Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.I. Prinzip d. subj. Willens -- Selbsthülfe des spätern Rechts. §. 12. betreffen. Zu diesen Voraussetzungen gehört aber wohl gemerktnicht die obrigkeitliche Autorisation. 60) Die pignoris capio war Privatpfändung und fand nur für Die manus injectio fand in einer Reihe von Fällen Statt, 60) Nach der von Gaius IV §. 29 uns mitgetheilten Regel sollten zwar die Legisactionen in jure d. h. vor dem Prätor vorgenommen werden, allein jene Regel scheint nichts, als die theoretische Abstraction einer spätern Zeit zu sein, denn hinsichtlich der pignoris capio wird ausdrücklich bemerkt, daß sie extra jus vorgenommen wurde, und bei der Beschreibung der manus injectio IV §. 24, 25 vergißt Gaius seine eigene Regel oder stellt wenigstens den Hergang so dar, als ob die Person, an der der Berechtigte die manus injectio vornahm, nisi vindicem dabat, domum ducebatur ab actore et vincieba- tur. Jedenfalls ist aber diese Wiederholung der manus injectio an der Ge- richtsstätte nicht mit einer Nachsuchung um obrigkeitliche Autorisation zu verwechseln. 61) Gaj. IV. §. 26--28. 62) In L. 1. quar. rer. (44. 5) heißt es vom Eide: vicem rei judica- 10*
I. Prinzip d. ſubj. Willens — Selbſthülfe des ſpätern Rechts. §. 12. betreffen. Zu dieſen Vorausſetzungen gehört aber wohl gemerktnicht die obrigkeitliche Autoriſation. 60) Die pignoris capio war Privatpfändung und fand nur für Die manus injectio fand in einer Reihe von Fällen Statt, 60) Nach der von Gaius IV §. 29 uns mitgetheilten Regel ſollten zwar die Legisactionen in jure d. h. vor dem Prätor vorgenommen werden, allein jene Regel ſcheint nichts, als die theoretiſche Abſtraction einer ſpätern Zeit zu ſein, denn hinſichtlich der pignoris capio wird ausdrücklich bemerkt, daß ſie extra jus vorgenommen wurde, und bei der Beſchreibung der manus injectio IV §. 24, 25 vergißt Gaius ſeine eigene Regel oder ſtellt wenigſtens den Hergang ſo dar, als ob die Perſon, an der der Berechtigte die manus injectio vornahm, nisi vindicem dabat, domum ducebatur ab actore et vincieba- tur. Jedenfalls iſt aber dieſe Wiederholung der manus injectio an der Ge- richtsſtätte nicht mit einer Nachſuchung um obrigkeitliche Autoriſation zu verwechſeln. 61) Gaj. IV. §. 26—28. 62) In L. 1. quar. rer. (44. 5) heißt es vom Eide: vicem rei judica- 10*
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I. Prinzip d. ſubj. Willens — Selbſthülfe des ſpätern Rechts. §. 12.
betreffen. Zu dieſen Vorausſetzungen gehört aber wohl gemerkt
nicht die obrigkeitliche Autoriſation. 60)
Die pignoris capio war Privatpfändung und fand nur für
Forderungen Statt, die eine militäriſche, religiöſe oder politi-
ſche Beziehung hatten. 61) Die reguläre Form der ſolennen
Selbſthülfe beſtand in der manus injectio; man bemächtigte
ſich der Perſon des Gegners, führte ihn mit ſich zu Hauſe und
hielt ihn ſo lange in Feſſeln, bis er entweder den Berechtigten
zufrieden geſtellt hatte oder der Termin, ihn trans Tiberim
zu verkaufen, gekommen war.
Die manus injectio fand in einer Reihe von Fällen Statt,
die ſich unter den Geſichtspunkt bringen laſſen, daß der, gegen
den ſie gerichtet ward, ſich ſelbſt für ſchuldig erklärt hatte, sua
sententia damnatus war, nur daß in ähnlicher Weiſe, wie die
Selbſthülfe hier in der ſolennen Form der manus injectio auf-
tritt, ſo auch jene Selbſtverurtheilung des Schuldigen beſtimmte
Formen angenommen hat. Dahin gehörte zuerſt der Fall der
confessio in jure, d. h. wenn der Beklagte gleich bei Erhebung
der Klage vor dem Prätor geſtand; einer Verurtheilung bedurfte
es dann nicht mehr. Daſſelbe nehme ich an für den Fall, wenn
der Kläger den ihm vom Beklagten zugeſchobenen oder zurückge-
ſchobenen Eid abgeleiſtet hatte, 62) nur daß auch hier wie dort
60) Nach der von Gaius IV §. 29 uns mitgetheilten Regel ſollten zwar
die Legisactionen in jure d. h. vor dem Prätor vorgenommen werden, allein
jene Regel ſcheint nichts, als die theoretiſche Abſtraction einer ſpätern Zeit zu
ſein, denn hinſichtlich der pignoris capio wird ausdrücklich bemerkt, daß ſie
extra jus vorgenommen wurde, und bei der Beſchreibung der manus injectio
IV §. 24, 25 vergißt Gaius ſeine eigene Regel oder ſtellt wenigſtens den
Hergang ſo dar, als ob die Perſon, an der der Berechtigte die manus injectio
vornahm, nisi vindicem dabat, domum ducebatur ab actore et vincieba-
tur. Jedenfalls iſt aber dieſe Wiederholung der manus injectio an der Ge-
richtsſtätte nicht mit einer Nachſuchung um obrigkeitliche Autoriſation zu
verwechſeln.
61) Gaj. IV. §. 26—28.
62) In L. 1. quar. rer. (44. 5) heißt es vom Eide: vicem rei judica-
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