Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

3. Das religiöse Prinzip -- das Fas, die pontifices. §. 18.
zuführen, doch erst eine Entscheidung des Pontificalcollegiums
über eine Präjudicialfrage des Fas voraussetzten. Außer den
bereits von Rubino und in der Note hervorgehobenen Beispie-
len nenne ich als solche Lehren, die dem geistlichen Recht ihre
Ausbildung verdankten, namentlich die Lehre von der Zeit, 169)
der pignoris capio, 170) von dem votum, 171) die Römer selbst
nennen auch die usucapio pro herede. Bei einigen Rechtsge-
schäften wie der Eingehung der Ehe durch confarreatio, der
arrogatio und dem testamentum in comitiis calatis fand eine
Zuziehung des Pontifex maximus oder des ganzen Collegium
Statt, und damit war der geistlichen Jurisprudenz die Gele-
genheit gegeben, auf die Theorie dieser Rechtsgeschäfte zu in-
fluiren. 172) Auch auf die Ausbildung des Kriminalrechts muß

sich auf ein Begräbniß bezogen, also namentlich hinsichtlich der actio fune-
raria
(nachher ins Edikt des Prätors übertragen, ihrer ganzen Structur nach
aber unverkennbar nicht unter dem Einfluß civilistischer Ideen entstanden),
hinsichtlich der legis actio sacramento (s. u.). Noch zu Papinians Zeit
konnte der Erbe zur Erfüllung der vom Testator in seinem Testament ihm
zur Pflicht gemachten Errichtung eines Monuments durch das Pontifical-
collegium gezwungen werden, L. 50. §. 1 de her. pet. (5. 3) ... tamen
Principali vel Pontificali autoritate compelluntur ad obsequium supre-
mae voluntatis.
-- Daß die jura sepulchrorum dem indignus, dem die
Erbschaft entzogen ward (L. 33 de relig. 11. 7) und dem suus heres, der
sich abstinirte (L. 6 ibid.) verblieben, war gegen die Consequenz des Civil-
rechts, und ich möchte diese Abnormität dem Einfluß des geistlichen Rechts
zuschreiben.
169) Vor allem die computatio civilis, über deren Anwendung auf die
Begründung der manus durch usus ein Ausspruch des Pontifex Quint. Mu-
cius
von Gellius III. 2 mitgetheilt wird, den Schalttag u. s. w.
170) Insoweit sie eine Beziehung auf das geistliche Recht hatte. Die
XII Tafeln erkannten sie in dieser Richtung an. Gajus IV. §. 28.
171) Wenn Beamte oder das Volk ein Votum ablegten, so pflegte der
Pontifex maximus die Formel vorzusagen Liv. XXXI. 9, XXXVI. 2,
XLI. 21. Valerius Maximus VIII, 13,
2 rühmt es dem Metellus nach, daß
er senex admodum pont. max. creatus tutelam caeremoniarum per duos
et viginti annos neque ore in votis nuncupandis haesitante, neque ...
gessit. Brissonius de vocibus ac formul. lib. l cap.
128.
172) Mit Recht hebt Rubino S. 213 hervor, daß es sich hierbei nicht
bloß oder auch nur vorzugsweise um die sacra gehandelt habe.

3. Das religiöſe Prinzip — das Fas, die pontifices. §. 18.
zuführen, doch erſt eine Entſcheidung des Pontificalcollegiums
über eine Präjudicialfrage des Fas vorausſetzten. Außer den
bereits von Rubino und in der Note hervorgehobenen Beiſpie-
len nenne ich als ſolche Lehren, die dem geiſtlichen Recht ihre
Ausbildung verdankten, namentlich die Lehre von der Zeit, 169)
der pignoris capio, 170) von dem votum, 171) die Römer ſelbſt
nennen auch die usucapio pro herede. Bei einigen Rechtsge-
ſchäften wie der Eingehung der Ehe durch confarreatio, der
arrogatio und dem testamentum in comitiis calatis fand eine
Zuziehung des Pontifex maximus oder des ganzen Collegium
Statt, und damit war der geiſtlichen Jurisprudenz die Gele-
genheit gegeben, auf die Theorie dieſer Rechtsgeſchäfte zu in-
fluiren. 172) Auch auf die Ausbildung des Kriminalrechts muß

ſich auf ein Begräbniß bezogen, alſo namentlich hinſichtlich der actio fune-
raria
(nachher ins Edikt des Prätors übertragen, ihrer ganzen Structur nach
aber unverkennbar nicht unter dem Einfluß civiliſtiſcher Ideen entſtanden),
hinſichtlich der legis actio sacramento (ſ. u.). Noch zu Papinians Zeit
konnte der Erbe zur Erfüllung der vom Teſtator in ſeinem Teſtament ihm
zur Pflicht gemachten Errichtung eines Monuments durch das Pontifical-
collegium gezwungen werden, L. 50. §. 1 de her. pet. (5. 3) … tamen
Principali vel Pontificali autoritate compelluntur ad obsequium supre-
mae voluntatis.
