Erzählungen gehört nur auf unser Kanapee, nicht auf das enge Papier. Nur Einmal konnt' ich in einem Gasthof essen; bis auf den Donnerstag sind schon Eßbestellungen, ungeachtet einiger abgelehnten. Bei der v. Recke aß ich 3 mal Mittags, und trank Thee 2 mal; denn die Hohen- lohe und die Acerenza sind auch angekommen und die Sagan wird5 erwartet.
-- Seit einigen Tagen weht ein blauer Himmel, wie ihn nur meine Phantasie verlangen kann; und er wird noch bis über Pfingsten hinaus sich freundlich gebehrden, bis er im Anfange des Juny mich fürstlich mit Kanonendonner und Blitz-Illuminazionen entlassen und höflich lange10 begleiten wird. -- Von hier nach Baireut fodert man 60 sächs. rtl. Fuhrlohn.
Sonnabends d. 18ten Mai
Gestern Nachmittags erhielt ich endlich deinen liebe- und freude- reichen Brief, der schon den 10ten abgegangen, wenn du nicht etwa15 einen vorjährigen Kalender nahmst. Schreibe immer den Wochen-Tag darüber. Ganz gesund kann ich freilich nicht bleiben bei dem ewigen guten Trinken und Essen -- zumal an Tischen wie des Grafen Kalkreuts und der Elisa R[ecke]*) -- und leider stärkt es den Appetit, daß ich35 hier in 1 Tage mehr spreche als in Baireut in 14 Tagen. Dresden sagt20 mir zum Glück voraus, daß ich in Berlin untergehen würde an Wirthen und Genüssen. Zum Glücke kann ich die Thees meiden. -- Meine Briefe zeige nicht immer ganz; lies nur daraus vor. Leider trieb ichs früher selber zu weit und ließ sogar eine Amoene sogar deine Briefe lesen.
Sonntags 19ten Mai25
Könnt ich doch nur einmal recht lange an dich schreiben! Und doch widme ich dir die Vormittage; denn an Arbeiten ist nicht zu denken. Du mattest dich mit den Hausverbesserungen ab, während ich mich durch Eß- und Sprechgelage. Aber halte mich nicht für besonders glücklich -- In mein altes Herz kann kein Frühling voriger Zeit mehr kommen; und30 Wetter und Menschen und Umstände vereinigen sich umsonst. -- Alles ist hier gefällig bis zum Volk und Soldaten herab; du findest das mili-
*) Morgen ess' ich bei dem Millionär Schütze, Gatte einer Engländerin und Schutzgeist aller großen Hülfanstalten für Blinde, Arme etc. etc., ein Leers im Großen.
Erzählungen gehört nur auf unſer Kanapée, nicht auf das enge Papier. Nur Einmal konnt’ ich in einem Gaſthof eſſen; bis auf den Donnerſtag ſind ſchon Eßbeſtellungen, ungeachtet einiger abgelehnten. Bei der v. Recke aß ich 3 mal Mittags, und trank Thée 2 mal; denn die Hohen- lohe und die Acerenza ſind auch angekommen und die Sagan wird5 erwartet.
— Seit einigen Tagen weht ein blauer Himmel, wie ihn nur meine Phantaſie verlangen kann; und er wird noch bis über Pfingſten hinaus ſich freundlich gebehrden, bis er im Anfange des Juny mich fürſtlich mit Kanonendonner und Blitz-Illuminazionen entlaſſen und höflich lange10 begleiten wird. — Von hier nach Baireut fodert man 60 ſächſ. rtl. Fuhrlohn.
