Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.Der Helm. Chezy begegnete ich auf dem Wege zu Tieck. Die ganze Die herrliche, gerade zur hiesigen Meßzeit von Minna ausgesuchte d. 13ten Mai Endlich grüßte mich gestern Nachmittags dein liebes Blättchen. Dein alter Richter *) Sie ist eine Freundin Minnas und oft bei Elisa. Ihr kräftiges, aber be-35
scheidnes Wesen gefällt mir -- übrigens wie bei fast allen Schriftstellerinnen wenig Schönheit. Der Helm. Chezy begegnete ich auf dem Wege zu Tieck. Die ganze Die herrliche, gerade zur hieſigen Meßzeit von Minna ausgeſuchte d. 13ten Mai Endlich grüßte mich geſtern Nachmittags dein liebes Blättchen. Dein alter Richter *) Sie iſt eine Freundin Minnas und oft bei Elisa. Ihr kräftiges, aber be-35
ſcheidnes Weſen gefällt mir — übrigens wie bei faſt allen Schriftſtellerinnen wenig Schönheit. <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0177" n="170"/> <p>Der <hi rendition="#aq">Helm. Chezy</hi> begegnete ich auf dem Wege zu <hi rendition="#aq">Tieck.</hi> Die ganze<lb/> vorige Grazie hat ſich unkenntlich verdickt. Hier ſoll ſie (<hi rendition="#aq">Minna</hi> zufolge)<lb/> wegen eines literariſchen Raubes an <hi rendition="#aq">Tarnow</hi><note place="foot" n="*)">Sie iſt eine Freundin <hi rendition="#aq">Minnas</hi> und oft bei <hi rendition="#aq">Elisa.</hi> Ihr kräftiges, aber be-<lb n="35"/> ſcheidnes Weſen gefällt mir — übrigens wie bei faſt allen Schriftſtellerinnen<lb/> wenig Schönheit.</note> und anderer Ver-<lb/> hältniſſe wegen von den vorigen Verbindungen ausgeſchloſſen ſein.<lb/> Sie und ihr kranker Sohn brachten mir Blumen. Aus Mitleiden und<lb n="5"/> aus Dank für die alte Zeit beſuch’ ich ſie, wenn <hi rendition="#aq">Wolke</hi> bei ihr iſt, der<lb/> meinetwegen von <hi rendition="#aq">Leipzig</hi> hieher gekommen.</p><lb/> <p>Die herrliche, gerade zur hieſigen Meßzeit von <hi rendition="#aq">Minna</hi> ausgeſuchte<lb/> Leinwand koſtet 4 gr. 6 Pf. ſächſ., nicht die 50 Ellen, ſondern ſchon eine;<lb/> — viel Geld! — Ich habe hier die Wahl zwiſchen 2 trefflichen Bieren.<lb n="10"/> Der Appetit hält an. Glücklicher Weiſe faſt’ ich abends nach den<lb/><hi rendition="#aq">Thées.</hi> —</p> </div><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 13<hi rendition="#sup">ten</hi> Mai</hi> </dateline><lb/> <p>Endlich grüßte mich geſtern Nachmittags dein liebes Blättchen.<lb/> Meine wieder aufblühende <hi rendition="#aq">Odilie</hi> ſegne in meinem Namen. Der Herbſt<lb n="15"/> bei euch dreien wird mir den Frühling verſchönert geben. Denn nun<lb/> wird es zu arg und das Stehen auf dem Ehrenpranger ermattet mich.<lb/> Geſtern waren zum Thée bei <hi rendition="#aq">Elisa</hi> an 30 Menſchen (worunter über<lb/> 10 Gräfinnen), deren Namen ich meiſtens ſchon eh’ die Reihe präſen-<lb/> tiert war, zuſammt den Geſichtern vergaß (Schöne weibliche ſind hier<lb n="20"/> ſeltener als in <hi rendition="#aq">Baireut</hi>); und ich mußte neben <hi rendition="#aq">Elisa</hi> ſitzend vor dem<lb/> ausgedehnten Zirkel mich hören und ſehen laſſen. Es iſt kein Spaß. —<lb/> Ich muß eilen. Ich bin ſchon 2 mal geſtört worden und der Brief ſoll<lb/> doch fort, eh ich mit <hi rendition="#aq">Uthe</hi> und <hi rendition="#aq">Minna</hi> fortfahre. — Aber im Ganzen<lb/> fehlt mir doch manche Traum-Erfüllung und ein <hi