— Daß die jura sepulchrorum dem indignus, dem die
Erbſchaft entzogen ward (L. 33 de relig. 11. 7) und dem suus heres, der
ſich abſtinirte (L. 6 ibid.) verblieben, war gegen die Conſequenz des Civil-
rechts, und ich möchte dieſe Abnormität dem Einfluß des geiſtlichen Rechts
zuſchreiben.
169) Vor allem die computatio civilis, über deren Anwendung auf die
Begründung der manus durch usus ein Ausſpruch des Pontifex Quint. Mu-
cius
von Gellius III. 2 mitgetheilt wird, den Schalttag u. ſ. w.
170) Inſoweit ſie eine Beziehung auf das geiſtliche Recht hatte. Die
XII Tafeln erkannten ſie in dieſer Richtung an. Gajus IV. §. 28.
171) Wenn Beamte oder das Volk ein Votum ablegten, ſo pflegte der
Pontifex maximus die Formel vorzuſagen Liv. XXXI. 9, XXXVI. 2,
XLI. 21. Valerius Maximus VIII, 13,
2 rühmt es dem Metellus nach, daß
er senex admodum pont. max. creatus tutelam caeremoniarum per duos
et viginti annos neque ore in votis nuncupandis haesitante, neque …
gessit. Brissonius de vocibus ac formul. lib. l cap.
128.
172) Mit Recht hebt Rubino S. 213 hervor, daß es ſich hierbei nicht
bloß oder auch nur vorzugsweiſe um die sacra gehandelt habe.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0279" n="261"/><fw place="top" type="header">3. Das religiö&#x017F;e Prinzip &#x2014; das <hi rendition="#aq">Fas,</hi> die <hi rendition="#aq">pontifices.</hi> §. 18.</fw><lb/>
zuführen, doch er&#x017F;t eine Ent&#x017F;cheidung des Pontificalcollegiums<lb/>
über eine Präjudicialfrage des <hi rendition="#aq">Fas</hi> voraus&#x017F;etzten. Außer den<lb/>
bereits von Rubino und in der Note hervorgehobenen Bei&#x017F;pie-<lb/>
len nenne ich als &#x017F;olche Lehren, die dem gei&#x017F;tlichen Recht ihre<lb/>
Ausbildung verdankten, namentlich die Lehre von der Zeit, <note place="foot" n="169)">Vor allem die <hi rendition="#aq">computatio civilis,</hi> über deren Anwendung auf die<lb/>
Begründung der <hi rendition="#aq">manus</hi> durch <hi rendition="#aq">usus</hi> ein Aus&#x017F;pruch des Pontifex <hi rendition="#aq">Quint. Mu-<lb/>
cius</hi> von <hi rendition="#aq">Gellius III.</hi> 2 mitgetheilt wird, den Schalttag u. &#x017F;. w.</note><lb/>
der <hi rendition="#aq">pignoris capio,</hi> <note place="foot" n="170)">In&#x017F;oweit &#x017F;ie eine Beziehung auf das gei&#x017F;tliche Recht hatte. Die<lb/><hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln erkannten &#x017F;ie in die&#x017F;er Richtung an. <hi rendition="#aq">Gajus IV.</hi> §. 28.</note> von dem <hi rendition="#aq">votum,</hi> <note place="foot" n="171)">Wenn Beamte oder das Volk ein Votum ablegten, &#x017F;o pflegte der<lb/><hi rendition="#aq">Pontifex maximus</hi> die Formel vorzu&#x017F;agen <hi rendition="#aq">Liv. XXXI. 9, XXXVI. 2,<lb/>
XLI. 21. Valerius Maximus VIII, 13,</hi> 2 rühmt es dem Metellus nach, daß<lb/>
er <hi rendition="#aq">senex admodum pont. max. creatus tutelam caeremoniarum per duos<lb/>
et viginti annos neque ore in votis nuncupandis haesitante, neque &#x2026;<lb/>
gessit. Brissonius de vocibus ac formul. lib. l cap.</hi> 128.</note> die Römer &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nennen auch die <hi rendition="#aq">usucapio pro herede.</hi> Bei einigen Rechtsge-<lb/>
&#x017F;chäften wie der Eingehung der Ehe durch <hi rendition="#aq">confarreatio,</hi> der<lb/><hi rendition="#aq">arrogatio</hi> und dem <hi rendition="#aq">testamentum in comitiis calatis</hi> fand eine<lb/>
Zuziehung des <hi rendition="#aq">Pontifex maximus</hi> oder des ganzen Collegium<lb/>
Statt, und damit war der gei&#x017F;tlichen Jurisprudenz die Gele-<lb/>
genheit gegeben, auf die Theorie die&#x017F;er Rechtsge&#x017F;chäfte zu in-<lb/>
fluiren. <note place="foot" n="172)">Mit Recht hebt Rubino S. 213 hervor, daß es &#x017F;ich hierbei nicht<lb/>
bloß oder auch nur vorzugswei&#x017F;e um die <hi rendition="#aq">sacra</hi> gehandelt habe.</note> Auch auf die Ausbildung des Kriminalrechts muß<lb/><note xml:id="seg2pn_20_2" prev="#seg2pn_20_1" place="foot" n="168)">&#x017F;ich auf ein Begräbniß bezogen, al&#x017F;o namentlich hin&#x017F;ichtlich der <hi rendition="#aq">actio fune-<lb/>
