Mögen Eure Königliche Majestät mit derselben Huld und Gnade, womit Sie die Bitten Ihrer Unterthanen erhören, auch die vertrauens- volle Bitte eines Fremden verzeihen, der immer ein inniger Verehrer Ihcer Königlichen Größe und Güte war, und der bei einer immer wachsenden Blindheit seiner Augen nur von den Früchten seines ver-5 gangenen Fleisses leben kann, da ihn vielleicht das Schicksal aller ferneren Thätigkeit beraubt hat.
509. An Joseph Max in Breslau.
[Kopie]Baireut d. 30 Okt. 1825
Ihre Briefe, hochgeachteter Mann, las ich bisher mit eben so viel10 Schmerz als Liebe. Sie werden in allen meinen Briefen nirgends finden, daß ich Ihnen die Herausgabe meiner Werke unbedingt ver- sprochen habe, sondern mich immer auf Reimer, der meine meisten Ver- lagsartikel besitzt, berufen habe, wozu noch ein besonderer Artikel über Siebenkäs kommt. Aber glauben Sie mir, nie machte mir der Mangel15 eines nähern Zusammenkommens so große Schmerzen, als der mit einem Manne, der sich schon von selber mit seinem Werthe der Seele nähert. Mein einziger Trost ist dabei, daß ich schon längst in frühern Versprechungen Ihnen ein neues, dickes Lieblingbuch zugesichert habe. Die Verhältnisse mit Cotta, dessen Plane ohnehin ins Ungeheuere20 arbeiten, machen das Auflösen solcher kleiner nicht schwer. -- So ver- zeihen Sie denn, hochgeachteter Mann, alles, womit ich etwa Ihre Hoffnungen getäuscht haben könnte. Das Wichtigste, was ich ganz Ihrem Herzen überlassen muß, ist die Ausgleichung mit Reimer, der sich, hoffe ich, allen Foderungen für die Billigkeit überlassen wird.25
Unsere Verhältnisse bleiben vor uns und der Welt ungestörte. Die Zukunft tritt ohnehin noch dazu, wo ich Ihnen später die versprochenen Werke gebe. Ach lieber Joseph Max, ich bin jetzt sehr angegriffen, nicht blos von Anstrengungen der Sammlung, die ohne fremde Mithülfe ohnehin unübersteiglich wären, sondern vorzüglich, weil ich mit ver-30 finsterten November-Augen, welche das Frühlingsmesser erst heilen kann, arbeiten muß, und am allermeisten, weil eine ganz unbegreifliche, unverschuldete Bauchwassersucht mich mit allen unzähligen Mühselig- keiten der Heilung martert und stört.
[Ihr] ergebenster35 Jean Paul Fr. Richter
Mögen Eure Königliche Majeſtät mit derſelben Huld und Gnade, womit Sie die Bitten Ihrer Unterthanen erhören, auch die vertrauens- volle Bitte eines Fremden verzeihen, der immer ein inniger Verehrer Ihcer Königlichen Größe und Güte war, und der bei einer immer wachſenden Blindheit ſeiner Augen nur von den Früchten ſeines ver-5 gangenen Fleiſſes leben kann, da ihn vielleicht das Schickſal aller ferneren Thätigkeit beraubt hat.
