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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33.
desselben zu verstattende freie Bewegung. Die abstracte Frei-
heit des Subjekts findet also an der in dem einzelnen Institut
enthaltenen objektiven Freiheit ihr Ziel und Maß vor, eine
Bahn, die sie einhalten muß und soll, damit sie nicht mit sich
selbst in Widerspruch gerathe; die Freiheitstheorie der einzelnen
Institute ließe sich als die Disciplin des abstracten Freiheits-
gefühls charakterisiren. Dispositionen, die dem Zweck des In-
stituts widerstreiten, sind daher nichtig und unwirksam.

An der gegenwärtigen Stelle können wir diesen Gesichts-
punkt nicht nach seiner ganzen Ausdehnung verfolgen,340) son-
dern nur nach einer ganz bestimmten Seite hin, nämlich rücksicht-
lich der Unwirksamkeit von Verträgen und Dispositionen, durch
die das Freiheitselement des einzelnen Instituts dahin gegeben
werden soll, bei denen also die subjektive Freiheit des Disponen-
ten mit der objektiven Freiheit des Instituts in Conflikt geräth.

Wir wollen jetzt diese Beschränkung des subjektiven Willens
an den einzelnen Instituten nachweisen. Zuerst an der persön-
lichen Freiheit selbst.

Daß die vertragsmäßige Aufgabe der Freiheit nach römi-
schem Recht unmöglich ist, darf ich als bekannt voraussetzen.
Zur Strafe konnte die Freiheit verloren gehen z. B. für den
Dieb, den insolventen Schuldner u. s. w., aber ein Verzicht
auf dieselbe, ein Vertrag, wodurch Jemand sich zum Sklaven
eines Andern machen wollte, war nach römischem Recht undenk-
bar.341)

Wie weit war eine Beschränkung der persönlichen Frei-
heit möglich? Jede Obligation enthält eine Belastung der Per-
son. Hätten die Römer nun die ihnen mitunter angedichtete

340) Was wir hier übergehen und bei einer andern Gelegenheit nachho-
len wollen, ist die Beschränkung des Willens durch das logische Element
der Institute.
341) Es ließe sich etwa das auctoramentum als Ausnahme anführen,
allein welche nähere Bewandniß es damit hatte (Schulting Jurisp. antiq. No-
ten zur Collatio leg. mos. tit. IV. §. 3, IX. §. 52) ist mir wenigstens nicht klar.
Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. 15

A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33.
deſſelben zu verſtattende freie Bewegung. Die abſtracte Frei-
heit des Subjekts findet alſo an der in dem einzelnen Inſtitut
enthaltenen objektiven Freiheit ihr Ziel und Maß vor, eine
Bahn, die ſie einhalten muß und ſoll, damit ſie nicht mit ſich
ſelbſt in Widerſpruch gerathe; die Freiheitstheorie der einzelnen
Inſtitute ließe ſich als die Disciplin des abſtracten Freiheits-
gefühls charakteriſiren. Dispoſitionen, die dem Zweck des In-
ſtituts widerſtreiten, ſind daher nichtig und unwirkſam.

An der gegenwärtigen Stelle können wir dieſen Geſichts-
punkt nicht nach ſeiner ganzen Ausdehnung verfolgen,340) ſon-
dern nur nach einer ganz beſtimmten Seite hin, nämlich rückſicht-
lich der Unwirkſamkeit von Verträgen und Dispoſitionen, durch
die das Freiheitselement des einzelnen Inſtituts dahin gegeben
werden ſoll, bei denen alſo die ſubjektive Freiheit des Disponen-
ten mit der objektiven Freiheit des Inſtituts in Conflikt geräth.

Wir wollen jetzt dieſe Beſchränkung des ſubjektiven Willens
an den einzelnen Inſtituten nachweiſen. Zuerſt an der perſön-
lichen Freiheit ſelbſt.

