Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweites Buch. Erster Abschnitt. II. Die Grundtriebe. Wir haben diese Idee jetzt noch nach einer sehr wichtigen Seite In dieser Weise ist nun das ältere römische Recht gestaltet. 115) Gaj. IV. §. 11 gibt ein bekanntes Beispiel.
Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe. Wir haben dieſe Idee jetzt noch nach einer ſehr wichtigen Seite In dieſer Weiſe iſt nun das ältere römiſche Recht geſtaltet. 115) Gaj. IV. §. 11 gibt ein bekanntes Beiſpiel.
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Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe.
Wir haben dieſe Idee jetzt noch nach einer ſehr wichtigen Seite
hin zu verfolgen, nämlich nach Seiten des Einfluſſes, den ſie auf
die Stellung des Richters (worunter ich hier auch den
Prätor verſtehe) ausgeübt hat. Es iſt oben (S. 80) die ältere
Civilrechtspflege als eine Rechts maſchine bezeichnet, die mit
möglichſter objektiver Berechenbarkeit, Gleichmäßigkeit und Si-
cherheit den Umſatz der abſtracten Regel in concrete Wirklichkeit
herbeiführen ſoll. Man könnte den alten Prozeß die dialektiſche
Selbſtbewegung des Geſetzes nennen, eine legis actio in die-
ſem (ſubjektiv-genitiviſchen) Sinn. Darin liegt nun nicht bloß
eine möglichſte Einengung des Richters in prozeſſualiſcher
Beziehung (modus procedendi), ſondern eben ſowohl in mate-
rieller Beziehung; alſo eine Geſtaltung des Rechts, die den
Einfluß des ſubjektiven Elements möglichſt ausſchließt. Nicht alſo
bloß die geſetzliche Formulirung des Rechts — hiervon war
ſchon bei Gelegenheit des Selbſtändigkeitstriebes die Rede —
ſondern ein ſolcher die formale Realiſirbarkeit des Rechts
(B. 1 S. 42 ff.) betreffender innerer Zuſchnitt der Rechts-
ſätze, der ſie einer rein mechaniſchen, ſchablonenartigen An-
wendung fähig macht, es dem Richter ebenſowohl erſpart als
verwehrt, ſich in das rein Individuelle des ihm vorgelegten
Falles zu verſenken.
In dieſer Weiſe iſt nun das ältere römiſche Recht geſtaltet.
Abgeſehn von der Beweisfrage, hinſichtlich deren der Richter zu
jeder Zeit in Rom durch Regeln verhältnißmäßig ſehr wenig be-
ſchränkt war, waren ihm in allen andern Beziehungen die Hände
gebunden. Der Gang des Verfahrens ſchritt in unabwendlicher
Gleichmäßigkeit vorwärts, in denſelben ein für alle Mal feſtge-
ſetzten Friſten und gußeiſernen Formen, und die geringſte Ab-
weichung von der Regel z. B. die Erſetzung eines Wortes in
der Formel durch ein gleichbedeutendes hatte Nichtigkeit des
ganzen Verfahrens zur Folge. 115) Es war dies der Prozeß der
115) Gaj. IV. §. 11 gibt ein bekanntes Beiſpiel.
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