2. Einfluß der Wehrverfassung -- das Königthum. §. 17.
dieses Recht mußte dem gewählten König erst durch einen be- sonderen Beschluß der Comitien übertragen werden. Dieser Akt enthält die vertragsmäßige Unterwerfung des Heeres unter den Oberbefehl des Gewählten, und darum mußte letzterer selbst zugegen sein, um diesen Vertrag mit demselben abzuschlie- ßen, mußte selbst der Versammlung den Antrag stellen.
Auch das imperium also läßt sich auf einen Vertrag zurück- führen, aber auch nur die Verleihung desselben. Die Fort- dauer und die Ausübung desselben im einzelnen Fall ist von der Einwilligung des Volks unabhängig; es begründet, sowie es ertheilt ist, ein dauerndes Subjektionsverhältniß. Der Umfang desselben ward durch das militärische Interesse bestimmt; soweit letzteres, so weit jenes, bei einem kriegerischen Volk aber reicht jenes Interesse außerordentlich weit. In dem imperium lag natürlich das Recht, die militärische Disciplin durch eine un- beschränkte Strafgewalt aufrecht zu erhalten. Was dem Feld- herrn zur Zeit der Republik nicht versagt ward, konnte auch dem König nicht fehlen. An sich war diese militärische Straf- gewalt mit der des Volks durchaus verträglich; beide bewegten sich ja in ganz verschiedenen Kreisen, die eine war auf den Sol- daten, die andere auf den Bürger verwiesen. Zur Zeit der Re- publik wurden diese Kreise streng inne gehalten, und nur, wenn man in der Noth zur Ernennung eines Dictators schritt -- der heutigen Verhängung des Belagerungszustandes oder Prokla- mirung des Standrechts -- ward die ganze Bevölkerung unter die Strenge des Kriegsgesetzes gestellt. Zur Königszeit hin- gegen hatte jene militärische Strafgerichtsbarkeit eine ungleich größere Ausdehnung und griff mit eiserner Hand auch ins bür- gerliche Leben ein. Man braucht aber diese Ausdehnung nicht als ein Werk der reinen Gewalt, als eine Usurpation der Kö- nige zu betrachten, sondern es lassen sich Gesichtspunkte auf- finden, die dieselbe motiviren, wenigstens begreiflich machen. Zunächst nämlich war ja die militärische Gewalt des Königs keinesweges auf die Zeit des Marsches beschränkt, für die Dauer
2. Einfluß der Wehrverfaſſung — das Königthum. §. 17.
dieſes Recht mußte dem gewählten König erſt durch einen be- ſonderen Beſchluß der Comitien übertragen werden. Dieſer Akt enthält die vertragsmäßige Unterwerfung des Heeres unter den Oberbefehl des Gewählten, und darum mußte letzterer ſelbſt zugegen ſein, um dieſen Vertrag mit demſelben abzuſchlie- ßen, mußte ſelbſt der Verſammlung den Antrag ſtellen.