509. An Joſeph Max in Breslau.
[Kopie]Baireut d. 30 Okt. 1825
Ihre Briefe, hochgeachteter Mann, las ich bisher mit eben ſo viel10 Schmerz als Liebe. Sie werden in allen meinen Briefen nirgends finden, daß ich Ihnen die Herausgabe meiner Werke unbedingt ver- ſprochen habe, ſondern mich immer auf Reimer, der meine meiſten Ver- lagsartikel beſitzt, berufen habe, wozu noch ein beſonderer Artikel über Siebenkäs kommt. Aber glauben Sie mir, nie machte mir der Mangel15 eines nähern Zuſammenkommens ſo große Schmerzen, als der mit einem Manne, der ſich ſchon von ſelber mit ſeinem Werthe der Seele nähert. Mein einziger Troſt iſt dabei, daß ich ſchon längſt in frühern Verſprechungen Ihnen ein neues, dickes Lieblingbuch zugeſichert habe. Die Verhältniſſe mit Cotta, deſſen Plane ohnehin ins Ungeheuere20 arbeiten, machen das Auflöſen ſolcher kleiner nicht ſchwer. — So ver- zeihen Sie denn, hochgeachteter Mann, alles, womit ich etwa Ihre Hoffnungen getäuſcht haben könnte. Das Wichtigſte, was ich ganz Ihrem Herzen überlaſſen muß, iſt die Ausgleichung mit Reimer, der ſich, hoffe ich, allen Foderungen für die Billigkeit überlaſſen wird.25
Unſere Verhältniſſe bleiben vor uns und der Welt ungeſtörte. Die Zukunft tritt ohnehin noch dazu, wo ich Ihnen ſpäter die verſprochenen Werke gebe. Ach lieber Joſeph Max, ich bin jetzt ſehr angegriffen, nicht blos von Anſtrengungen der Sammlung, die ohne fremde Mithülfe ohnehin unüberſteiglich wären, ſondern vorzüglich, weil ich mit ver-30 finſterten November-Augen, welche das Frühlingsmeſſer erſt heilen kann, arbeiten muß, und am allermeiſten, weil eine ganz unbegreifliche, unverſchuldete Bauchwaſſerſucht mich mit allen unzähligen Mühſelig- keiten der Heilung martert und ſtört.
[Ihr] ergebenſter35 Jean Paul Fr. Richter
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Mögen Eure Königliche Majeſtät mit derſelben Huld und Gnade,
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volle Bitte eines Fremden verzeihen, der immer ein inniger Verehrer
Ihcer Königlichen Größe und Güte war, und der bei einer immer
wachſenden Blindheit ſeiner Augen nur von den Früchten ſeines ver- 5
gangenen Fleiſſes leben kann, da ihn vielleicht das Schickſal aller
ferneren Thätigkeit beraubt hat.
509. An Joſeph Max in Breslau.
Baireut d. 30 Okt. 1825
Ihre Briefe, hochgeachteter Mann, las ich bisher mit eben ſo viel 10
Schmerz als Liebe. Sie werden in allen meinen Briefen nirgends
finden, daß ich Ihnen die Herausgabe meiner Werke unbedingt ver-
ſprochen habe, ſondern mich immer auf Reimer, der meine meiſten Ver-
lagsartikel beſitzt, berufen habe, wozu noch ein beſonderer Artikel über
Siebenkäs kommt. Aber glauben Sie mir, nie machte mir der Mangel 15
eines nähern Zuſammenkommens ſo große Schmerzen, als der mit
einem Manne, der ſich ſchon von ſelber mit ſeinem Werthe der Seele
nähert. Mein einziger Troſt iſt dabei, daß ich ſchon längſt in frühern
Verſprechungen Ihnen ein neues, dickes Lieblingbuch zugeſichert habe.
Die Verhältniſſe mit Cotta, deſſen Plane ohnehin ins Ungeheuere 20
arbeiten, machen das Auflöſen ſolcher kleiner nicht ſchwer. — So ver-
zeihen Sie denn, hochgeachteter Mann, alles, womit ich etwa Ihre
Hoffnungen getäuſcht haben könnte. Das Wichtigſte, was ich ganz
Ihrem Herzen überlaſſen muß, iſt die Ausgleichung mit Reimer, der
ſich, hoffe ich, allen Foderungen für die Billigkeit überlaſſen wird. 25
Unſere Verhältniſſe bleiben vor uns und der Welt ungeſtörte. Die
Zukunft tritt ohnehin noch dazu, wo ich Ihnen ſpäter die verſprochenen
Werke gebe. Ach lieber Joſeph Max, ich bin jetzt ſehr angegriffen, nicht
blos von Anſtrengungen der Sammlung, die ohne fremde Mithülfe
ohnehin unüberſteiglich wären, ſondern vorzüglich, weil ich mit ver- 30
finſterten November-Augen, welche das Frühlingsmeſſer erſt heilen
kann, arbeiten muß, und am allermeiſten, weil eine ganz unbegreifliche,
unverſchuldete Bauchwaſſerſucht mich mit allen unzähligen Mühſelig-
keiten der Heilung martert und ſtört.
[Ihr] ergebenſter 35
Jean Paul Fr. Richter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/308>, abgerufen am 26.06.2024.
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