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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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I. Prinzip d. subj. Willens -- Der Prozeß e. Vertragsverhältniß. §. 12.
werde sich nur darüber klar, daß es sich bei derselben nicht um
"Unterwerfung" unter den Richter handelte, sondern daß der
Richterspruch nichts ist als eine Bedingung, unter der die Par-
theien sich etwas versprochen haben. Hätten sie ihr Versprechen
darauf gestellt, "wenn der X dies und das thun würde", so
würde beim Eintritt der Bedingung der Grund der entstehenden
Verbindlichkeit nicht in der Handlung des X, sondern in ihrem
Versprechen liegen. In derselben Weise ist der Einfluß, welchen
die richterliche Sentenz ausübt, auf die Vereinbarung der Par-
theien als auf ihre wahre Ursache zurückzuführen.

Das Verhältniß der Partheien zu dem Richter ist also nichts
weniger als das einer Unterordnung. Seine Qualität als öffent-
licher Richter führt eine solche Unterordnung ebensowenig nach
sich, als dies heutzutage gegenüber solchen Personen der Fall
zu sein pflegt, die vom Staat im Interesse des Publikums zur
Betreibung irgend eines Berufes angestellt sind. Der Richter
war nichts mehr, als ein in der Kaiserzeit vom Staat mit dem
jus respondendi versehener Jurist. Beide waren vom Staat
angestellt, um den Partheien durch Ertheilung eines Gutach-
tens zu dienen. 73) Darum kann der Richter den Partheien im
Lauf des Prozesses nichts auferlegen, sie nicht citiren, keine
Strafe für den Fall des Nichterscheinens im Termin androhen
u. s. w. Darum findet das Veto der Tribunen, das gegen den
mit der Handhabung der Rechtspflege betrauten Magistrat mög-
lich ist, nicht gegen den Richter Statt; er ist gar kein öffentli-
cher Beamter, sondern ein Schiedsrichter der Partheien, zu des-
sen Bestellung ein öffentlicher Beamter mitgewirkt hat.

73) Bei beiden wiederholt sich auch derselbe historische Hergang. Wie
der Staat das Schiedsrichteramt in seine Hände nimmt, ohne anfänglich
das Wesen desselben zu verändern, so auch das Institut der respondirenden
Juristen. Neben dem öffentlichen Richter und Respondenten bleiben Schieds-
richter und nicht mit dem jus respondendi betraute Respondenten in Thätig-
keit und zwar längere Zeit ohne rechtliche Zurücksetzung, bis endlich letztere
erfolgt, und Richter und öffentliche Respondenten im Namen des Staats und
mit rechtlich verbindender Kraft Recht sprechen.

I. Prinzip d. ſubj. Willens — Der Prozeß e. Vertragsverhältniß. §. 12.
werde ſich nur darüber klar, daß es ſich bei derſelben nicht um
„Unterwerfung“ unter den Richter handelte, ſondern daß der
Richterſpruch nichts iſt als eine Bedingung, unter der die Par-
theien ſich etwas verſprochen haben. Hätten ſie ihr Verſprechen
darauf geſtellt, „wenn der X dies und das thun würde“, ſo
würde beim Eintritt der Bedingung der Grund der entſtehenden
Verbindlichkeit nicht in der Handlung des X, ſondern in ihrem
Verſprechen liegen. In derſelben Weiſe iſt der Einfluß, welchen
die richterliche Sentenz ausübt, auf die Vereinbarung der Par-
theien als auf ihre wahre Urſache zurückzuführen.

Das Verhältniß der Partheien zu dem Richter iſt alſo nichts
weniger als das einer Unterordnung. Seine Qualität als öffent-
licher Richter führt eine ſolche Unterordnung ebenſowenig nach
ſich, als dies heutzutage gegenüber ſolchen Perſonen der Fall
zu ſein pflegt, die vom Staat im Intereſſe des Publikums zur
Betreibung irgend eines Berufes angeſtellt ſind. Der Richter
war nichts mehr, als ein in der Kaiſerzeit vom Staat mit dem
jus respondendi verſehener Juriſt. Beide waren vom Staat
angeſtellt, um den Partheien durch Ertheilung eines Gutach-
tens zu dienen. 73) Darum kann der Richter den Partheien im
Lauf des Prozeſſes nichts auferlegen, ſie nicht citiren, keine
Strafe für den Fall des Nichterſcheinens im Termin androhen
u. ſ. w. Darum findet das Veto der Tribunen, das gegen den
mit der Handhabung der Rechtspflege betrauten Magiſtrat mög-
lich iſt, nicht gegen den Richter Statt; er iſt gar kein öffentli-
cher Beamter, ſondern ein Schiedsrichter der Partheien, zu deſ-
ſen Beſtellung ein öffentlicher Beamter mitgewirkt hat.