Sonnabends d. 18ten Mai
Geſtern Nachmittags erhielt ich endlich deinen liebe- und freude- reichen Brief, der ſchon den 10ten abgegangen, wenn du nicht etwa15 einen vorjährigen Kalender nahmſt. Schreibe immer den Wochen-Tag darüber. Ganz geſund kann ich freilich nicht bleiben bei dem ewigen guten Trinken und Eſſen — zumal an Tiſchen wie des Grafen Kalkreuts und der Elisa R[ecke]*) — und leider ſtärkt es den Appetit, daß ich35 hier in 1 Tage mehr ſpreche als in Baireut in 14 Tagen. Dresden ſagt20 mir zum Glück voraus, daß ich in Berlin untergehen würde an Wirthen und Genüſſen. Zum Glücke kann ich die Thées meiden. — Meine Briefe zeige nicht immer ganz; lies nur daraus vor. Leider trieb ichs früher ſelber zu weit und ließ ſogar eine Amoene ſogar deine Briefe leſen.
Sonntags 19ten Mai25
Könnt ich doch nur einmal recht lange an dich ſchreiben! Und doch widme ich dir die Vormittage; denn an Arbeiten iſt nicht zu denken. Du matteſt dich mit den Hausverbeſſerungen ab, während ich mich durch Eß- und Sprechgelage. Aber halte mich nicht für beſonders glücklich — In mein altes Herz kann kein Frühling voriger Zeit mehr kommen; und30 Wetter und Menſchen und Umſtände vereinigen ſich umſonſt. — Alles iſt hier gefällig bis zum Volk und Soldaten herab; du findeſt das mili-
*) Morgen eſſ’ ich bei dem Millionär Schütze, Gatte einer Engländerin und Schutzgeiſt aller großen Hülfanſtalten für Blinde, Arme ꝛc. ꝛc., ein Leers im Großen.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0180"n="173"/>
Erzählungen gehört nur auf unſer Kanapée, nicht auf das enge Papier.<lb/>
Nur Einmal konnt’ ich in einem Gaſthof eſſen; bis auf den Donnerſtag<lb/>ſind ſchon Eßbeſtellungen, ungeachtet einiger abgelehnten. Bei der<lb/>
v. Recke aß ich 3 mal Mittags, und trank Thée 2 mal; denn die Hohen-<lb/>
lohe und die <hirendition="#aq">Acerenza</hi>ſind auch angekommen und die <hirendition="#aq">Sagan</hi> wird<lbn="5"/>
erwartet.</p><lb/><p>— Seit einigen Tagen weht ein blauer Himmel, wie ihn nur meine<lb/>
Phantaſie verlangen kann; und er wird noch bis über Pfingſten hinaus<lb/>ſich freundlich gebehrden, bis er im Anfange des Juny mich fürſtlich mit<lb/>
Kanonendonner und Blitz-Illuminazionen entlaſſen und höflich lange<lbn="10"/>
begleiten wird. — Von hier nach <hirendition="#aq">Baireut</hi> fodert man 60 ſächſ. rtl.<lb/>
Fuhrlohn.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">Sonnabends d. 18<hirendition="#sup">ten</hi> Mai</hi></dateline><lb/><p>Geſtern Nachmittags erhielt ich endlich deinen liebe- und freude-<lb/>
reichen Brief, der ſchon den 10<hirendition="#sup">ten</hi> abgegangen, wenn du nicht etwa<lbn="15"/>
einen vorjährigen Kalender nahmſt. Schreibe immer den Wochen-Tag<lb/>
darüber. Ganz geſund kann ich freilich nicht bleiben bei dem ewigen<lb/>
guten Trinken und Eſſen — zumal an Tiſchen wie des Grafen Kalkreuts<lb/>
und der <hirendition="#aq">Elisa R[ecke]</hi><noteplace="foot"n="*)">Morgen eſſ’ ich bei dem Millionär <hirendition="#aq">Schütze,</hi> Gatte einer Engländerin und<lb/>
Schutzgeiſt aller großen Hülfanſtalten für Blinde, Arme ꝛc. ꝛc., ein <hirendition="#aq">Leers</hi><lb/>
im Großen.</note>— und leider ſtärkt es den Appetit, daß ich<lbn="35"/>
hier in 1 Tage mehr ſpreche als in <hirendition="#aq">Baireut</hi> in 14 Tagen. <hirendition="#aq">Dresden</hi>ſagt<lbn="20"/>
