Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.2. Der Staat. 1. Familienprinzip. Unterstützungspflicht d. Gens. §. 14. Wie das Unvermögen des einzelnen Gentilen, sich selbst zu Die erforderliche Beisteuer mochte theils durch freiwillige Diese gegenseitige Unterstützungspflicht, man möchte sie eine 84) S. die Zeugnisse bei Walter Röm. Rechtsgesch. Buch 1 Kap. 2. Anm. 40--42. 85) Das angelsächsische Recht ist in dieser Beziehung am weitesten ge-
gangen, indem es neben den Verwandten die gegyldan d. h. nach Sybels treffender Bezeichnungsweise die Ersatzmänner der alten Gentilen, zu einem Drittheil, eventuell zur Hälfte des Wehrgeldes heranzog. 2. Der Staat. 1. Familienprinzip. Unterſtützungspflicht d. Gens. §. 14. Wie das Unvermögen des einzelnen Gentilen, ſich ſelbſt zu Die erforderliche Beiſteuer mochte theils durch freiwillige Dieſe gegenſeitige Unterſtützungspflicht, man möchte ſie eine 84) S. die Zeugniſſe bei Walter Röm. Rechtsgeſch. Buch 1 Kap. 2. Anm. 40—42. 85) Das angelſächſiſche Recht iſt in dieſer Beziehung am weiteſten ge-
gangen, indem es neben den Verwandten die gegyldan d. h. nach Sybels treffender Bezeichnungsweiſe die Erſatzmänner der alten Gentilen, zu einem Drittheil, eventuell zur Hälfte des Wehrgeldes heranzog. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <pb facs="#f0191" n="173"/> <fw place="top" type="header">2. Der Staat. 1. Familienprinzip. Unterſtützungspflicht d. Gens. §. 14.</fw><lb/> <p>Wie das Unvermögen des einzelnen Gentilen, ſich ſelbſt zu<lb/> rächen oder ſein Recht geltend zu machen, die Gens zur Rache<lb/> oder zum Beiſtand verpflichtete, ſo legte auch pekuniäres Unver-<lb/> mögen deſſelben ihr die Verpflichtung zur Unterſtützung auf.<lb/> Die Klaſſiker <note place="foot" n="84)">S. die Zeugniſſe bei Walter Röm. Rechtsgeſch. Buch 1 Kap. 2.<lb/> Anm. 40—42.</note> bezeugen uns dies für den Fall des Loskaufes<lb/> aus feindlicher Gefangenſchaft, für ſchwere, ungewöhnliche<lb/> Staatsabgaben und ſelbſt für die über ein einzelnes Mitglied<lb/> verhängten Geldbußen. Ob dieſe Verpflichtung mehr ſittlicher,<lb/> als juriſtiſcher Art war, ob ſie im letztern Fall ſogar, wie dies<lb/> bei den Germanen hinſichtlich der Pflicht, einen Theil des Wehr-<lb/> geldes zu entrichten, Statt fand, <note place="foot" n="85)">Das angelſächſiſche Recht iſt in dieſer Beziehung am weiteſten ge-<lb/> gangen, indem es neben den Verwandten die <hi rendition="#aq">gegyldan</hi> d. h. nach Sybels<lb/> treffender Bezeichnungsweiſe die Erſatzmänner der alten Gentilen, zu einem<lb/> Drittheil, eventuell zur Hälfte des Wehrgeldes heranzog.</note> von dritten Perſonen gel-<lb/> tend gemacht werden konnte, ob ſie alſo mit andern Worten<lb/> eine eventuelle Haftungspflicht der Gens in ſich ſchloß, läßt<lb/> ſich nicht beſtimmen. Dagegen darf man annehmen, daß es ein<lb/> Ehrenpunkt für die Gens war, ihre durch unverſchuldete Armuth<lb/> in Noth z. B. in Schuldhaft gerathenen Mitglieder nicht im<lb/> Stich zu laſſen. Ob ſie in feindlicher Gefangenſchaft oder in<lb/> Rom ſelbſt im Kerker ſchmachteten und den Verkauf <hi rendition="#aq">trans Ti-<lb/> berim</hi> zu gewärtigen hatten, war in der That gleichgültig.