Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. §. 32. Andern 221) behauptet und läßt sich noch aus manchen Spurenerkennen. Theils aus der Bedeutung und dem Gebrauch von potestas und manus, Ausdrücken, die gerade die rechtliche Stellung jener Bestandtheile zum Hausherrn betreffen; ihre ursprüngliche gleichmäßige Anwendbarkeit auf alle Arten der Gewalt und die spätere Beschränkung derselben auf einzelne Arten vergegenwärtigt sprachlich dieselbe Erscheinung, die in der ma- teriellen Entwickelung der einzelnen Institute wiederkehrt, näm- lich die Ablösung der einzelnen Gewalten vom gemeinsamen Stamm, das Zerfallen der ursprünglichen Einheit in einzelne besonders gestaltete Herrschaftsverhältnisse. Mit diesem letzten Vorgange, den ich übrigens nicht erst in das gegenwärtige Sy- stem verlege, hörte die hausherrliche Gewalt auf ein juristisch nothwendiger und brauchbarer Begriff zu sein. Wenn auch im Leben die ursprüngliche Anschauung von derselben nicht ganz untergehen mochte, und sich selbst in dem juristischen Ausdruck: homines alieni juris (mit dem das Verhältniß aller haus- unterthänigen Personen zu ihrem Herrn bezeichnet wird) erhal- ten hat, so drängten doch für die juristische Betrachtung die einzelnen Arten den Gattungsbegriff in den Hintergrund. Dies muß um so erklärlicher erscheinen, wenn man bedenkt, daß bei der ursprünglichen Gleichheit ihres Inhalts, doch eine Ver- schiedenheit hinsichtlich der Begründung (Erbeutung, Ge- burt, Kauf) von jeher bei ihnen gegeben war, und daß der Ge- sichtspunkt der Entstehungsweise für die römische Betrach- tungsweise überall von bestimmendem Einfluß gewesen ist. Es weist aber sodann auch die innere Verwandtschaft und 221) z. B. von Christiansen dem Aeltern die Wissenschaft der röm. Rechts-
geschichte B. 1, S. 136 fl. und jetzt auch, wie es scheint ohne Kenntniß sei- nes Vorgängers, von Roßbach, S. 10--41. A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. §. 32. Andern 221) behauptet und läßt ſich noch aus manchen Spurenerkennen. Theils aus der Bedeutung und dem Gebrauch von potestas und manus, Ausdrücken, die gerade die rechtliche Stellung jener Beſtandtheile zum Hausherrn betreffen; ihre urſprüngliche gleichmäßige Anwendbarkeit auf alle Arten der Gewalt und die ſpätere Beſchränkung derſelben auf einzelne Arten vergegenwärtigt ſprachlich dieſelbe Erſcheinung, die in der ma- teriellen Entwickelung der einzelnen Inſtitute wiederkehrt, näm- lich die Ablöſung der einzelnen Gewalten vom gemeinſamen Stamm, das Zerfallen der urſprünglichen Einheit in einzelne beſonders geſtaltete Herrſchaftsverhältniſſe. Mit dieſem letzten Vorgange, den ich übrigens nicht erſt in das gegenwärtige Sy- ſtem verlege, hörte die hausherrliche Gewalt auf ein juriſtiſch nothwendiger und brauchbarer Begriff zu ſein. Wenn auch im Leben die urſprüngliche Anſchauung von derſelben nicht ganz untergehen mochte, und ſich ſelbſt in dem juriſtiſchen Ausdruck: homines alieni juris (mit dem das Verhältniß aller haus- unterthänigen Perſonen zu ihrem Herrn bezeichnet wird) erhal- ten hat, ſo drängten doch für die juriſtiſche Betrachtung die einzelnen Arten den Gattungsbegriff in den Hintergrund. Dies muß um ſo erklärlicher erſcheinen, wenn man bedenkt, daß bei der urſprünglichen Gleichheit ihres Inhalts, doch eine Ver- ſchiedenheit hinſichtlich der Begründung (Erbeutung, Ge- burt, Kauf) von jeher bei ihnen gegeben war, und daß der Ge- ſichtspunkt der Entſtehungsweiſe für die römiſche Betrach- tungsweiſe überall von beſtimmendem Einfluß geweſen iſt. Es weiſt aber ſodann auch die innere Verwandtſchaft und 221) z. B. von Chriſtianſen dem Aeltern die Wiſſenſchaft der röm. Rechts-
geſchichte B. 1, S. 136 fl. und jetzt auch, wie es ſcheint ohne Kenntniß ſei- nes Vorgängers, von Roßbach, S. 10—41. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0183" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. §. 32.</fw><lb/> Andern <note place="foot" n="221)">z. B. von Chriſtianſen dem Aeltern die Wiſſenſchaft der röm. Rechts-<lb/> geſchichte B. 1, S. 136 fl. und jetzt auch, wie es ſcheint ohne Kenntniß ſei-<lb/> nes Vorgängers, von Roßbach, S. 10—41.