73) Bei beiden wiederholt ſich auch derſelbe hiſtoriſche Hergang. Wie
der Staat das Schiedsrichteramt in ſeine Hände nimmt, ohne anfänglich
das Weſen deſſelben zu verändern, ſo auch das Inſtitut der reſpondirenden
Juriſten. Neben dem öffentlichen Richter und Reſpondenten bleiben Schieds-
richter und nicht mit dem jus respondendi betraute Reſpondenten in Thätig-
keit und zwar längere Zeit ohne rechtliche Zurückſetzung, bis endlich letztere
erfolgt, und Richter und öffentliche Reſpondenten im Namen des Staats und
mit rechtlich verbindender Kraft Recht ſprechen.
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[157/0175] I. Prinzip d. ſubj. Willens — Der Prozeß e. Vertragsverhältniß. §. 12. werde ſich nur darüber klar, daß es ſich bei derſelben nicht um „Unterwerfung“ unter den Richter handelte, ſondern daß der Richterſpruch nichts iſt als eine Bedingung, unter der die Par- theien ſich etwas verſprochen haben. Hätten ſie ihr Verſprechen darauf geſtellt, „wenn der X dies und das thun würde“, ſo würde beim Eintritt der Bedingung der Grund der entſtehenden Verbindlichkeit nicht in der Handlung des X, ſondern in ihrem Verſprechen liegen. In derſelben Weiſe iſt der Einfluß, welchen die richterliche Sentenz ausübt, auf die Vereinbarung der Par- theien als auf ihre wahre Urſache zurückzuführen. Das Verhältniß der Partheien zu dem Richter iſt alſo nichts weniger als das einer Unterordnung. Seine Qualität als öffent- licher Richter führt eine ſolche Unterordnung ebenſowenig nach ſich, als dies heutzutage gegenüber ſolchen Perſonen der Fall zu ſein pflegt, die vom Staat im Intereſſe des Publikums zur Betreibung irgend eines Berufes angeſtellt ſind. Der Richter war nichts mehr, als ein in der Kaiſerzeit vom Staat mit dem jus respondendi verſehener Juriſt. Beide waren vom Staat angeſtellt, um den Partheien durch Ertheilung eines Gutach- tens zu dienen. 73) Darum kann der Richter den Partheien im Lauf des Prozeſſes nichts auferlegen, ſie nicht citiren, keine Strafe für den Fall des Nichterſcheinens im Termin androhen u. ſ. w. Darum findet das Veto der Tribunen, das gegen den mit der Handhabung der Rechtspflege betrauten Magiſtrat mög- lich iſt, nicht gegen den Richter Statt; er iſt gar kein öffentli- cher Beamter, ſondern ein Schiedsrichter der Partheien, zu deſ- ſen Beſtellung ein öffentlicher Beamter mitgewirkt hat. 73) Bei beiden wiederholt ſich auch derſelbe hiſtoriſche Hergang. Wie der Staat das Schiedsrichteramt in ſeine Hände nimmt, ohne anfänglich das Weſen deſſelben zu verändern, ſo auch das Inſtitut der reſpondirenden Juriſten. Neben dem öffentlichen Richter und Reſpondenten bleiben Schieds- richter und nicht mit dem jus respondendi betraute Reſpondenten in Thätig- keit und zwar längere Zeit ohne rechtliche Zurückſetzung, bis endlich letztere erfolgt, und Richter und öffentliche Reſpondenten im Namen des Staats und mit rechtlich verbindender Kraft Recht ſprechen.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/175>, abgerufen am 23.11.2024.