</p><lb/> <p>Die erforderliche Beiſteuer mochte theils durch freiwillige<lb/> Beiträge aufgebracht, theils durch ein Dekret der Gens ausge-<lb/> ſchrieben werden. Es iſt denkbar, daß auch das Vermögen der<lb/> Gens, worüber nachher ein mehres, für ſolche Zwecke in An-<lb/> ſpruch genommen ward.</p><lb/> <p>Dieſe gegenſeitige Unterſtützungspflicht, man möchte ſie eine<lb/> Aſſekuranz gegen Noth und Unbill nennen, gab den Patriciern<lb/> den Plebejern gegenüber ein außerordentliches Uebergewicht.<lb/> In dieſer privatrechtlichen Verbrüderung lag vielleicht ebenſo<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0191]
2. Der Staat. 1. Familienprinzip. Unterſtützungspflicht d. Gens. §. 14.
Wie das Unvermögen des einzelnen Gentilen, ſich ſelbſt zu
rächen oder ſein Recht geltend zu machen, die Gens zur Rache
oder zum Beiſtand verpflichtete, ſo legte auch pekuniäres Unver-
mögen deſſelben ihr die Verpflichtung zur Unterſtützung auf.
Die Klaſſiker 84) bezeugen uns dies für den Fall des Loskaufes
aus feindlicher Gefangenſchaft, für ſchwere, ungewöhnliche
Staatsabgaben und ſelbſt für die über ein einzelnes Mitglied
verhängten Geldbußen. Ob dieſe Verpflichtung mehr ſittlicher,
als juriſtiſcher Art war, ob ſie im letztern Fall ſogar, wie dies
bei den Germanen hinſichtlich der Pflicht, einen Theil des Wehr-
geldes zu entrichten, Statt fand, 85) von dritten Perſonen gel-
tend gemacht werden konnte, ob ſie alſo mit andern Worten
eine eventuelle Haftungspflicht der Gens in ſich ſchloß, läßt
ſich nicht beſtimmen. Dagegen darf man annehmen, daß es ein
Ehrenpunkt für die Gens war, ihre durch unverſchuldete Armuth
in Noth z. B. in Schuldhaft gerathenen Mitglieder nicht im
Stich zu laſſen. Ob ſie in feindlicher Gefangenſchaft oder in
Rom ſelbſt im Kerker ſchmachteten und den Verkauf trans Ti-
berim zu gewärtigen hatten, war in der That gleichgültig.
Die erforderliche Beiſteuer mochte theils durch freiwillige
Beiträge aufgebracht, theils durch ein Dekret der Gens ausge-
ſchrieben werden. Es iſt denkbar, daß auch das Vermögen der
Gens, worüber nachher ein mehres, für ſolche Zwecke in An-
ſpruch genommen ward.
Dieſe gegenſeitige Unterſtützungspflicht, man möchte ſie eine
Aſſekuranz gegen Noth und Unbill nennen, gab den Patriciern
den Plebejern gegenüber ein außerordentliches Uebergewicht.
In dieſer privatrechtlichen Verbrüderung lag vielleicht ebenſo
84) S. die Zeugniſſe bei Walter Röm. Rechtsgeſch. Buch 1 Kap. 2.
Anm. 40—42.
85) Das angelſächſiſche Recht iſt in dieſer Beziehung am weiteſten ge-
gangen, indem es neben den Verwandten die gegyldan d. h. nach Sybels
treffender Bezeichnungsweiſe die Erſatzmänner der alten Gentilen, zu einem
Drittheil, eventuell zur Hälfte des Wehrgeldes heranzog.
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