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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

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2. Der Staat -- 1. Familienprinzip -- Beschränkung d. Gentilen. §. 14.
len. Abgesehen von seiner militärischen Function, nach der er
seinen Namen trägt, hat er nichts zu befehlen, sondern nur die
Verhandlungen der Gens zu leiten und in ihrem Namen das
Opfer darzubringen. Die Conservirung des ursprünglichen Fa-
milienbandes in der Gens beschränkt sich auf das Verhältniß
der Brüder untereinander; das der patria potestas ist weder
in der Gens noch in dem Gesammtstaat staatsrechtlich nach-
gebildet.

Wenn nun dies coordinirte Verhältniß der Verbrüderung
dem Einzelnen Beschränkungen auferlegt, so sind dieselben nicht
anders aufzufassen, als der Preis, um den er der Vortheile die-
ses Verhältnisses theilhaftig ist; sie tragen keinen andern Cha-
rakter, als die Beschränkungen, denen sich Jemand durch Ein-
tritt in irgend eine privatrechtliche Verbindung, ja durch Ab-
schluß eines Vertrages unterwirft. Wenn das Mitglied einer
solchen Verbindung sich durch sein Benehmen derselben unwür-
dig macht, was liegt näher, als ihn zu exkludiren? Eine an-
dere Bewandtniß aber hat es auch nicht mit jener sittenrichter-
lichen Gewalt der Gens, von der uns als einzelnes Beispiel
die Verdammung des Gedächtnisses eines unwürdigen Gentilen
nach seinem Tode so wie der Beschluß, daß Niemand fortan
seinen Namen tragen solle, gemeldet wird. Man hat darauf
den gewiß unbedenklichen Schluß gebaut, daß jenes Mitglied
bei Lebzeiten die Strafe des Ausschlusses aus der Gens erlitten
haben würde. Das enge Verhältniß der Gentilen und die So-
lidarität ihrer Ehre schloß eine solche Sorge für die sittliche
Reinheit und den guten Namen ihrer Genossenschaft nothwen-
digerweise in sich.

Als geringere Strafe erscheint die Ausschließung von dem
gentilitischen Gottesdienst. Andere Strafen werden uns zwar
nicht bezeugt, allein sie sind mittelbar durch jene beiden möglich
gemacht. Wenn die Gens z. B. über ein Mitglied, das sich
gegen sie vergangen, eine Geldstrafe verhängt hatte, so brauchte
letzteres sich dem Beschluß zwar nicht zu fügen -- denn wie

2. Der Staat — 1. Familienprinzip — Beſchränkung d. Gentilen. §. 14.
len. Abgeſehen von ſeiner militäriſchen Function, nach der er
ſeinen Namen trägt, hat er nichts zu befehlen, ſondern nur die
Verhandlungen der Gens zu leiten und in ihrem Namen das
Opfer darzubringen. Die Conſervirung des urſprünglichen Fa-
milienbandes in der Gens beſchränkt ſich auf das Verhältniß
der Brüder untereinander; das der patria potestas iſt weder
in der Gens noch in dem Geſammtſtaat ſtaatsrechtlich nach-
gebildet.

Wenn nun dies coordinirte Verhältniß der Verbrüderung
dem Einzelnen Beſchränkungen auferlegt, ſo ſind dieſelben nicht
anders aufzufaſſen, als der Preis, um den er der Vortheile die-
ſes Verhältniſſes theilhaftig iſt; ſie tragen keinen andern Cha-
rakter, als die Beſchränkungen, denen ſich Jemand durch Ein-
tritt in irgend eine privatrechtliche Verbindung, ja durch Ab-
ſchluß eines Vertrages unterwirft. Wenn das Mitglied einer
ſolchen Verbindung ſich durch ſein Benehmen derſelben unwür-
dig macht, was liegt näher, als ihn zu exkludiren? Eine an-
dere Bewandtniß aber hat es auch nicht mit jener ſittenrichter-
lichen Gewalt der Gens, von der uns als einzelnes Beiſpiel
die Verdammung des Gedächtniſſes eines unwürdigen Gentilen
nach ſeinem Tode ſo wie der Beſchluß, daß Niemand fortan
ſeinen Namen tragen ſolle, gemeldet wird. Man hat darauf
den gewiß unbedenklichen Schluß gebaut, daß jenes Mitglied
bei Lebzeiten die Strafe des Ausſchluſſes aus der Gens erlitten
haben würde. Das enge Verhältniß der Gentilen und die So-
lidarität ihrer Ehre ſchloß eine ſolche Sorge für die ſittliche
Reinheit und den guten Namen ihrer Genoſſenſchaft nothwen-
digerweiſe in ſich.

Als geringere Strafe erſcheint die Ausſchließung von dem
gentilitiſchen Gottesdienſt. Andere Strafen werden uns zwar
nicht bezeugt, allein ſie ſind mittelbar durch jene beiden möglich
gemacht. Wenn die Gens z. B. über ein Mitglied, das ſich
gegen ſie vergangen, eine Geldſtrafe verhängt hatte, ſo brauchte
letzteres ſich dem Beſchluß zwar nicht zu fügen — denn wie

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[175/0193] 2. Der Staat — 1. Familienprinzip — Beſchränkung d. Gentilen. §. 14. len. Abgeſehen von ſeiner militäriſchen Function, nach der er ſeinen Namen trägt, hat er nichts zu befehlen, ſondern nur die Verhandlungen der Gens zu leiten und in ihrem Namen das Opfer darzubringen. Die Conſervirung des urſprünglichen Fa- milienbandes in der Gens beſchränkt ſich auf das Verhältniß der Brüder untereinander; das der patria potestas iſt weder in der Gens noch in dem Geſammtſtaat ſtaatsrechtlich nach- gebildet. Wenn nun dies coordinirte Verhältniß der Verbrüderung dem Einzelnen Beſchränkungen auferlegt, ſo ſind dieſelben nicht anders aufzufaſſen, als der Preis, um den er der Vortheile die- ſes Verhältniſſes theilhaftig iſt; ſie tragen keinen andern Cha- rakter, als die Beſchränkungen, denen ſich Jemand durch Ein- tritt in irgend eine privatrechtliche Verbindung, ja durch Ab- ſchluß eines Vertrages unterwirft. Wenn das Mitglied einer ſolchen Verbindung ſich durch ſein Benehmen derſelben unwür- dig macht, was liegt näher, als ihn zu exkludiren? Eine an- dere Bewandtniß aber hat es auch nicht mit jener ſittenrichter- lichen Gewalt der Gens, von der uns als einzelnes Beiſpiel die Verdammung des Gedächtniſſes eines unwürdigen Gentilen nach ſeinem Tode ſo wie der Beſchluß, daß Niemand fortan ſeinen Namen tragen ſolle, gemeldet wird. Man hat darauf den gewiß unbedenklichen Schluß gebaut, daß jenes Mitglied bei Lebzeiten die Strafe des Ausſchluſſes aus der Gens erlitten haben würde. Das enge Verhältniß der Gentilen und die So- lidarität ihrer Ehre ſchloß eine ſolche Sorge für die ſittliche Reinheit und den guten Namen ihrer Genoſſenſchaft nothwen- digerweiſe in ſich. Als geringere Strafe erſcheint die Ausſchließung von dem gentilitiſchen Gottesdienſt. Andere Strafen werden uns zwar nicht bezeugt, allein ſie ſind mittelbar durch jene beiden möglich gemacht. Wenn die Gens z. B. über ein Mitglied, das ſich gegen ſie vergangen, eine Geldſtrafe verhängt hatte, ſo brauchte letzteres ſich dem Beſchluß zwar nicht zu fügen — denn wie

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/193>, abgerufen am 23.11.2024.