rendition="#aq">Schwabachers</hi><lb n="25"/> Garten und meine Seele ermattet unter der Menge und durch die<lb/> Fernen. — In einer Mittelſtadt wär’ ich viel glücklicher. — Aber,<lb/> meine gute <hi rendition="#aq">Caroline,</hi> warum hältſt du dein heiliges Verſprechen nicht,<lb/> meine Sachen ungeändert zu laſſen? Bei der Umſetzung des Ofens hätt’<lb/> ich 100 Sachen zu beſtimmen, z. B. das Einheizen auſſer dem Zimmer<lb n="30"/> ꝛc. ꝛc. — Schreibe mir immer den Ankunfttag der Briefe. — — Meine<lb/> warm verehrte <hi rendition="#aq">Welden</hi> ſei recht gegrüßt, und <hi rendition="#aq">Emanuel</hi> und <hi rendition="#aq">Otto</hi> —<lb/> und du von innigſter Seele, da ich immer mehr in der Fremde ſehe, was<lb/> ich an dir gewonnen.</p> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Dein alter Richter</hi> </salute> </closer> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [170/0177]
Der Helm. Chezy begegnete ich auf dem Wege zu Tieck. Die ganze
vorige Grazie hat ſich unkenntlich verdickt. Hier ſoll ſie (Minna zufolge)
wegen eines literariſchen Raubes an Tarnow *) und anderer Ver-
hältniſſe wegen von den vorigen Verbindungen ausgeſchloſſen ſein.
Sie und ihr kranker Sohn brachten mir Blumen. Aus Mitleiden und 5
aus Dank für die alte Zeit beſuch’ ich ſie, wenn Wolke bei ihr iſt, der
meinetwegen von Leipzig hieher gekommen.
Die herrliche, gerade zur hieſigen Meßzeit von Minna ausgeſuchte
Leinwand koſtet 4 gr. 6 Pf. ſächſ., nicht die 50 Ellen, ſondern ſchon eine;
— viel Geld! — Ich habe hier die Wahl zwiſchen 2 trefflichen Bieren. 10
Der Appetit hält an. Glücklicher Weiſe faſt’ ich abends nach den
Thées. —
d. 13ten Mai
Endlich grüßte mich geſtern Nachmittags dein liebes Blättchen.
Meine wieder aufblühende Odilie ſegne in meinem Namen. Der Herbſt 15
bei euch dreien wird mir den Frühling verſchönert geben. Denn nun
wird es zu arg und das Stehen auf dem Ehrenpranger ermattet mich.
Geſtern waren zum Thée bei Elisa an 30 Menſchen (worunter über
10 Gräfinnen), deren Namen ich meiſtens ſchon eh’ die Reihe präſen-
tiert war, zuſammt den Geſichtern vergaß (Schöne weibliche ſind hier 20
ſeltener als in Baireut); und ich mußte neben Elisa ſitzend vor dem
ausgedehnten Zirkel mich hören und ſehen laſſen. Es iſt kein Spaß. —
Ich muß eilen. Ich bin ſchon 2 mal geſtört worden und der Brief ſoll
doch fort, eh ich mit Uthe und Minna fortfahre. — Aber im Ganzen
fehlt mir doch manche Traum-Erfüllung und ein Schwabachers 25
Garten und meine Seele ermattet unter der Menge und durch die
Fernen. — In einer Mittelſtadt wär’ ich viel glücklicher. — Aber,
meine gute Caroline, warum hältſt du dein heiliges Verſprechen nicht,
meine Sachen ungeändert zu laſſen? Bei der Umſetzung des Ofens hätt’
ich 100 Sachen zu beſtimmen, z. B. das Einheizen auſſer dem Zimmer 30
ꝛc. ꝛc. — Schreibe mir immer den Ankunfttag der Briefe. — — Meine
warm verehrte Welden ſei recht gegrüßt, und Emanuel und Otto —
und du von innigſter Seele, da ich immer mehr in der Fremde ſehe, was
ich an dir gewonnen.
Dein alter Richter
*) Sie iſt eine Freundin Minnas und oft bei Elisa. Ihr kräftiges, aber be- 35
ſcheidnes Weſen gefällt mir — übrigens wie bei faſt allen Schriftſtellerinnen
wenig Schönheit.
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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