Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweites Buch -- das spezifisch röm. Rechtssystem. Wie gelangen wir nun zu diesem System? Es ist zu dem Eine feste Burg haben wir dies alte Recht genannt, und Der allmählige Ausbau jenes Systems, das Vordringen Zweites Buch — das ſpezifiſch röm. Rechtsſyſtem. Wie gelangen wir nun zu dieſem Syſtem? Es iſt zu dem Eine feſte Burg haben wir dies alte Recht genannt, und Der allmählige Ausbau jenes Syſtems, das Vordringen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0018" n="4"/> <fw place="top" type="header">Zweites Buch — das ſpezifiſch röm. Rechtsſyſtem.</fw><lb/> <p>Wie gelangen wir nun zu dieſem Syſtem? Es iſt zu dem<lb/> Zweck faſt durchgehends eine künſtliche Scheidung nöthig, eine<lb/> Anwendung jener Methode, die wir in der Einleitung angege-<lb/> ben und zu rechtfertigen verſucht haben, und deren Rechtferti-<lb/> gung alſo hier nicht erſt zur Frage ſteht. Aus dem, was ſicher<lb/> und unzweifelhaft der alten oder der neuen Zeit angehört, ſuchen<lb/> wir den verſchiedenen Bauſtyl beider Zeiten kennen zu lernen,<lb/> und nach dieſem Bauſtyl beſtimmen wir dann die Stücke, hin-<lb/> ſichtlich deren eine ſolche äußere Gewißheit nicht beſteht. Es iſt<lb/> ein gewaltiges Gebäude, das wir vor uns haben; wir wiſſen,<lb/> daß es zu zwei verſchiedenen Zeiten aufgeführt wurde, und es<lb/> kömmt darauf an, den urſprünglichen Bau — die feſte Burg<lb/> des <hi rendition="#aq">strictum jus</hi> — unter dem modernen Ueberbau zu erkennen.<lb/> Iſt auch mancher Theil deſſelben völlig verändert, niedergeriſſen,<lb/> in Trümmer zerfallen: überall ragt doch noch das unverwüſt-<lb/> liche Mauerwerk der alten Zeit hervor und macht es uns mög-<lb/> lich, den Bauſtyl und den Plan des urſprünglichen Baus zu er-<lb/> kennen.</p><lb/> <p>Eine feſte Burg haben wir dies alte Recht genannt, und<lb/> dieſer Vergleich mag geeignet ſein, den Eindruck zu bezeichnen,<lb/> den es hervorruft. Eckig und ſteif, eng und niedrig wie in den<lb/> Burgen des Mittelalters erſcheinen uns die Räume, die wir<lb/> dort antreffen, aber um ſo feſter und dauerhafter iſt das Mauer-<lb/> werk; was an Bequemlichkeit abging, erſetzte die Sicherheit.<lb/> Und wie in jenen Burgen, umfängt uns hier der Geiſt einer<lb/> Achtung gebietenden Vergangenheit, die Erinnerung eines ker-<lb/> nigen Geſchlechts, wilder, gewaltiger Kraft, und die Geſchichte<lb/> ſelbſt wird uns hier erſt recht lebendig und verſtändlich.</p><lb/> <p>Der allmählige Ausbau jenes Syſtems, das Vordringen<lb/> deſſelben bis zu ſeinen äußerſten Conſequenzen hat ſich über<lb/> mehre Jahrhunderte hingezogen, und manche dieſer Conſequen-<lb/> zen mag erſt in der folgenden Periode ins Bewußtſein getreten<lb/> ſein, wie umgekehrt die Vorboten und Anfänge des folgenden<lb/> Syſtems ſchon in dieſe Periode fallen. Nach unſern in der Ein-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0018]
Zweites Buch — das ſpezifiſch röm. Rechtsſyſtem.
Wie gelangen wir nun zu dieſem Syſtem? Es iſt zu dem
Zweck faſt durchgehends eine künſtliche Scheidung nöthig, eine
Anwendung jener Methode, die wir in der Einleitung angege-
ben und zu rechtfertigen verſucht haben, und deren Rechtferti-
gung alſo hier nicht erſt zur Frage ſteht. Aus dem, was ſicher
und unzweifelhaft der alten oder der neuen Zeit angehört, ſuchen
wir den verſchiedenen Bauſtyl beider Zeiten kennen zu lernen,
und nach dieſem Bauſtyl beſtimmen wir dann die Stücke, hin-
ſichtlich deren eine ſolche äußere Gewißheit nicht beſteht. Es iſt
ein gewaltiges Gebäude, das wir vor uns haben; wir wiſſen,
daß es zu zwei verſchiedenen Zeiten aufgeführt wurde, und es
kömmt darauf an, den urſprünglichen Bau — die feſte Burg
des strictum jus — unter dem modernen Ueberbau zu erkennen.
Iſt auch mancher Theil deſſelben völlig verändert, niedergeriſſen,
in Trümmer zerfallen: überall ragt doch noch das unverwüſt-
liche Mauerwerk der alten Zeit hervor und macht es uns mög-
lich, den Bauſtyl und den Plan des urſprünglichen Baus zu er-
kennen.
Eine feſte Burg haben wir dies alte Recht genannt, und
dieſer Vergleich mag geeignet ſein, den Eindruck zu bezeichnen,
den es hervorruft. Eckig und ſteif, eng und niedrig wie in den
Burgen des Mittelalters erſcheinen uns die Räume, die wir
dort antreffen, aber um ſo feſter und dauerhafter iſt das Mauer-
werk; was an Bequemlichkeit abging, erſetzte die Sicherheit.
Und wie in jenen Burgen, umfängt uns hier der Geiſt einer
Achtung gebietenden Vergangenheit, die Erinnerung eines ker-
nigen Geſchlechts, wilder, gewaltiger Kraft, und die Geſchichte
ſelbſt wird uns hier erſt recht lebendig und verſtändlich.
Der allmählige Ausbau jenes Syſtems, das Vordringen
deſſelben bis zu ſeinen äußerſten Conſequenzen hat ſich über
mehre Jahrhunderte hingezogen, und manche dieſer Conſequen-
zen mag erſt in der folgenden Periode ins Bewußtſein getreten
ſein, wie umgekehrt die Vorboten und Anfänge des folgenden
Syſtems ſchon in dieſe Periode fallen. Nach unſern in der Ein-
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