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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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meiner Augen aufzuschieben. Wollen Sie nun das: so brauchen Sie
Ihr Ja nur durch Schweigen zu sagen. Uebrigens bedenken Sie, daß
Sie ja ohne meine Einwilligung Lesen, Antworten und Einpacken von
mir fodern. Geben Sie gefällig diesen Einschluß an einen Dichter ab,
dessen Arbeiten dasselbe Schicksal wie Ihre erfahren, der aber mein5
Schweigen mit eignem Schweigen ertrug. Leben Sie wohl! etc.

Der graue Staar erfodert graues Papier.

459. An Richard Groote in Frankfurt a. M.
[Kopie]

11/2 Eimer Graves Wein bestellt -- durch die Überschattung mit dem10
unheiligen Geiste des Weingeists den Graves Wein verstärken.

460. An Renate Otto in München.
[Diktiert]
Meine gute Renate!

Ich fange bei Ihrer Frage an. Ich rathe Ihrem lieben Christian,15
wenn er nicht ein Flötengenie ist, schon wegen der Ueberzahl der Flöten-
spieler, das Streben nach einer Stelle in einer Hofkapelle, besonders
wegen seines Fußgebrechens, ab; aber desto mehr das Studium der
Theologie an. Die jetzige Minderzahl der Theologen verspricht ihm eine
frühe Beförderung. Auch kann er sich das Warten bis dahin durch eine20
Hofmeisterstelle erleichtern, für welche sein Flötenspiel noch dazu eine
neue Empfehlung wäre. Die Universität Landshut erleichtert Ihnen durch
ihre Nähe Sorgen und Ausgaben. Auch ein Stipendium ließe sich, durch
die Darstellung seiner kranken Jugend, wohl erringen. Endlich hat er
durch Anlage und Krankheit, soviel ich mich erinnere, eine gewisse25
Zartheit und Innigkeit des Gemüths gewonnen, welche ihn am schönsten
zum Prediger bestimmen. Wählen Sie nun! --

Nun komm' ich zu meiner Frage. Den von Reichenbach empfohlenen
Optiker Niggel bat ich vor drei Wochen, mir 2 Brillen zu schleifen.
Ich bitte nun Ihren so gefällig-helfenden Christoph, sich bei dem Optikus30
zu erkundigen, wann ich gewiß die Gläser bekomme, und mir überhaupt
einige Nachrichten von seinem Geschäfts-Charakter zu geben.

[Eigenhändig]

Die Hand meiner guten Odilie, wodurch ich Ihnen
(des blendenden Postpapiers wegen) schreibe, sei Ihnen auch ein

meiner Augen aufzuſchieben. Wollen Sie nun das: ſo brauchen Sie
Ihr Ja nur durch Schweigen zu ſagen. Uebrigens bedenken Sie, daß
Sie ja ohne meine Einwilligung Leſen, Antworten und Einpacken von
mir fodern. Geben Sie gefällig dieſen Einſchluß an einen Dichter ab,
deſſen Arbeiten daſſelbe Schickſal wie Ihre erfahren, der aber mein5
Schweigen mit eignem Schweigen ertrug. Leben Sie wohl! ꝛc.

Der graue Staar erfodert graues Papier.

459. An Richard Groote in Frankfurt a. M.
[Kopie]

1½ Eimer Graves Wein beſtellt — durch die Überſchattung mit dem10
unheiligen Geiſte des Weingeiſts den Graves Wein verſtärken.

460. An Renate Otto in München.
[Diktiert]
Meine gute Renate!

Ich fange bei Ihrer Frage an. Ich rathe Ihrem lieben Chriſtian,15
wenn er nicht ein Flötengenie iſt, ſchon wegen der Ueberzahl der Flöten-
ſpieler, das Streben nach einer Stelle in einer Hofkapelle, beſonders
wegen ſeines Fußgebrechens, ab; aber deſto mehr das Studium der
Theologie an. Die jetzige Minderzahl der Theologen verſpricht ihm eine
frühe Beförderung. Auch kann er ſich das Warten bis dahin durch eine20
Hofmeiſterſtelle erleichtern, für welche ſein Flötenſpiel noch dazu eine
neue Empfehlung wäre. Die Univerſität Landshut erleichtert Ihnen durch
ihre Nähe Sorgen und Ausgaben. Auch ein Stipendium ließe ſich, durch
die Darſtellung ſeiner kranken Jugend, wohl erringen. Endlich hat er
durch Anlage und Krankheit, ſoviel ich mich erinnere, eine gewiſſe25
Zartheit und Innigkeit des Gemüths gewonnen, welche ihn am ſchönſten
zum Prediger beſtimmen. Wählen Sie nun! —

