;en ächt deut&#x017F;ches Herz &#x017F;ich in nichts irrt als im Gegen&#x017F;tande.<lb/>
Nie wurde mir das &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;chwere Ab&#x017F;chlagen einer Bitte leichter als<lb/>
die&#x017F;esmal; denn ihre <hi rendition="#g">Erfüllung</hi> wäre zugleich ein <hi rendition="#g">Unrecht,</hi> eine<lb/><hi rendition="#g">Unnützlichkeit</hi> und eine <hi rendition="#g">Unmöglichkeit,</hi> nämlich in meinem Falle.<lb n="25"/>
Millionen werden Herrn H. auf &#x017F;eine Frage, ob man Napoleon, den<lb/>
Raubmörder <hi rendition="#aq">Enghiens</hi> und den Foltermörder des engli&#x017F;chen Admirals<lb/>
B. &#xA75B;c. &#xA75B;c. hätte er&#x017F;chießen dürfen, mit Ja antworten und darin nur das<lb/>
ge&#x017F;teigerte Verhältnis von Mürat und Ferdinand wiederfinden. Wenn<lb/>
die&#x017F;er Prometheus Europa&#x2019;s &#x2014; oder vielmehr Gegenprometheus, da<lb n="30"/>
er Feuer und Men&#x017F;chen blos vertilgte &#x2014; von &#x017F;einem Fel&#x017F;en und von dem<lb/>
Geier an &#x017F;einer Leber loskäme: &#x017F;o könnt&#x2019; er leicht &#x017F;elber als Geier über<lb/>
den jetzo &#x017F;chlachtfertigen Feldern un&#x017F;eres Welttheils &#x017F;chweben. Ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0109] einzufließen — nicht aber auf Männer wie Behr, Seiffert ꝛc. — durch die ſprachgewaltige Beredſamkeit eines Genz, zu der aber auch ſeine Feilheit gehört. Indeß thäte ein Titelwink auf Landtag immer viel. — Ich fürchte, der neapol[itaniſche] Krieg greift zuletzt auch bis auf Münchner Druckwerke herüber. Gleichwol ſoll O. in Gottes Namen 5 das Ämtchen antreten. Eine Menge Landtagverhandlungen laſſen ſich weiſſagen; und hier kann er die Aufſätze bequem vorausmachen. Ab- danken kann er ja, wenn er will, und dabei mit dem klingenden Spiel einer Penſion abziehen. — Ich muß aber über alle dieſe Punkte eine Antwort haben, um einen Titel richtig zuzuſchneiden. 10 155. An Emanuel. [Bayreuth, 6. März 1821] Guten Morgen, mein Emanuel! Ich kann mich nicht erinnern, in meinem ganzen Autorleben ein tolleres Anſinnen erlebt zu haben als das Hahnriedersche. Ich antworte natürlich nur der Überſenderin Uhde[!]. 15 — Zuweilen hoff’ ich, ich habe wenigſtens die halbe Schuld-Laſt der Antworten abgetragen; ſofort wird ſie aber wieder ganz. — Das Blätt- chen für Otto war Ihnen doch recht? 156. An Minna Uthe-Spazier in Dresden. [Bayreuth, 12. März 1821] 20 Theuerſte Minna! Ihnen ſend’ ich das Nein für den vortrefflichen H—r, deſſen ächt deutſches Herz ſich in nichts irrt als im Gegenſtande. Nie wurde mir das ſonſt ſchwere Abſchlagen einer Bitte leichter als dieſesmal; denn ihre Erfüllung wäre zugleich ein Unrecht, eine Unnützlichkeit und eine Unmöglichkeit, nämlich in meinem Falle. 25 Millionen werden Herrn H. auf ſeine Frage, ob man Napoleon, den Raubmörder Enghiens und den Foltermörder des engliſchen Admirals B. ꝛc. ꝛc. hätte erſchießen dürfen, mit Ja antworten und darin nur das geſteigerte Verhältnis von Mürat und Ferdinand wiederfinden. Wenn dieſer Prometheus Europa’s — oder vielmehr Gegenprometheus, da 30 er Feuer und Menſchen blos vertilgte — von ſeinem Felſen und von dem Geier an ſeiner Leber loskäme: ſo könnt’ er leicht ſelber als Geier über den jetzo ſchlachtfertigen Feldern unſeres Welttheils ſchweben. Ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/109
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/109>, abgerufen am 21.11.2024.