raria</hi> (nachher ins Edikt des Prätors übertragen, ihrer ganzen Structur nach<lb/>
aber unverkennbar nicht unter dem Einfluß civili&#x017F;ti&#x017F;cher Ideen ent&#x017F;tanden),<lb/>
hin&#x017F;ichtlich der <hi rendition="#aq">legis actio sacramento</hi> (&#x017F;. u.). Noch zu Papinians Zeit<lb/>
konnte der Erbe zur Erfüllung der vom Te&#x017F;tator in &#x017F;einem Te&#x017F;tament ihm<lb/>
zur Pflicht gemachten Errichtung eines Monuments durch das Pontifical-<lb/>
collegium gezwungen werden, <hi rendition="#aq">L. 50. §. 1 de her. pet. (5. 3) &#x2026; tamen<lb/>
Principali vel Pontificali autoritate compelluntur ad obsequium supre-<lb/>
mae voluntatis.</hi> &#x2014; Daß die <hi rendition="#aq">jura sepulchrorum</hi> dem <hi rendition="#aq">indignus,</hi> dem die<lb/>
Erb&#x017F;chaft entzogen ward (<hi rendition="#aq">L. 33 de relig.</hi> 11. 7) und dem <hi rendition="#aq">suus heres,</hi> der<lb/>
&#x017F;ich ab&#x017F;tinirte <hi rendition="#aq">(L. 6 ibid.)</hi> verblieben, war gegen die Con&#x017F;equenz des Civil-<lb/>
rechts, und ich möchte die&#x017F;e Abnormität dem Einfluß des gei&#x017F;tlichen Rechts<lb/>
zu&#x017F;chreiben.</note><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0279] 3. Das religiöſe Prinzip — das Fas, die pontifices. §. 18. zuführen, doch erſt eine Entſcheidung des Pontificalcollegiums über eine Präjudicialfrage des Fas vorausſetzten. Außer den bereits von Rubino und in der Note hervorgehobenen Beiſpie- len nenne ich als ſolche Lehren, die dem geiſtlichen Recht ihre Ausbildung verdankten, namentlich die Lehre von der Zeit, 169) der pignoris capio, 170) von dem votum, 171) die Römer ſelbſt nennen auch die usucapio pro herede. Bei einigen Rechtsge- ſchäften wie der Eingehung der Ehe durch confarreatio, der arrogatio und dem testamentum in comitiis calatis fand eine Zuziehung des Pontifex maximus oder des ganzen Collegium Statt, und damit war der geiſtlichen Jurisprudenz die Gele- genheit gegeben, auf die Theorie dieſer Rechtsgeſchäfte zu in- fluiren. 172) Auch auf die Ausbildung des Kriminalrechts muß 168) 169) Vor allem die computatio civilis, über deren Anwendung auf die Begründung der manus durch usus ein Ausſpruch des Pontifex Quint. Mu- cius von Gellius III. 2 mitgetheilt wird, den Schalttag u. ſ. w. 170) Inſoweit ſie eine Beziehung auf das geiſtliche Recht hatte. Die XII Tafeln erkannten ſie in dieſer Richtung an. Gajus IV. §. 28. 171) Wenn Beamte oder das Volk ein Votum ablegten, ſo pflegte der Pontifex maximus die Formel vorzuſagen Liv. XXXI. 9, XXXVI. 2, XLI. 21. Valerius Maximus VIII, 13, 2 rühmt es dem Metellus nach, daß er senex admodum pont. max. creatus tutelam caeremoniarum per duos et viginti annos neque ore in votis nuncupandis haesitante, neque … gessit. Brissonius de vocibus ac formul. lib. l cap. 128. 172) Mit Recht hebt Rubino S. 213 hervor, daß es ſich hierbei nicht bloß oder auch nur vorzugsweiſe um die sacra gehandelt habe. 168) ſich auf ein Begräbniß bezogen, alſo namentlich hinſichtlich der actio fune- raria (nachher ins Edikt des Prätors übertragen, ihrer ganzen Structur nach aber unverkennbar nicht unter dem Einfluß civiliſtiſcher Ideen entſtanden), hinſichtlich der legis actio sacramento (ſ. u.). Noch zu Papinians Zeit konnte der Erbe zur Erfüllung der vom Teſtator in ſeinem Teſtament ihm zur Pflicht gemachten Errichtung eines Monuments durch das Pontifical- collegium gezwungen werden, L. 50. §. 1 de her. pet. (5. 3) … tamen Principali vel Pontificali autoritate compelluntur ad obsequium supre- mae voluntatis. — Daß die jura sepulchrorum dem indignus, dem die Erbſchaft entzogen ward (L. 33 de relig. 11. 7) und dem suus heres, der ſich abſtinirte (L. 6 ibid.) verblieben, war gegen die Conſequenz des Civil- rechts, und ich möchte dieſe Abnormität dem Einfluß des geiſtlichen Rechts zuſchreiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/279
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/279>, abgerufen am 22.11.2024.