Nun komm’ ich zu meiner Frage. Den von Reichenbach empfohlenen
Optiker Niggel bat ich vor drei Wochen, mir 2 Brillen zu ſchleifen.
Ich bitte nun Ihren ſo gefällig-helfenden Chriſtoph, ſich bei dem Optikus30
zu erkundigen, wann ich gewiß die Gläſer bekomme, und mir überhaupt
einige Nachrichten von ſeinem Geſchäfts-Charakter zu geben.

[Eigenhändig]

Die Hand meiner guten Odilie, wodurch ich Ihnen
(des blendenden Poſtpapiers wegen) ſchreibe, ſei Ihnen auch ein

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[271/0283] meiner Augen aufzuſchieben. Wollen Sie nun das: ſo brauchen Sie Ihr Ja nur durch Schweigen zu ſagen. Uebrigens bedenken Sie, daß Sie ja ohne meine Einwilligung Leſen, Antworten und Einpacken von mir fodern. Geben Sie gefällig dieſen Einſchluß an einen Dichter ab, deſſen Arbeiten daſſelbe Schickſal wie Ihre erfahren, der aber mein 5 Schweigen mit eignem Schweigen ertrug. Leben Sie wohl! ꝛc. Der graue Staar erfodert graues Papier. 459. An Richard Groote in Frankfurt a. M. [Bayreuth, 28. Okt. (?) 1824] 1½ Eimer Graves Wein beſtellt — durch die Überſchattung mit dem 10 unheiligen Geiſte des Weingeiſts den Graves Wein verſtärken. 460. An Renate Otto in München. Baireut d. 5 Nov. 1824 Meine gute Renate! Ich fange bei Ihrer Frage an. Ich rathe Ihrem lieben Chriſtian, 15 wenn er nicht ein Flötengenie iſt, ſchon wegen der Ueberzahl der Flöten- ſpieler, das Streben nach einer Stelle in einer Hofkapelle, beſonders wegen ſeines Fußgebrechens, ab; aber deſto mehr das Studium der Theologie an. Die jetzige Minderzahl der Theologen verſpricht ihm eine frühe Beförderung. Auch kann er ſich das Warten bis dahin durch eine 20 Hofmeiſterſtelle erleichtern, für welche ſein Flötenſpiel noch dazu eine neue Empfehlung wäre. Die Univerſität Landshut erleichtert Ihnen durch ihre Nähe Sorgen und Ausgaben. Auch ein Stipendium ließe ſich, durch die Darſtellung ſeiner kranken Jugend, wohl erringen. Endlich hat er durch Anlage und Krankheit, ſoviel ich mich erinnere, eine gewiſſe 25 Zartheit und Innigkeit des Gemüths gewonnen, welche ihn am ſchönſten zum Prediger beſtimmen. Wählen Sie nun! — Nun komm’ ich zu meiner Frage. Den von Reichenbach empfohlenen Optiker Niggel bat ich vor drei Wochen, mir 2 Brillen zu ſchleifen. Ich bitte nun Ihren ſo gefällig-helfenden Chriſtoph, ſich bei dem Optikus 30 zu erkundigen, wann ich gewiß die Gläſer bekomme, und mir überhaupt einige Nachrichten von ſeinem Geſchäfts-Charakter zu geben. Die Hand meiner guten Odilie, wodurch ich Ihnen (des blendenden Poſtpapiers wegen) ſchreibe, ſei Ihnen auch ein

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/283>, abgerufen am 22.11.2024.