Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.und noch mehr Shakespeare ahmen Sie stark nach; -- und Sie sollten Leben Sie froher, halten Sie daher Leidenschaftlichkeit nicht für Jean Paul Fr. Richter35 [Adr.] Herrn Ernst Grosse, stud. jur. Frei. Abzugeben in der Hahn'schen Hofbuchhandlung, Hannover. 14*
und noch mehr Shakespeare ahmen Sie ſtark nach; — und Sie ſollten Leben Sie froher, halten Sie daher Leidenſchaftlichkeit nicht für Jean Paul Fr. Richter35 [Adr.] Herrn Ernst Grosse, stud. jur. Frei. Abzugeben in der Hahn’ſchen Hofbuchhandlung, Hannover. 14*
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und noch mehr Shakespeare ahmen Sie ſtark nach; — und Sie ſollten
eine Zeitlang andere Dichter leſen, die griechiſchen ohnehin — aber
jeder Jüngling iſt früher Kopie als Urbild, früher der fremden Dichter
Echo als deren Aeolharfe; denn jeder iſt ein Schüler der Zeit, bevor er
ein Lehrer einer ſpätern wird. — Was Ihrem Stücke die Leſerinnen 5
(die Zuhörerinnen ohnedieß) entziehen muß, iſt das häufige nackte Auf-
treten der tiefſten Sinnlichkeit, vollends eine ſo böſe aus Göthe’s Elegien
entlehnte Stelle p. 156. — Verzeihen Sie meine nur durch Gedanken-
ſtriche vermittelten Sprünge. Gerade um der Dichtkunſt zu leben und
zu reifen, ſollten Sie Fremdartiges treiben, nicht einmal Theater- oder 10
Redaktörweſen; gerade unter dem Schnee des gemeinen Geſchäft-
lebens wächſt das poetiſche deſto grüner. Was liebte und lernte nicht
unſer Göthe in allen unpoetiſchen Wiſſenſchaften von der Oſteologie
und Mineralogie an! Auch muß ja das Leben ſelber noch früher etwas
werth ſein als deſſen Darſtellung. Bei Ihrem Überſchuſſe von Kräften 15
ſind Sie jedem bürgerlichen Geſchäfte gewachſen. Nur ſcheint mir der
Umweg dazu durch ein theueres Studieren in Leipzig viel zu lange.
Könnten Sie denn nicht bei Ihren griechiſchen und mathematiſchen
Kenntniſſen ein Schulamt gewinnen? — Vor der Hand rathe ich
Ihnen einen Roman zu ſchreiben, der für den Vater einer in 11 Tagen 20
geſchaffenen Bertha mehr Spiel und doch ein Spiel mit Gewinn ſein
muß. — Die Wahrhaftigkeit, die ich dem Einzelnen, und noch mehr der
Vielheit ſchuldig bin, verbietet mir eine lobende Rezenſion des Gordo
zu ſchreiben, wenn ich nicht mit dem Lobe zugleich auch den Tadel
erweitert ausſpräche. Aber dieß dagegen werde ich thun, daß ich im 25
Jenner des Morgenblattes in einer Note auf die herrlichen Geſchöpfe
aufmerkſam mache, die eine ſo kraftreiche Frühgeburt trotz aller ihrer
Misglieder der Dichtkunſt verſpricht. Sie wiſſen nicht, wie einem
Schriftſteller von nur einigem Rufe wieder von allen Schriftſtellern
bittend und fodernd zugeſetzt wird; um ſo mehr verzeihe ich Göthen, 30
der länger und ſtärker beſtürmt wurde als irgend einer.
Leben Sie froher, halten Sie daher Leidenſchaftlichkeit nicht für
Nahrung und Attribut des Dichters, ſondern für Gift deſſelben. Ich
grüße Ihre Gattin.
Jean Paul Fr. Richter 35
[Adr.] Herrn Ernst Grosse, stud. jur. Frei. Abzugeben in der
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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