Auch das imperium alſo läßt ſich auf einen Vertrag zurück- führen, aber auch nur die Verleihung deſſelben. Die Fort- dauer und die Ausübung deſſelben im einzelnen Fall iſt von der Einwilligung des Volks unabhängig; es begründet, ſowie es ertheilt iſt, ein dauerndes Subjektionsverhältniß. Der Umfang deſſelben ward durch das militäriſche Intereſſe beſtimmt; ſoweit letzteres, ſo weit jenes, bei einem kriegeriſchen Volk aber reicht jenes Intereſſe außerordentlich weit. In dem imperium lag natürlich das Recht, die militäriſche Disciplin durch eine un- beſchränkte Strafgewalt aufrecht zu erhalten. Was dem Feld- herrn zur Zeit der Republik nicht verſagt ward, konnte auch dem König nicht fehlen. An ſich war dieſe militäriſche Straf- gewalt mit der des Volks durchaus verträglich; beide bewegten ſich ja in ganz verſchiedenen Kreiſen, die eine war auf den Sol- daten, die andere auf den Bürger verwieſen. Zur Zeit der Re- publik wurden dieſe Kreiſe ſtreng inne gehalten, und nur, wenn man in der Noth zur Ernennung eines Dictators ſchritt — der heutigen Verhängung des Belagerungszuſtandes oder Prokla- mirung des Standrechts — ward die ganze Bevölkerung unter die Strenge des Kriegsgeſetzes geſtellt. Zur Königszeit hin- gegen hatte jene militäriſche Strafgerichtsbarkeit eine ungleich größere Ausdehnung und griff mit eiſerner Hand auch ins bür- gerliche Leben ein. Man braucht aber dieſe Ausdehnung nicht als ein Werk der reinen Gewalt, als eine Uſurpation der Kö- nige zu betrachten, ſondern es laſſen ſich Geſichtspunkte auf- finden, die dieſelbe motiviren, wenigſtens begreiflich machen. Zunächſt nämlich war ja die militäriſche Gewalt des Königs keinesweges auf die Zeit des Marſches beſchränkt, für die Dauer
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2. Einfluß der Wehrverfaſſung — das Königthum. §. 17.
dieſes Recht mußte dem gewählten König erſt durch einen be-
ſonderen Beſchluß der Comitien übertragen werden. Dieſer
Akt enthält die vertragsmäßige Unterwerfung des Heeres unter
den Oberbefehl des Gewählten, und darum mußte letzterer
ſelbſt zugegen ſein, um dieſen Vertrag mit demſelben abzuſchlie-
ßen, mußte ſelbſt der Verſammlung den Antrag ſtellen.
Auch das imperium alſo läßt ſich auf einen Vertrag zurück-
führen, aber auch nur die Verleihung deſſelben. Die Fort-
dauer und die Ausübung deſſelben im einzelnen Fall iſt von der
Einwilligung des Volks unabhängig; es begründet, ſowie es
ertheilt iſt, ein dauerndes Subjektionsverhältniß. Der Umfang
deſſelben ward durch das militäriſche Intereſſe beſtimmt; ſoweit
letzteres, ſo weit jenes, bei einem kriegeriſchen Volk aber reicht
jenes Intereſſe außerordentlich weit. In dem imperium lag
natürlich das Recht, die militäriſche Disciplin durch eine un-
beſchränkte Strafgewalt aufrecht zu erhalten. Was dem Feld-
herrn zur Zeit der Republik nicht verſagt ward, konnte auch
dem König nicht fehlen. An ſich war dieſe militäriſche Straf-
gewalt mit der des Volks durchaus verträglich; beide bewegten
ſich ja in ganz verſchiedenen Kreiſen, die eine war auf den Sol-
daten, die andere auf den Bürger verwieſen. Zur Zeit der Re-
publik wurden dieſe Kreiſe ſtreng inne gehalten, und nur, wenn
man in der Noth zur Ernennung eines Dictators ſchritt — der
heutigen Verhängung des Belagerungszuſtandes oder Prokla-
mirung des Standrechts — ward die ganze Bevölkerung unter
die Strenge des Kriegsgeſetzes geſtellt. Zur Königszeit hin-
gegen hatte jene militäriſche Strafgerichtsbarkeit eine ungleich
größere Ausdehnung und griff mit eiſerner Hand auch ins bür-
gerliche Leben ein. Man braucht aber dieſe Ausdehnung nicht
als ein Werk der reinen Gewalt, als eine Uſurpation der Kö-
nige zu betrachten, ſondern es laſſen ſich Geſichtspunkte auf-
finden, die dieſelbe motiviren, wenigſtens begreiflich machen.
Zunächſt nämlich war ja die militäriſche Gewalt des Königs
keinesweges auf die Zeit des Marſches beſchränkt, für die Dauer
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/267>, abgerufen am 11.06.2024.
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