Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. Vorwurf nichts gemein, denn gerade hierin bethätigte sich nichtein Verkennen der Pflichten des Vaters, sondern umgekehrt eine sittlich ernste Erfassung seines wahren Berufes. Von wie heilsamen Folgen es für den Staat war, daß in der Familie eine strenge Disciplin herrschte, daß bereits hier eine Gewöh- nung an Ordnung, Gehorsam u. s. w. begann, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Wäre das römische Haus der Schau- platz der Willkühr und Ungerechtigkeit gewesen, es hätten nicht die gerade entgegengesetzten Tugenden daraus hervorgehen können. Daß die patr. pot. nicht dazu da sei, um die Kinder zu ty- 324) Liv. I. 9: nihil carius humano generi. Ueber den Geist, in
dem sie zu handhaben ist, s. L. 5 de leg. Pomp. de parr. (48. 9) .. patria potestas in pietate debet, non in atrocitate consistere. Te- rent. Adel. I. sc. 1. Ueber die faktische Stellung der Kinder in vermö- gensrechtlicher Beziehung L. 11 de lib. et posth. (28. 2). In suis here- dibus evidentius apparet, continuationem dominii eo rem per- ducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi do- mini essent, qui etiam vivo patre quodammodo domini existiman- tur ... Itaque post mortem patris non hereditatem percipere videntur, sed magis liberam bonorum administrationem consequun- tur. Boeth. zu Cicero Top. c. 4 (Orelli p. 303) quare quoniam quod ex dote conquiritur, liberorum est, qui in patria potestate A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32. Vorwurf nichts gemein, denn gerade hierin bethätigte ſich nichtein Verkennen der Pflichten des Vaters, ſondern umgekehrt eine ſittlich ernſte Erfaſſung ſeines wahren Berufes. Von wie heilſamen Folgen es für den Staat war, daß in der Familie eine ſtrenge Disciplin herrſchte, daß bereits hier eine Gewöh- nung an Ordnung, Gehorſam u. ſ. w. begann, darüber brauche ich kein Wort zu verlieren. Wäre das römiſche Haus der Schau- platz der Willkühr und Ungerechtigkeit geweſen, es hätten nicht die gerade entgegengeſetzten Tugenden daraus hervorgehen können. Daß die patr. pot. nicht dazu da ſei, um die Kinder zu ty- 324) Liv. I. 9: nihil carius humano generi. Ueber den Geiſt, in
dem ſie zu handhaben iſt, ſ. L. 5 de leg. Pomp. de parr. (48. 9) .. patria potestas in pietate debet, non in atrocitate consistere. Te- rent. Adel. I. sc. 1. Ueber die faktiſche Stellung der Kinder in vermö- gensrechtlicher Beziehung L. 11 de lib. et posth. (28. 2). In suis here- dibus evidentius apparet, continuationem dominii eo rem per- ducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi do- mini essent, qui etiam vivo patre quodammodo domini existiman- tur … Itaque post mortem patris non hereditatem percipere videntur, sed magis liberam bonorum administrationem consequun- tur. Boeth. zu Cicero Top. c. 4 (Orelli p. 303) quare quoniam quod ex dote conquiritur, liberorum est, qui in patria potestate <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0229" n="215"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">A.</hi> Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.</fw><lb/> Vorwurf nichts gemein, denn gerade hierin bethätigte ſich nicht<lb/> ein Verkennen der Pflichten des Vaters, ſondern umgekehrt<lb/> eine ſittlich ernſte Erfaſſung ſeines wahren Berufes. Von wie<lb/> heilſamen Folgen es für den Staat war, daß in der Familie<lb/> eine ſtrenge Disciplin herrſchte, daß bereits hier eine Gewöh-<lb/> nung an Ordnung, Gehorſam u. ſ. w. begann, darüber brauche<lb/> ich kein Wort zu verlieren. Wäre das römiſche Haus der Schau-<lb/> platz der Willkühr und Ungerechtigkeit geweſen, es hätten nicht die<lb/> gerade entgegengeſetzten Tugenden daraus hervorgehen können.</p><lb/> <p>Daß die <hi rendition="#aq">patr. pot.</hi> nicht dazu da ſei, um die Kinder zu ty-<lb/> ranniſiren, daß die Liebe das belebende Prinzip des Verhält-<lb/> niſſes ſei, daß der Vater eine Erziehung<hi rendition="#g">spflicht</hi> habe u. ſ. w.,<lb/> alles das ſollen die Römer ſich verhehlt haben, weil in ihren<lb/><hi rendition="#g">Geſetzen</hi> nichts darüber zu finden? Das römiſche Volk<lb/> müßte ja eine moraliſche Abnormität geweſen ſein, wenn man<lb/> das für möglich hält. Wäre die <hi rendition="#aq">patr. pot.