Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.gehen habe, kann mir kein Freund mehr begegnen von solcher über- Es geh' Ihnen froher und alle Ihrige erhalte Ihnen Gott! Ihr Jean Paul Fr. Richter10 *351. An Ernst Ludwig Grosse in Hannover. Baireut d. 20 Nov. 1822Meine Antwort wird wie ein Trauerspiel aus Schmerz und Freude d. 1 Dec. Die lange Aussetzung dieser mir so wichtigen Antwort beweise gehen habe, kann mir kein Freund mehr begegnen von ſolcher über- Es geh’ Ihnen froher und alle Ihrige erhalte Ihnen Gott! Ihr Jean Paul Fr. Richter10 *351. An Ernſt Ludwig Groſſe in Hannover. Baireut d. 20 Nov. 1822Meine Antwort wird wie ein Trauerſpiel aus Schmerz und Freude d. 1 Dec. Die lange Ausſetzung dieſer mir ſo wichtigen Antwort beweiſe <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0219" n="210"/> gehen habe, kann mir kein Freund mehr begegnen von ſolcher über-<lb/> ſchwenglicher Liebe, von ſolcher faſt weiblichen Anhänglichkeit an<lb/> meinem Herzen. Noch die letzten matten dämmernden Stunden mühete<lb/> er ſich an der Korrektur des Kometen ab; und ich konnt ihm nichts dafür<lb/> thun und geben, dem bis in den Tod treuen Herzen. Ich bin nun hin-<lb n="5"/> länglich beraubt; der Dualiſmus, an den ich glaube (daß alles Böſe,<lb/> wie Gute, 2 mal kommt, nicht dreimal), hat in <hi rendition="#aq">Heidelberg</hi> ſein zweites<lb/> Opfer gefunden.</p><lb/> <p>Es geh’ Ihnen froher und alle Ihrige erhalte Ihnen Gott!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Ihr Jean Paul Fr. Richter<lb n="10"/> </hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>*351. An <hi rendition="#g">Ernſt Ludwig Groſſe in Hannover.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireut d. 20 Nov.</hi> 1822</hi> </dateline><lb/> <p>Meine Antwort wird wie ein Trauerſpiel aus Schmerz und Freude<lb/> gemacht; nur mit dem Unterſchiede, daß die Freude überwiegt. Und<lb/> dieſe iſt: daß ein Jüngling von 19 Jahren ſchon ſo viel ausführt, und<lb n="15"/> doch noch 10 mal mehr verſpricht. Am meiſten ragt vor die Gewalt und<lb/> Flamme Ihrer Dikzion — und die Kraft und Freiheit der Übergänge,<lb/> ſammt der Lebendigkeit des Dialogs. Auch hat Ihr Janus mit der<lb/> tragiſchen Larve hinter ſich eine komiſche. Der Sentenzen, ſo wie der<lb/> einzelnen lieblichſten Bilder und Ergießungen (wie S. 37. 38. 43. 85.<lb n="20"/> 111) gedenke ich ihrer Menge wegen gar nicht. Kühn und neu iſt der<lb/> Friedenſchluß und — mir wenigſtens — recht. Kurz das herrlichſte<lb/> Trauerſpiel können Sie geben — nach 5 Jahren, höchſtens nach 10;<lb/> denn dieſes iſt es noch nicht, und überhaupt kaum eines. Der matte, blos<lb/> in ruchloſen Worten, nicht einmal Thaten fortraſende Held iſt kein<lb n="25"/> Charakter; ſo iſt ſeine Umgebung eben ſo charakterlos-wahnſinnig und<lb/> ruchlos.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">d. 1 Dec.</hi> </hi> </dateline><lb/> <p>Die lange Ausſetzung dieſer mir ſo wichtigen Antwort beweiſe<lb/> Ihnen die Menge meiner Störungen durch Geſchäfte, Briefe, Beſuche,<lb n="30"/> körperliche Winterübel und literariſche Arbeiten. Mit dieſer Menge<lb/> entſchuldigen Sie daher gütig die flache Kürze meines Urtheils. Unter<lb/> allen dichteriſchen Schöpfungen iſt die der Charaktere die ſchwerſte,<lb/> und nur darin überragt Shakeſpeare <hi rendition="#g">alle</hi> Dichter. Erſt im Alter und<lb/> erſt an hiſtoriſchen Stoffen gewann Schiller Charakteriſtik. — <hi rendition="#aq">Goethen</hi><lb n="35"/><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0219]
gehen habe, kann mir kein Freund mehr begegnen von ſolcher über-
ſchwenglicher Liebe, von ſolcher faſt weiblichen Anhänglichkeit an
meinem Herzen. Noch die letzten matten dämmernden Stunden mühete
er ſich an der Korrektur des Kometen ab; und ich konnt ihm nichts dafür
thun und geben, dem bis in den Tod treuen Herzen. Ich bin nun hin- 5
länglich beraubt; der Dualiſmus, an den ich glaube (daß alles Böſe,
wie Gute, 2 mal kommt, nicht dreimal), hat in Heidelberg ſein zweites
Opfer gefunden.
Es geh’ Ihnen froher und alle Ihrige erhalte Ihnen Gott!
Ihr Jean Paul Fr. Richter 10
*351. An Ernſt Ludwig Groſſe in Hannover.
Baireut d. 20 Nov. 1822
Meine Antwort wird wie ein Trauerſpiel aus Schmerz und Freude
gemacht; nur mit dem Unterſchiede, daß die Freude überwiegt. Und
dieſe iſt: daß ein Jüngling von 19 Jahren ſchon ſo viel ausführt, und 15
doch noch 10 mal mehr verſpricht. Am meiſten ragt vor die Gewalt und
Flamme Ihrer Dikzion — und die Kraft und Freiheit der Übergänge,
ſammt der Lebendigkeit des Dialogs. Auch hat Ihr Janus mit der
tragiſchen Larve hinter ſich eine komiſche. Der Sentenzen, ſo wie der
einzelnen lieblichſten Bilder und Ergießungen (wie S. 37. 38. 43. 85. 20
111) gedenke ich ihrer Menge wegen gar nicht. Kühn und neu iſt der
Friedenſchluß und — mir wenigſtens — recht. Kurz das herrlichſte
Trauerſpiel können Sie geben — nach 5 Jahren, höchſtens nach 10;
denn dieſes iſt es noch nicht, und überhaupt kaum eines. Der matte, blos
in ruchloſen Worten, nicht einmal Thaten fortraſende Held iſt kein 25
Charakter; ſo iſt ſeine Umgebung eben ſo charakterlos-wahnſinnig und
ruchlos.
d. 1 Dec.
Die lange Ausſetzung dieſer mir ſo wichtigen Antwort beweiſe
Ihnen die Menge meiner Störungen durch Geſchäfte, Briefe, Beſuche, 30
körperliche Winterübel und literariſche Arbeiten. Mit dieſer Menge
entſchuldigen Sie daher gütig die flache Kürze meines Urtheils. Unter
allen dichteriſchen Schöpfungen iſt die der Charaktere die ſchwerſte,
und nur darin überragt Shakeſpeare alle Dichter. Erſt im Alter und
erſt an hiſtoriſchen Stoffen gewann Schiller Charakteriſtik. — Goethen 35
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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