mir zum Glück voraus, daß ich in <hirendition="#aq">Berlin</hi> untergehen würde an Wirthen<lb/>
und Genüſſen. Zum Glücke kann ich die Thées meiden. — Meine Briefe<lb/>
zeige nicht immer ganz; lies nur daraus vor. Leider trieb ichs früher<lb/>ſelber zu weit und ließ ſogar eine <hirendition="#aq">Amoene</hi>ſogar deine Briefe leſen.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">Sonntags 19<hirendition="#sup">ten</hi> Mai</hi></dateline><lbn="25"/><p>Könnt ich doch nur einmal recht lange an dich ſchreiben! Und doch<lb/>
widme ich dir die Vormittage; denn an Arbeiten iſt nicht zu denken.<lb/>
Du matteſt dich mit den Hausverbeſſerungen ab, während ich mich durch<lb/>
Eß- und Sprechgelage. Aber halte mich nicht für beſonders glücklich —<lb/>
In mein altes Herz kann kein Frühling voriger Zeit mehr kommen; und<lbn="30"/>
Wetter und Menſchen und Umſtände vereinigen ſich umſonſt. — Alles<lb/>
iſt hier gefällig bis zum Volk und Soldaten herab; du findeſt das mili-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[173/0180]
Erzählungen gehört nur auf unſer Kanapée, nicht auf das enge Papier.
Nur Einmal konnt’ ich in einem Gaſthof eſſen; bis auf den Donnerſtag
ſind ſchon Eßbeſtellungen, ungeachtet einiger abgelehnten. Bei der
v. Recke aß ich 3 mal Mittags, und trank Thée 2 mal; denn die Hohen-
lohe und die Acerenza ſind auch angekommen und die Sagan wird 5
erwartet.
— Seit einigen Tagen weht ein blauer Himmel, wie ihn nur meine
Phantaſie verlangen kann; und er wird noch bis über Pfingſten hinaus
ſich freundlich gebehrden, bis er im Anfange des Juny mich fürſtlich mit
Kanonendonner und Blitz-Illuminazionen entlaſſen und höflich lange 10
begleiten wird. — Von hier nach Baireut fodert man 60 ſächſ. rtl.
Fuhrlohn.
Sonnabends d. 18ten Mai
Geſtern Nachmittags erhielt ich endlich deinen liebe- und freude-
reichen Brief, der ſchon den 10ten abgegangen, wenn du nicht etwa 15
einen vorjährigen Kalender nahmſt. Schreibe immer den Wochen-Tag
darüber. Ganz geſund kann ich freilich nicht bleiben bei dem ewigen
guten Trinken und Eſſen — zumal an Tiſchen wie des Grafen Kalkreuts
und der Elisa R[ecke] *) — und leider ſtärkt es den Appetit, daß ich 35
hier in 1 Tage mehr ſpreche als in Baireut in 14 Tagen. Dresden ſagt 20
mir zum Glück voraus, daß ich in Berlin untergehen würde an Wirthen
und Genüſſen. Zum Glücke kann ich die Thées meiden. — Meine Briefe
zeige nicht immer ganz; lies nur daraus vor. Leider trieb ichs früher
ſelber zu weit und ließ ſogar eine Amoene ſogar deine Briefe leſen.
Sonntags 19ten Mai 25
Könnt ich doch nur einmal recht lange an dich ſchreiben! Und doch
widme ich dir die Vormittage; denn an Arbeiten iſt nicht zu denken.
Du matteſt dich mit den Hausverbeſſerungen ab, während ich mich durch
Eß- und Sprechgelage. Aber halte mich nicht für beſonders glücklich —
In mein altes Herz kann kein Frühling voriger Zeit mehr kommen; und 30
Wetter und Menſchen und Umſtände vereinigen ſich umſonſt. — Alles
iſt hier gefällig bis zum Volk und Soldaten herab; du findeſt das mili-
*) Morgen eſſ’ ich bei dem Millionär Schütze, Gatte einer Engländerin und
Schutzgeiſt aller großen Hülfanſtalten für Blinde, Arme ꝛc. ꝛc., ein Leers
im Großen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/180>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.