Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Der Gesichtspunkt der Herrschaft. §. 31. väterliche Gewalt u. s. w. Jene Herrschaft war das spezifischrechtliche Element der Verhältnisse, auf dessen Auffindung und Bestimmung die juristische Analyse allein gerichtet sein konnte. So wenig wie ein Chemiker, dessen Untersuchung auf Auffindung eines ganz bestimmten Bestandtheils eines Körpers gerichtet ist, Anlaß hat sich über die Brauchbarkeit, die Bestimmung des Ge- genstandes u. s. w. zu verbreiten, so wenig kann und darf der Jurist bei der juristischen Analyse sich ähnliche Abschweifungen von seiner Aufgabe erlauben. Er soll, wenn ich so sagen darf, den Procentgehalt der einzelnen Verhältnisse an Rechtsstoff be- stimmen. Dieser Rechtsstoff findet sich häufig vermischt mit an- deren Elementen, und zwar in sehr verschiedener Proportion. Bald bildet er nur einen sehr unbedeutenden, bald den überwie- genden, bald den einzigen Bestandtheil des Verhältnisses. 159) Die juristische Untersuchung hat sich nun, wie gesagt, lediglich auf die Auffindung dieses Stoffes zu beschränken; je reiner sie ihn darstellt, je mehr sie also die nicht-rechtlichen Elemente ausscheidet, um so vollkommener hat sie ihre Aufgabe gelöst. In dieser nothwendigen Beschränkung eine Einseitigkeit zu fin- den, ist wahrhaft absurd; die Bedeutung jener nicht-rechtlichen Elemente, des moralischen, national-ökonomischen, politischen u. s. w., ist damit doch nicht negirt, daß man sich hütet, sie an der unrechten Stelle zu erörtern. An der rechten Stelle darf und soll man sie berücksichtigen, und es ist eine der Haupt- aufgaben einer jeden historischen Darstellung des Rechts, sich dieser Gesichtspunkte zu bemächtigen. Das spezifisch rechtliche Moment, wornach das ältere Recht 159) Man vergleiche z. B. die Ehe mit den Obligationen, eine Missions-
gesellschaft mit einer Handelsgesellschaft u. s. w. A. Stellung des Indiv. Der Geſichtspunkt der Herrſchaft. §. 31. väterliche Gewalt u. ſ. w. Jene Herrſchaft war das ſpezifiſchrechtliche Element der Verhältniſſe, auf deſſen Auffindung und Beſtimmung die juriſtiſche Analyſe allein gerichtet ſein konnte. So wenig wie ein Chemiker, deſſen Unterſuchung auf Auffindung eines ganz beſtimmten Beſtandtheils eines Körpers gerichtet iſt, Anlaß hat ſich über die Brauchbarkeit, die Beſtimmung des Ge- genſtandes u. ſ. w. zu verbreiten, ſo wenig kann und darf der Juriſt bei der juriſtiſchen Analyſe ſich ähnliche Abſchweifungen von ſeiner Aufgabe erlauben. Er ſoll, wenn ich ſo ſagen darf, den Procentgehalt der einzelnen Verhältniſſe an Rechtsſtoff be- ſtimmen. Dieſer Rechtsſtoff findet ſich häufig vermiſcht mit an- deren Elementen, und zwar in ſehr verſchiedener Proportion. Bald bildet er nur einen ſehr unbedeutenden, bald den überwie- genden, bald den einzigen Beſtandtheil des Verhältniſſes. 159) Die juriſtiſche Unterſuchung hat ſich nun, wie geſagt, lediglich auf die Auffindung dieſes Stoffes zu beſchränken; je reiner ſie ihn darſtellt, je mehr ſie alſo die nicht-rechtlichen Elemente ausſcheidet, um ſo vollkommener hat ſie ihre Aufgabe gelöſt. In dieſer nothwendigen Beſchränkung eine Einſeitigkeit zu fin- den, iſt wahrhaft abſurd; die Bedeutung jener nicht-rechtlichen Elemente, des moraliſchen, national-ökonomiſchen, politiſchen u. ſ. w., iſt damit doch nicht negirt, daß man ſich hütet, ſie an der unrechten Stelle zu erörtern. An der rechten Stelle darf und ſoll man ſie berückſichtigen, und es iſt eine der Haupt- aufgaben einer jeden hiſtoriſchen Darſtellung des Rechts, ſich dieſer Geſichtspunkte zu bemächtigen. Das ſpezifiſch rechtliche Moment, wornach das ältere Recht 159) Man vergleiche z. B. die Ehe mit den Obligationen, eine Miſſions-
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A. Stellung des Indiv. Der Geſichtspunkt der Herrſchaft. §. 31.
väterliche Gewalt u. ſ. w. Jene Herrſchaft war das ſpezifiſch
rechtliche Element der Verhältniſſe, auf deſſen Auffindung und
Beſtimmung die juriſtiſche Analyſe allein gerichtet ſein konnte.
So wenig wie ein Chemiker, deſſen Unterſuchung auf Auffindung
eines ganz beſtimmten Beſtandtheils eines Körpers gerichtet iſt,
Anlaß hat ſich über die Brauchbarkeit, die Beſtimmung des Ge-
genſtandes u. ſ. w. zu verbreiten, ſo wenig kann und darf der
Juriſt bei der juriſtiſchen Analyſe ſich ähnliche Abſchweifungen
von ſeiner Aufgabe erlauben. Er ſoll, wenn ich ſo ſagen darf,
den Procentgehalt der einzelnen Verhältniſſe an Rechtsſtoff be-
ſtimmen. Dieſer Rechtsſtoff findet ſich häufig vermiſcht mit an-
deren Elementen, und zwar in ſehr verſchiedener Proportion.
Bald bildet er nur einen ſehr unbedeutenden, bald den überwie-
genden, bald den einzigen Beſtandtheil des Verhältniſſes. 159)
Die juriſtiſche Unterſuchung hat ſich nun, wie geſagt, lediglich
auf die Auffindung dieſes Stoffes zu beſchränken; je reiner
ſie ihn darſtellt, je mehr ſie alſo die nicht-rechtlichen Elemente
ausſcheidet, um ſo vollkommener hat ſie ihre Aufgabe gelöſt.
In dieſer nothwendigen Beſchränkung eine Einſeitigkeit zu fin-
den, iſt wahrhaft abſurd; die Bedeutung jener nicht-rechtlichen
Elemente, des moraliſchen, national-ökonomiſchen, politiſchen
u. ſ. w., iſt damit doch nicht negirt, daß man ſich hütet, ſie an
der unrechten Stelle zu erörtern. An der rechten Stelle
darf und ſoll man ſie berückſichtigen, und es iſt eine der Haupt-
aufgaben einer jeden hiſtoriſchen Darſtellung des Rechts,
ſich dieſer Geſichtspunkte zu bemächtigen.
Das ſpezifiſch rechtliche Moment, wornach das ältere Recht
die Rechtsverhältniſſe beſtimmt, iſt alſo der Gedanke der Herr-
ſchaft, und ich ſollte meinen, daß daſſelbe damit das abſolut
Richtige getroffen hat. Der Inhalt eines jeden Rechtsverhält-
niſſes, wenn man daſſelbe des Beiwerks entkleidet und auf ſei-
159) Man vergleiche z. B. die Ehe mit den Obligationen, eine Miſſions-
geſellſchaft mit einer Handelsgeſellſchaft u. ſ. w.
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