</hi> in Wirklichkeit eine<lb/> Herrſchaft der Willkühr geweſen: wer hätte ſich arrogiren laſſen,<lb/> freiwillig ſeine Unabhängigkeit und Selbſtändigkeit gegen das<lb/> Loos eines Sklaven vertauſchen mögen? Zum Ueberfluß ſollen<lb/> in der Note einige Zeugniſſe mitgetheilt werden, aus denen<lb/> ſich ergibt, wie die Römer ſelbſt über das Verhältniß dachten,<lb/> und was die juriſtiſche Unſelbſtändigkeit der Kinder <hi rendition="#g">faktiſch</hi><lb/> zu bedeuten hatte. <note xml:id="seg2pn_32_1" next="#seg2pn_32_2" place="foot" n="324)"><hi rendition="#aq">Liv. I. 9: nihil carius humano generi.</hi> Ueber den Geiſt, in<lb/> dem ſie zu handhaben iſt, ſ. <hi rendition="#aq">L. 5 de leg. Pomp. de parr. (48. 9) ..<lb/> patria potestas in pietate debet, non in atrocitate consistere. Te-<lb/> rent. Adel. I. sc.</hi> 1. Ueber die faktiſche Stellung der Kinder in vermö-<lb/> gensrechtlicher Beziehung <hi rendition="#aq">L. 11 de lib. et posth. (28. 2). In suis here-<lb/> dibus evidentius apparet, <hi rendition="#g">continuationem dominii</hi> eo rem per-<lb/> ducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, <hi rendition="#g">quasi olim hi do-<lb/> mini essent</hi>, qui etiam vivo patre quodammodo domini existiman-<lb/> tur … Itaque post mortem patris non hereditatem percipere videntur,<lb/> sed <hi rendition="#g">magis liberam bonorum administrationem</hi> consequun-<lb/> tur. Boeth.</hi> zu <hi rendition="#aq">Cicero Top. c. 4 (Orelli p. 303) quare quoniam quod ex<lb/> dote conquiritur, <hi rendition="#g">liberorum est, qui in patria potestate</hi></hi></note></p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0229]
A. Stellung des Indiv. Hausherrl. Gewalt. Das Familienleben. §. 32.
Vorwurf nichts gemein, denn gerade hierin bethätigte ſich nicht
ein Verkennen der Pflichten des Vaters, ſondern umgekehrt
eine ſittlich ernſte Erfaſſung ſeines wahren Berufes. Von wie
heilſamen Folgen es für den Staat war, daß in der Familie
eine ſtrenge Disciplin herrſchte, daß bereits hier eine Gewöh-
nung an Ordnung, Gehorſam u. ſ. w. begann, darüber brauche
ich kein Wort zu verlieren. Wäre das römiſche Haus der Schau-
platz der Willkühr und Ungerechtigkeit geweſen, es hätten nicht die
gerade entgegengeſetzten Tugenden daraus hervorgehen können.
Daß die patr. pot. nicht dazu da ſei, um die Kinder zu ty-
ranniſiren, daß die Liebe das belebende Prinzip des Verhält-
niſſes ſei, daß der Vater eine Erziehungspflicht habe u. ſ. w.,
alles das ſollen die Römer ſich verhehlt haben, weil in ihren
Geſetzen nichts darüber zu finden? Das römiſche Volk
müßte ja eine moraliſche Abnormität geweſen ſein, wenn man
das für möglich hält. Wäre die patr. pot. in Wirklichkeit eine
Herrſchaft der Willkühr geweſen: wer hätte ſich arrogiren laſſen,
freiwillig ſeine Unabhängigkeit und Selbſtändigkeit gegen das
Loos eines Sklaven vertauſchen mögen? Zum Ueberfluß ſollen
in der Note einige Zeugniſſe mitgetheilt werden, aus denen
ſich ergibt, wie die Römer ſelbſt über das Verhältniß dachten,
und was die juriſtiſche Unſelbſtändigkeit der Kinder faktiſch
zu bedeuten hatte. 324)
324) Liv. I. 9: nihil carius humano generi. Ueber den Geiſt, in
dem ſie zu handhaben iſt, ſ. L. 5 de leg. Pomp. de parr. (48. 9) ..
patria potestas in pietate debet, non in atrocitate consistere. Te-
rent. Adel. I. sc. 1. Ueber die faktiſche Stellung der Kinder in vermö-
gensrechtlicher Beziehung L. 11 de lib. et posth. (28. 2). In suis here-
dibus evidentius apparet, continuationem dominii eo rem per-
ducere, ut nulla videatur hereditas fuisse, quasi olim hi do-
mini essent, qui etiam vivo patre quodammodo domini existiman-
tur … Itaque post mortem patris non hereditatem percipere videntur,
sed magis liberam bonorum administrationem consequun-
tur. Boeth. zu Cicero Top. c. 4 (Orelli p. 303) quare quoniam quod ex
dote conquiritur, liberorum est, qui in patria potestate
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |