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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts.
entferntere Instrument des Kampfes, der Speer, als Symbol
der rechtlichen Herrschaft dient, so das nächste Instrument
desselben, die manus zur Bezeichnung derselben; ich sage der
rechtlichen, und dies eben macht die Sache charakteristisch,
denn wenn die physische Herrschaft, der Besitz mit diesem Aus-
druck gemeint wäre, würde es nichts auffälliges haben. Im
spätern Recht bezeichnet manus zwar nur eine Art der recht-
lichen Herrschaft, nämlich die über die Ehefrau, allein aus den
Zusammensetzungen des Wortes, die noch im spätern Recht in
Uebung geblieben sind, ergibt sich die frühere generelle Bedeu-
tung desselben. Dahin gehört außer dem bereits bei capere er-
wähnten mancipium und mancipare noch manu mittere und
emancipare. Die eherechtliche Gewalt des Mannes über die
Frau hat offenbar die Spuren der ältesten Rechtsansicht am
besten conservirt; sie heißt manus, wird begründet durch Raub,
und der Speer ist ihr Symbol.

Die Thatkraft, die Gewalt also ist die Mutter des Rechts,
das ist das Resultat der bisherigen Ausführung. In diesem
Satz liegt schon die kriegerische Gesinnungsweise des Volkes
ausgesprochen, liegt, möchte ich sagen, ein Stück vorrömischer
Geschichte. Die Etymologie bietet uns außer den im bisherigen
bereits benutzten Spuren dieser Gesinnungsweise noch manche
andere, von denen mir noch folgende zu benutzen verstattet sein
möge. Wie die lateinische Sprache das Grundstück nicht nach
der so offenbar vorwiegenden Eigenschaft der Unbeweglichkeit,
sondern als Gegenstand der Beute bezeichnet, so nennt sie auch
den Mann nicht nach seinem Geschlecht, sondern nach seinem
kriegerischen Beruf. Der Sanskritausdruck für Mann ist nri
und nara, 22) und die griechische Sprache hat in ihrem 'aner
denselben beibehalten, die lateinische hingegen ihn fallen lassen
und dafür das Wort wira, welches im Sanskrit Krieger, Held
bedeutet, zur Bezeichnung des Mannes, vir gewählt d. h. die

22) Pott a. a. O. 1 S. 106.

Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
entferntere Inſtrument des Kampfes, der Speer, als Symbol
der rechtlichen Herrſchaft dient, ſo das nächſte Inſtrument
deſſelben, die manus zur Bezeichnung derſelben; ich ſage der
rechtlichen, und dies eben macht die Sache charakteriſtiſch,
denn wenn die phyſiſche Herrſchaft, der Beſitz mit dieſem Aus-
druck gemeint wäre, würde es nichts auffälliges haben. Im
ſpätern Recht bezeichnet manus zwar nur eine Art der recht-
lichen Herrſchaft, nämlich die über die Ehefrau, allein aus den
Zuſammenſetzungen des Wortes, die noch im ſpätern Recht in
Uebung geblieben ſind, ergibt ſich die frühere generelle Bedeu-
tung deſſelben. Dahin gehört außer dem bereits bei capere er-
wähnten mancipium und mancipare noch manu mittere und
emancipare. Die eherechtliche Gewalt des Mannes über die
Frau hat offenbar die Spuren der älteſten Rechtsanſicht am
beſten conſervirt; ſie heißt manus, wird begründet durch Raub,
und der Speer iſt ihr Symbol.

Die Thatkraft, die Gewalt alſo iſt die Mutter des Rechts,
das iſt das Reſultat der bisherigen Ausführung. In dieſem
Satz liegt ſchon die kriegeriſche Geſinnungsweiſe des Volkes
ausgeſprochen, liegt, möchte ich ſagen, ein Stück vorrömiſcher
Geſchichte. Die Etymologie bietet uns außer den im bisherigen
bereits benutzten Spuren dieſer Geſinnungsweiſe noch manche
andere, von denen mir noch folgende zu benutzen verſtattet ſein
möge. Wie die lateiniſche Sprache das Grundſtück nicht nach
der ſo offenbar vorwiegenden Eigenſchaft der Unbeweglichkeit,
ſondern als Gegenſtand der Beute bezeichnet, ſo nennt ſie auch
den Mann nicht nach ſeinem Geſchlecht, ſondern nach ſeinem
kriegeriſchen Beruf. Der Sanskritausdruck für Mann iſt nri
und nara, 22) und die griechiſche Sprache hat in ihrem ᾽ανήϱ
denſelben beibehalten, die lateiniſche hingegen ihn fallen laſſen
und dafür das Wort wira, welches im Sanskrit Krieger, Held
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22) Pott a. a. O. 1 S. 106.
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[112/0130] Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. entferntere Inſtrument des Kampfes, der Speer, als Symbol der rechtlichen Herrſchaft dient, ſo das nächſte Inſtrument deſſelben, die manus zur Bezeichnung derſelben; ich ſage der rechtlichen, und dies eben macht die Sache charakteriſtiſch, denn wenn die phyſiſche Herrſchaft, der Beſitz mit dieſem Aus- druck gemeint wäre, würde es nichts auffälliges haben. Im ſpätern Recht bezeichnet manus zwar nur eine Art der recht- lichen Herrſchaft, nämlich die über die Ehefrau, allein aus den Zuſammenſetzungen des Wortes, die noch im ſpätern Recht in Uebung geblieben ſind, ergibt ſich die frühere generelle Bedeu- tung deſſelben. Dahin gehört außer dem bereits bei capere er- wähnten mancipium und mancipare noch manu mittere und emancipare. Die eherechtliche Gewalt des Mannes über die Frau hat offenbar die Spuren der älteſten Rechtsanſicht am beſten conſervirt; ſie heißt manus, wird begründet durch Raub, und der Speer iſt ihr Symbol. Die Thatkraft, die Gewalt alſo iſt die Mutter des Rechts, das iſt das Reſultat der bisherigen Ausführung. In dieſem Satz liegt ſchon die kriegeriſche Geſinnungsweiſe des Volkes ausgeſprochen, liegt, möchte ich ſagen, ein Stück vorrömiſcher Geſchichte. Die Etymologie bietet uns außer den im bisherigen bereits benutzten Spuren dieſer Geſinnungsweiſe noch manche andere, von denen mir noch folgende zu benutzen verſtattet ſein möge. Wie die lateiniſche Sprache das Grundſtück nicht nach der ſo offenbar vorwiegenden Eigenſchaft der Unbeweglichkeit, ſondern als Gegenſtand der Beute bezeichnet, ſo nennt ſie auch den Mann nicht nach ſeinem Geſchlecht, ſondern nach ſeinem kriegeriſchen Beruf. Der Sanskritausdruck für Mann iſt nri und nara, 22) und die griechiſche Sprache hat in ihrem ᾽ανήϱ denſelben beibehalten, die lateiniſche hingegen ihn fallen laſſen und dafür das Wort wira, welches im Sanskrit Krieger, Held bedeutet, zur Bezeichnung des Mannes, vir gewählt d. h. die 22) Pott a. a. O. 1 S. 106.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/130>, abgerufen am 21.11.2024.