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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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bekümmere mich hier nicht einmal darum, daß seine Leberkrankheit eben
so wol Folge seines eigensinnigen Stillsitzens als des Klima ist.

Ferner unnütz wäre alles was noch für ihn geschähe, da eine Luise
und alle seine Verwandten, denen man hierin gar keine Neuigkeit sagen
würde, bisher nichts vermochten -- und vollends bei dem beharrlichen5
brittischen Kabinette, dem er bisher so viel gekostet. Noch träumerischer
wäre gar ein Umweg hinab nach Amerika, und wieder herauf nach Eng-
land -- eh' es nur zu Worten, geschweige zu Drohungen käme, stürb' er
vor Alter.

Endlich unmöglich wäre mir alles, sogar wenn ich anders dächte10
und wünschte. Herr H. leiht mir bloßem Privatgelehrten eine Bekannt-
schaft mit den Höfen und gar eine Einwirkung, welche beide mir nicht zu
Theil geworden. Wozu nach dem Vorigen das Weitere? Ich habe so
wenig Zeit; und blos aus Achtung für Sie und ihn opferte ich diese
Stunde auf. Möchte doch Herr H. eine so seltene und verehrwürdige15
Begeisterung den rechten und den erreichbaren Zielen zuwenden!

Meinen herzlichen Gruß an Ihren trefflichen Gatten! Es gehe Ihnen
wohl in Ihrer prosaischen und in Ihrer poetischen Welthälfte.

Der Ihrige etc.

N.S. An Schrag haben Sie einen zuverlässigen und biedern Buch-20
händler gewonnen.

157. An Frau Josephine von Welden in Bayreuth.

Verehrteste Freundin meiner Karoline, die Ihr heutiger Tag schon
mehre Tage vorher glücklich gemacht und bei welcher er, wie Sie sehen,25
schon voraus geblüht! Ich habe nur Dinte, nicht Seide, um meine
Wünsche auszudrücken. Das vorige Jahr hat die wichtigsten Hoffnungen
Ihrer Liebenden erhört. Das jetzige wird das, was noch unerfüllt ge-
blieben, gewiß ausfüllen. Fliegt auch der Schutzengel Ihres Lebens und
Glücks zu hoch über Ihnen zuweilen, daß Sie ihn nicht sehen können: er30
kann doch herabsehen und schwebt dann bald wieder näher. Mit
wachsender Verehrung

Ihr
Jean Paul Fr. Richter

bekümmere mich hier nicht einmal darum, daß ſeine Leberkrankheit eben
ſo wol Folge ſeines eigenſinnigen Stillſitzens als des Klima iſt.

Ferner unnütz wäre alles was noch für ihn geſchähe, da eine Luiſe
und alle ſeine Verwandten, denen man hierin gar keine Neuigkeit ſagen
würde, bisher nichts vermochten — und vollends bei dem beharrlichen5
brittiſchen Kabinette, dem er bisher ſo viel gekoſtet. Noch träumeriſcher
wäre gar ein Umweg hinab nach Amerika, und wieder herauf nach Eng-
land — eh’ es nur zu Worten, geſchweige zu Drohungen käme, ſtürb’ er
vor Alter.

Endlich unmöglich wäre mir alles, ſogar wenn ich anders dächte10
und wünſchte. Herr H. leiht mir bloßem Privatgelehrten eine Bekannt-
ſchaft mit den Höfen und gar eine Einwirkung, welche beide mir nicht zu
Theil geworden. Wozu nach dem Vorigen das Weitere? Ich habe ſo
wenig Zeit; und blos aus Achtung für Sie und ihn opferte ich dieſe
Stunde auf. Möchte doch Herr H. eine ſo ſeltene und verehrwürdige15
Begeiſterung den rechten und den erreichbaren Zielen zuwenden!

Meinen herzlichen Gruß an Ihren trefflichen Gatten! Es gehe Ihnen
wohl in Ihrer proſaiſchen und in Ihrer poetiſchen Welthälfte.

Der Ihrige ꝛc.

N.S. An Schrag haben Sie einen zuverläſſigen und biedern Buch-20
händler gewonnen.

157. An Frau Joſephine von Welden in Bayreuth.

Verehrteſte Freundin meiner Karoline, die Ihr heutiger Tag ſchon
mehre Tage vorher glücklich gemacht und bei welcher er, wie Sie ſehen,25
ſchon voraus geblüht! Ich habe nur Dinte, nicht Seide, um meine
Wünſche auszudrücken. Das vorige Jahr hat die wichtigſten Hoffnungen
Ihrer Liebenden erhört. Das jetzige wird das, was noch unerfüllt ge-
blieben, gewiß ausfüllen. Fliegt auch der Schutzengel Ihres Lebens und
Glücks zu hoch über Ihnen zuweilen, daß Sie ihn nicht ſehen können: er30
kann doch herabſehen und ſchwebt dann bald wieder näher. Mit
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Jean Paul Fr. Richter
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[104/0110] bekümmere mich hier nicht einmal darum, daß ſeine Leberkrankheit eben ſo wol Folge ſeines eigenſinnigen Stillſitzens als des Klima iſt. Ferner unnütz wäre alles was noch für ihn geſchähe, da eine Luiſe und alle ſeine Verwandten, denen man hierin gar keine Neuigkeit ſagen würde, bisher nichts vermochten — und vollends bei dem beharrlichen 5 brittiſchen Kabinette, dem er bisher ſo viel gekoſtet. Noch träumeriſcher wäre gar ein Umweg hinab nach Amerika, und wieder herauf nach Eng- land — eh’ es nur zu Worten, geſchweige zu Drohungen käme, ſtürb’ er vor Alter. Endlich unmöglich wäre mir alles, ſogar wenn ich anders dächte 10 und wünſchte. Herr H. leiht mir bloßem Privatgelehrten eine Bekannt- ſchaft mit den Höfen und gar eine Einwirkung, welche beide mir nicht zu Theil geworden. Wozu nach dem Vorigen das Weitere? Ich habe ſo wenig Zeit; und blos aus Achtung für Sie und ihn opferte ich dieſe Stunde auf. Möchte doch Herr H. eine ſo ſeltene und verehrwürdige 15 Begeiſterung den rechten und den erreichbaren Zielen zuwenden! Meinen herzlichen Gruß an Ihren trefflichen Gatten! Es gehe Ihnen wohl in Ihrer proſaiſchen und in Ihrer poetiſchen Welthälfte. Der Ihrige ꝛc. N.S. An Schrag haben Sie einen zuverläſſigen und biedern Buch- 20 händler gewonnen. 157. An Frau Joſephine von Welden in Bayreuth. Baireut d. 19 März 1821 Verehrteſte Freundin meiner Karoline, die Ihr heutiger Tag ſchon mehre Tage vorher glücklich gemacht und bei welcher er, wie Sie ſehen, 25 ſchon voraus geblüht! Ich habe nur Dinte, nicht Seide, um meine Wünſche auszudrücken. Das vorige Jahr hat die wichtigſten Hoffnungen Ihrer Liebenden erhört. Das jetzige wird das, was noch unerfüllt ge- blieben, gewiß ausfüllen. Fliegt auch der Schutzengel Ihres Lebens und Glücks zu hoch über Ihnen zuweilen, daß Sie ihn nicht ſehen können: er 30 kann doch herabſehen und ſchwebt dann bald wieder näher. Mit wachſender Verehrung Ihr Jean Paul Fr. Richter

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/110>, abgerufen am 24.11.2024.