Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. Institut erscheint, so darf man auch, um dasselbe für die Sacer-tät anzunehmen, daran keinen Anstoß nehmen, daß sie später der Gesetzgebung in die Hände fällt. Diese spätere Entwicklung der Sacertät, bei der sie sich immer mehr von ihrem ursprüng- lichen Wesen entfernt und zuletzt zu einer bloßen Vermögensent- ziehung zusammenschrumpft, hat kein Interesse mehr für uns. Indem wir jetzt die Religion mit ihrer Einwirkung auf das 213) Hartung Relig. der Römer B. 2 S. 57. 214) Liv. V, 13 .... jurgiis ac litibus temperatum; vinctis quoque demta in eos dies vincula; religioni deinde fuisse, quibus eam opem Dii tulissent, vinciri. 215) Hartung a. a. O. II. S. 125, 126.
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. Inſtitut erſcheint, ſo darf man auch, um daſſelbe für die Sacer-tät anzunehmen, daran keinen Anſtoß nehmen, daß ſie ſpäter der Geſetzgebung in die Hände fällt. Dieſe ſpätere Entwicklung der Sacertät, bei der ſie ſich immer mehr von ihrem urſprüng- lichen Weſen entfernt und zuletzt zu einer bloßen Vermögensent- ziehung zuſammenſchrumpft, hat kein Intereſſe mehr für uns. Indem wir jetzt die Religion mit ihrer Einwirkung auf das 213) Hartung Relig. der Römer B. 2 S. 57. 214) Liv. V, 13 .... jurgiis ac litibus temperatum; vinctis quoque demta in eos dies vincula; religioni deinde fuisse, quibus eam opem Dii tulissent, vinciri. 215) Hartung a. a. O. II. S. 125, 126.
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Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
Inſtitut erſcheint, ſo darf man auch, um daſſelbe für die Sacer-
tät anzunehmen, daran keinen Anſtoß nehmen, daß ſie ſpäter
der Geſetzgebung in die Hände fällt. Dieſe ſpätere Entwicklung
der Sacertät, bei der ſie ſich immer mehr von ihrem urſprüng-
lichen Weſen entfernt und zuletzt zu einer bloßen Vermögensent-
ziehung zuſammenſchrumpft, hat kein Intereſſe mehr für uns.
Indem wir jetzt die Religion mit ihrer Einwirkung auf das
Recht verlaſſen, gedenken wir ſchließlich noch des mildernden
Einfluſſes, mit dem ſie bei mancherlei Anläſſen der Strenge der
Strafe entgegentrat. Die römiſchen Götter, mit der einen Hand
die Beleidigungen rächend, die ihnen widerfahren, ſtreckten
ſchützend die andere über die Verfolgten und Schutzloſen aus.
Es gab heilige Orte und Zeiten, an denen Verfolgung und
Strafe ruhte. Vor dem Zorn des Hausherrn flohen die Unter-
gebenen zum Hausaltar, vor der Rache des Verletzten der Schul-
dige zum Tempel oder zum Aſyl. An die Idee des Aſyls knüpft
Roms Entſtehung an, und wenn hier gleich das Aſyl als Mittel
zu politiſchen Zwecken erſcheint, ſo iſt es doch die Religion, die
daſſelbe unantaſtbar macht. 213) An den Lectiſternien, wo Haß
und Zank ruhte, nahm man den Gefangenen die Feſſeln ab und
hielt es für eine Gewiſſensſache, ſie nachher wieder anzulegen. 214)
An den Saturnalien, dem Feſte des Gottes, der Segen und
Wohlleben ſpendete, ließ man auch Sklaven und Verbrecher
an der allgemeinen Freude Theil nehmen. Jene koſteten vor-
übergehend das Glück der Freiheit, dieſe entließ man dauernd
ihren Ketten die ſie dem Gotte zu bringen pflegten, der ſie davon
befreit hatte. 215) Wenn der Prieſter des Jupiter (flamen dialis)
ein Haus betrat, in dem ſich ein Gefeſſelter befand, ſo gebot das
Fas, ihm ſeine Banden abzunehmen und über das Dach aus dem
213) Hartung Relig. der Römer B. 2 S. 57.
214) Liv. V, 13 .... jurgiis ac litibus temperatum; vinctis quoque
demta in eos dies vincula; religioni deinde fuisse, quibus eam
opem Dii tulissent, vinciri.
215) Hartung a. a. O. II. S. 125, 126.
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