</note> behauptet und läßt ſich noch aus manchen Spuren<lb/> erkennen. Theils aus der Bedeutung und dem Gebrauch von<lb/><hi rendition="#aq">potestas</hi> und <hi rendition="#aq">manus,</hi> Ausdrücken, die gerade die <hi rendition="#g">rechtliche</hi><lb/> Stellung jener Beſtandtheile zum Hausherrn betreffen; ihre<lb/> urſprüngliche gleichmäßige Anwendbarkeit auf alle Arten der<lb/> Gewalt und die ſpätere Beſchränkung derſelben auf einzelne Arten<lb/> vergegenwärtigt ſprachlich dieſelbe Erſcheinung, die in der ma-<lb/> teriellen Entwickelung der einzelnen Inſtitute wiederkehrt, näm-<lb/> lich die Ablöſung der einzelnen Gewalten vom gemeinſamen<lb/> Stamm, das Zerfallen der urſprünglichen Einheit in einzelne<lb/> beſonders geſtaltete Herrſchaftsverhältniſſe. Mit dieſem letzten<lb/> Vorgange, den ich übrigens nicht erſt in das gegenwärtige Sy-<lb/> ſtem verlege, hörte die hausherrliche Gewalt auf ein juriſtiſch<lb/> nothwendiger und brauchbarer Begriff zu ſein. Wenn auch im<lb/> Leben die urſprüngliche Anſchauung von derſelben nicht ganz<lb/> untergehen mochte, und ſich ſelbſt in dem juriſtiſchen Ausdruck:<lb/><hi rendition="#aq">homines alieni juris</hi> (mit dem das Verhältniß <hi rendition="#g">aller</hi> haus-<lb/> unterthänigen Perſonen zu ihrem Herrn bezeichnet wird) erhal-<lb/> ten hat, ſo drängten doch für die <hi rendition="#g">juriſtiſche</hi> Betrachtung die<lb/> einzelnen Arten den Gattungsbegriff in den Hintergrund. Dies<lb/> muß um ſo erklärlicher erſcheinen, wenn man bedenkt, daß bei<lb/> der urſprünglichen Gleichheit ihres <hi rendition="#g">Inhalts</hi>, doch eine Ver-<lb/> ſchiedenheit hinſichtlich der <hi rendition="#g">Begründung</hi> (Erbeutung, Ge-<lb/> burt, Kauf) von jeher bei ihnen gegeben war, und daß der Ge-<lb/> ſichtspunkt der <hi rendition="#g">Entſtehungsweiſe</hi> für die römiſche Betrach-<lb/> tungsweiſe überall von beſtimmendem Einfluß geweſen iſt.</p><lb/> <p>Es weiſt aber ſodann auch die innere Verwandtſchaft und<lb/> die ſpätere Geſchichte der einzelnen Gewalten auf eine urſprüng-<lb/> liche Einheit derſelben hin. Die innere Verwandtſchaft — denn<lb/> es iſt überall derſelbe Grundbegriff, der ſich in ihnen abſpiegelt,<lb/> nur nach Verſchiedenheit des Gegenſtandes etwas verſchieden<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [169/0183]
A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. §. 32.
Andern 221) behauptet und läßt ſich noch aus manchen Spuren
erkennen. Theils aus der Bedeutung und dem Gebrauch von
potestas und manus, Ausdrücken, die gerade die rechtliche
Stellung jener Beſtandtheile zum Hausherrn betreffen; ihre
urſprüngliche gleichmäßige Anwendbarkeit auf alle Arten der
Gewalt und die ſpätere Beſchränkung derſelben auf einzelne Arten
vergegenwärtigt ſprachlich dieſelbe Erſcheinung, die in der ma-
teriellen Entwickelung der einzelnen Inſtitute wiederkehrt, näm-
lich die Ablöſung der einzelnen Gewalten vom gemeinſamen
Stamm, das Zerfallen der urſprünglichen Einheit in einzelne
beſonders geſtaltete Herrſchaftsverhältniſſe. Mit dieſem letzten
Vorgange, den ich übrigens nicht erſt in das gegenwärtige Sy-
ſtem verlege, hörte die hausherrliche Gewalt auf ein juriſtiſch
nothwendiger und brauchbarer Begriff zu ſein. Wenn auch im
Leben die urſprüngliche Anſchauung von derſelben nicht ganz
untergehen mochte, und ſich ſelbſt in dem juriſtiſchen Ausdruck:
homines alieni juris (mit dem das Verhältniß aller haus-
unterthänigen Perſonen zu ihrem Herrn bezeichnet wird) erhal-
ten hat, ſo drängten doch für die juriſtiſche Betrachtung die
einzelnen Arten den Gattungsbegriff in den Hintergrund. Dies
muß um ſo erklärlicher erſcheinen, wenn man bedenkt, daß bei
der urſprünglichen Gleichheit ihres Inhalts, doch eine Ver-
ſchiedenheit hinſichtlich der Begründung (Erbeutung, Ge-
burt, Kauf) von jeher bei ihnen gegeben war, und daß der Ge-
ſichtspunkt der Entſtehungsweiſe für die römiſche Betrach-
tungsweiſe überall von beſtimmendem Einfluß geweſen iſt.
Es weiſt aber ſodann auch die innere Verwandtſchaft und
die ſpätere Geſchichte der einzelnen Gewalten auf eine urſprüng-
liche Einheit derſelben hin. Die innere Verwandtſchaft — denn
es iſt überall derſelbe Grundbegriff, der ſich in ihnen abſpiegelt,
nur nach Verſchiedenheit des Gegenſtandes etwas verſchieden
221) z. B. von Chriſtianſen dem Aeltern die Wiſſenſchaft der röm. Rechts-
geſchichte B. 1, S. 136 fl. und jetzt auch, wie es ſcheint ohne Kenntniß ſei-
nes Vorgängers, von Roßbach, S. 10—41.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |