Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des röm. Rechts. sehr der Grund ihrer unverwüstlichen Widerstandskraft, als inihrer dominirenden staatsrechtlichen Stellung. Es liegt auf der Hand, daß diesem Anrecht, das der Ein- Der Gesichtspunkt, der diesen Beschränkungen, die wir Die Gens ist nichts, als der Complex sämmtlicher Gentilen, Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts. ſehr der Grund ihrer unverwüſtlichen Widerſtandskraft, als inihrer dominirenden ſtaatsrechtlichen Stellung. Es liegt auf der Hand, daß dieſem Anrecht, das der Ein- Der Geſichtspunkt, der dieſen Beſchränkungen, die wir Die Gens iſt nichts, als der Complex ſämmtlicher Gentilen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0192" n="174"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.</fw><lb/> ſehr der Grund ihrer unverwüſtlichen Widerſtandskraft, als in<lb/> ihrer dominirenden ſtaatsrechtlichen Stellung.</p><lb/> <p>Es liegt auf der Hand, daß dieſem Anrecht, das der Ein-<lb/> zelne an der Gens hatte, Beſchränkungen und Verpflichtungen<lb/> von ſeiner Seite correſpondiren mußten. War er auf die Gens,<lb/> ſo war ſie wiederum auf ihn verwieſen; beide Seiten dieſes<lb/> Verhältniſſes waren Ausflüſſe deſſelben Familienprinzips und<lb/> bedingten ſich gegenſeitig.</p><lb/> <p>Der Geſichtspunkt, der dieſen Beſchränkungen, die wir<lb/> gleich im einzelnen kennen lernen wollen, zu Grunde liegt, iſt<lb/> der eines coordinirten Verhältniſſes ſämmtlicher Gentilen, das<lb/> gegenſeitige Rechte und Verpflichtungen mit ſich führt. Ich muß<lb/> dieſe Bemerkung um ſo mehr betonen, als der Anſchein mit ihr<lb/> in Widerſpruch ſteht, die richtige Auffaſſung jenes Verhältniſ-<lb/> ſes meiner Anſicht nach aber eine den engen Kreis der Gens<lb/> weit überragende Bedeutung hat. Es ſoll im folgenden Para-<lb/> graphen nachgewieſen werden, daß auch das Verhältniß des<lb/> Einzelnen ſowie der Gens zum Geſammtſtaat das der Coordina-<lb/> tion iſt, und nur innerhalb der Wehrverfaſſung eine Subordi-<lb/> nation hervortritt. Inſofern nun der Geſammtſtaat nur eine<lb/> Gens im vergrößerten Maßſtabe iſt, ſowie man die Gens einen<lb/> Staat im verkleinerten nennen kann, müſſen wir bereits hier<lb/> jenes durchgehende Verhältniß der ſtaatlichen Gemeinſchaft ge-<lb/> nau ins Auge faſſen. Die Beſchränkungen, die wir hier finden<lb/> werden, wiederholen ſich dort; überzeugen wir uns hier gleich,<lb/> daß ſie nicht auf der Idee ſtaatlicher <hi rendition="#g">Unterordnung</hi> beruhen.</p><lb/> <p>Die Gens iſt nichts, als der Complex ſämmtlicher Gentilen,<lb/> und ihre Bezeichnung mit dem Ausdruck: <hi rendition="#aq">gentiles</hi> drückt mit<lb/> einem Wort das wahre Weſen derſelben aus. Iſt ſie nämlich<lb/> nur der Complex der Gentilen, ſo kann ſie auch keine höhere<lb/> Macht haben, als letztere ſelbſt oder mit andern Worten das<lb/> einzelne Mitglied ſteht nicht <hi rendition="#g">unter</hi> der Gens, ſondern <hi rendition="#g">neben</hi><lb/> den Gentilen. Das Verhältniß wird dadurch kein anderes, daß<lb/> dieſelben einen aus ihrer Mitte zum Vorſteher <hi rendition="#aq">(decurio)</hi> wäh-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0192]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des röm. Rechts.
ſehr der Grund ihrer unverwüſtlichen Widerſtandskraft, als in
ihrer dominirenden ſtaatsrechtlichen Stellung.
Es liegt auf der Hand, daß dieſem Anrecht, das der Ein-
zelne an der Gens hatte, Beſchränkungen und Verpflichtungen
von ſeiner Seite correſpondiren mußten. War er auf die Gens,
ſo war ſie wiederum auf ihn verwieſen; beide Seiten dieſes
Verhältniſſes waren Ausflüſſe deſſelben Familienprinzips und
bedingten ſich gegenſeitig.
Der Geſichtspunkt, der dieſen Beſchränkungen, die wir
gleich im einzelnen kennen lernen wollen, zu Grunde liegt, iſt
der eines coordinirten Verhältniſſes ſämmtlicher Gentilen, das
gegenſeitige Rechte und Verpflichtungen mit ſich führt. Ich muß
dieſe Bemerkung um ſo mehr betonen, als der Anſchein mit ihr
in Widerſpruch ſteht, die richtige Auffaſſung jenes Verhältniſ-
ſes meiner Anſicht nach aber eine den engen Kreis der Gens
weit überragende Bedeutung hat. Es ſoll im folgenden Para-
graphen nachgewieſen werden, daß auch das Verhältniß des
Einzelnen ſowie der Gens zum Geſammtſtaat das der Coordina-
tion iſt, und nur innerhalb der Wehrverfaſſung eine Subordi-
nation hervortritt. Inſofern nun der Geſammtſtaat nur eine
Gens im vergrößerten Maßſtabe iſt, ſowie man die Gens einen
Staat im verkleinerten nennen kann, müſſen wir bereits hier
jenes durchgehende Verhältniß der ſtaatlichen Gemeinſchaft ge-
nau ins Auge faſſen. Die Beſchränkungen, die wir hier finden
werden, wiederholen ſich dort; überzeugen wir uns hier gleich,
daß ſie nicht auf der Idee ſtaatlicher Unterordnung beruhen.
Die Gens iſt nichts, als der Complex ſämmtlicher Gentilen,
und ihre Bezeichnung mit dem Ausdruck: gentiles drückt mit
einem Wort das wahre Weſen derſelben aus. Iſt ſie nämlich
nur der Complex der Gentilen, ſo kann ſie auch keine höhere
Macht haben, als letztere ſelbſt oder mit andern Worten das
einzelne Mitglied ſteht nicht unter der Gens, ſondern neben
den Gentilen. Das Verhältniß wird dadurch kein anderes, daß
dieſelben einen aus ihrer Mitte zum Vorſteher (decurio) wäh-
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