Daß die vertragsmäßige Aufgabe der Freiheit nach römi-
ſchem Recht unmöglich iſt, darf ich als bekannt vorausſetzen.
Zur Strafe konnte die Freiheit verloren gehen z. B. für den
Dieb, den inſolventen Schuldner u. ſ. w., aber ein Verzicht
auf dieſelbe, ein Vertrag, wodurch Jemand ſich zum Sklaven
eines Andern machen wollte, war nach römiſchem Recht undenk-
bar.341)

Wie weit war eine Beſchränkung der perſönlichen Frei-
heit möglich? Jede Obligation enthält eine Belaſtung der Per-
ſon. Hätten die Römer nun die ihnen mitunter angedichtete

340) Was wir hier übergehen und bei einer andern Gelegenheit nachho-
len wollen, iſt die Beſchränkung des Willens durch das logiſche Element
der Inſtitute.
341) Es ließe ſich etwa das auctoramentum als Ausnahme anführen,
allein welche nähere Bewandniß es damit hatte (Schulting Jurisp. antiq. No-
ten zur Collatio leg. mos. tit. IV. §. 3, IX. §. 52) iſt mir wenigſtens nicht klar.
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[225/0239] A. Stellung des Indiv. Die Freiheit eine Schranke der Willkühr. §. 33. deſſelben zu verſtattende freie Bewegung. Die abſtracte Frei- heit des Subjekts findet alſo an der in dem einzelnen Inſtitut enthaltenen objektiven Freiheit ihr Ziel und Maß vor, eine Bahn, die ſie einhalten muß und ſoll, damit ſie nicht mit ſich ſelbſt in Widerſpruch gerathe; die Freiheitstheorie der einzelnen Inſtitute ließe ſich als die Disciplin des abſtracten Freiheits- gefühls charakteriſiren. Dispoſitionen, die dem Zweck des In- ſtituts widerſtreiten, ſind daher nichtig und unwirkſam. An der gegenwärtigen Stelle können wir dieſen Geſichts- punkt nicht nach ſeiner ganzen Ausdehnung verfolgen, 340) ſon- dern nur nach einer ganz beſtimmten Seite hin, nämlich rückſicht- lich der Unwirkſamkeit von Verträgen und Dispoſitionen, durch die das Freiheitselement des einzelnen Inſtituts dahin gegeben werden ſoll, bei denen alſo die ſubjektive Freiheit des Disponen- ten mit der objektiven Freiheit des Inſtituts in Conflikt geräth. Wir wollen jetzt dieſe Beſchränkung des ſubjektiven Willens an den einzelnen Inſtituten nachweiſen. Zuerſt an der perſön- lichen Freiheit ſelbſt. Daß die vertragsmäßige Aufgabe der Freiheit nach römi- ſchem Recht unmöglich iſt, darf ich als bekannt vorausſetzen. Zur Strafe konnte die Freiheit verloren gehen z. B. für den Dieb, den inſolventen Schuldner u. ſ. w., aber ein Verzicht auf dieſelbe, ein Vertrag, wodurch Jemand ſich zum Sklaven eines Andern machen wollte, war nach römiſchem Recht undenk- bar. 341) Wie weit war eine Beſchränkung der perſönlichen Frei- heit möglich? Jede Obligation enthält eine Belaſtung der Per- ſon. Hätten die Römer nun die ihnen mitunter angedichtete 340) Was wir hier übergehen und bei einer andern Gelegenheit nachho- len wollen, iſt die Beſchränkung des Willens durch das logiſche Element der Inſtitute. 341) Es ließe ſich etwa das auctoramentum als Ausnahme anführen, allein welche nähere Bewandniß es damit hatte (Schulting Jurisp. antiq. No- ten zur Collatio leg. mos. tit. IV. §. 3, IX. §. 52) iſt mir wenigſtens nicht klar. Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. 15

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/239>, abgerufen am 21.11.2024.