Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Die Freiheit des Erbrechts besteht in dem Recht der Eins der interessantesten Beispiele bietet das Eigenthum,354) machten Gründe anbetrifft, so wird man, wenn man weiß, was die Römer unter fides verstanden (ich erinnere an fideicommissa d. h. ins Gewissen geschobene, also rechtlich nicht verbindende Auflagen) in der Stelle aus Festus: consponsos antiqui dicebant fide mutua colligatos nur die zu- treffende Charakteristik des Verhältnisses als eines rein moralischen er- blicken, es aber schwer begreifen können, wie ein namhafter neuerer Rechts- historiker in der fides mutua eine Andeutung von gegenseitigen Stipulationen hat finden wollen. -- Einer Exception bedurfte es im ältern Recht gegen eine angebliche act. ex sponsu ebenso wenig, wie gegen jede Klage, die ipso jure nicht begründet war. Gegen die Einklagung der Conventionalstrafe sichert freilich Paulus den Vater in der L. 134 pr. de V. O. (45. 1) durch eine exceptio. Daß aber eine stipulatio contra bonos mores (und eine solche nimmt Paulus hier an) nur auf diesem Wege hätte entkräftet werden können (unter dieser Voraussetzung also im ältern Recht nicht, Gai. IV. §. 108) ist bekanntlich unrichtig, ja in der Regel wird sie geradezu als nichtig erklärt (ein Beispiel aus dem Eherecht s. in L. 19 ibid.), und schwerlich wird man doch sich zu der Annahme entschließen, daß das ältere Recht alle Stipula- tionen einer Conventionalpön ohne Unterschied ihrer Tendenz für gültig er- klärt habe. 352) Ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae supremum exitum. L. 4 de adim. leg. (34. 4). 353) L. 34 Cod. de transact. (2. 4). L. 4 Cod. de inut. stip. (8. 39). L. 15 Cod. de pact. (2. 3) .. libertatem testamenti faciendi. L. 61 de V. O. (45. 1). L. 17 pr. ad Sc. Trebell. (36. 1). Eingehung einer Societät zu diesem Zweck L. 52 §. 9 pro socio (17. 2). Verträge, wo- durch Jemand für den Fall, daß ihm eine Erbschaft anfallen sollte, sich zur Annahme oder Ausschlagung derselben im voraus verpflichtet, sind gleichfalls ungültig, L. 4 Cod. de inut. stip. (8. 39). L. 3 Cod. de collat. (6. 20). L. 16 de suis et leg. (38. 16), aber ob der Gesichtspunkt, daß die Freiheit des Entschlusses dem berufenen Erben nicht verkümmert werden dürfe, hier der entscheidende war, lasse ich dahin gestellt. 354) Auch aus dem Besitz läßt sich eins anführen, L. 12 de precar.
(43. 26): Cum precario aliquid datur, si convenit, ut in Calendas Julias Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Die Freiheit des Erbrechts beſteht in dem Recht der Eins der intereſſanteſten Beiſpiele bietet das Eigenthum,354) machten Gründe anbetrifft, ſo wird man, wenn man weiß, was die Römer unter fides verſtanden (ich erinnere an fideicommissa d. h. ins Gewiſſen geſchobene, alſo rechtlich nicht verbindende Auflagen) in der Stelle aus Feſtus: consponsos antiqui dicebant fide mutua colligatos nur die zu- treffende Charakteriſtik des Verhältniſſes als eines rein moraliſchen er- blicken, es aber ſchwer begreifen können, wie ein namhafter neuerer Rechts- hiſtoriker in der fides mutua eine Andeutung von gegenſeitigen Stipulationen hat finden wollen. — Einer Exception bedurfte es im ältern Recht gegen eine angebliche act. ex sponsu ebenſo wenig, wie gegen jede Klage, die ipso jure nicht begründet war. Gegen die Einklagung der Conventionalſtrafe ſichert freilich Paulus den Vater in der L. 134 pr. de V. O. (45. 1) durch eine exceptio. Daß aber eine stipulatio contra bonos mores (und eine ſolche nimmt Paulus hier an) nur auf dieſem Wege hätte entkräftet werden können (unter dieſer Vorausſetzung alſo im ältern Recht nicht, Gai. IV. §. 108) iſt bekanntlich unrichtig, ja in der Regel wird ſie geradezu als nichtig erklärt (ein Beiſpiel aus dem Eherecht ſ. in L. 19 ibid.), und ſchwerlich wird man doch ſich zu der Annahme entſchließen, daß das ältere Recht alle Stipula- tionen einer Conventionalpön ohne Unterſchied ihrer Tendenz für gültig er- klärt habe. 352) Ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae supremum exitum. L. 4 de adim. leg. (34. 4). 353) L. 34 Cod. de transact. (2. 4). L. 4 Cod. de inut. stip. (8. 39). L. 15 Cod. de pact. (2. 3) .. libertatem testamenti faciendi. L. 61 de V. O. (45. 1). L. 17 pr. ad Sc. Trebell. (36. 1). Eingehung einer Societät zu dieſem Zweck L. 52 §. 9 pro socio (17. 2). Verträge, wo- durch Jemand für den Fall, daß ihm eine Erbſchaft anfallen ſollte, ſich zur Annahme oder Ausſchlagung derſelben im voraus verpflichtet, ſind gleichfalls ungültig, L. 4 Cod. de inut. stip. (8. 39). L. 3 Cod. de collat. (6. 20). L. 16 de suis et leg. (38. 16), aber ob der Geſichtspunkt, daß die Freiheit des Entſchluſſes dem berufenen Erben nicht verkümmert werden dürfe, hier der entſcheidende war, laſſe ich dahin geſtellt. 354) Auch aus dem Beſitz läßt ſich eins anführen, L. 12 de precar.
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Die Freiheit des Erbrechts beſteht in dem Recht der
beliebigen Errichtung oder Aenderung letztwilliger Dispoſitio-
nen. 352) Alle Verträge oder Aenderungen, welche zum Zweck
hatten, dieſes Recht zu entziehen oder zu verkümmern, waren
nichtig. 353)
Eins der intereſſanteſten Beiſpiele bietet das Eigenthum, 354)
351)
352) Ambulatoria est voluntas defuncti usque ad vitae supremum
exitum. L. 4 de adim. leg. (34. 4).
353) L. 34 Cod. de transact. (2. 4). L. 4 Cod. de inut. stip. (8. 39).
L. 15 Cod. de pact. (2. 3) .. libertatem testamenti faciendi. L. 61
de V. O. (45. 1). L. 17 pr. ad Sc. Trebell. (36. 1). Eingehung einer
Societät zu dieſem Zweck L. 52 §. 9 pro socio (17. 2). Verträge, wo-
durch Jemand für den Fall, daß ihm eine Erbſchaft anfallen ſollte, ſich zur
Annahme oder Ausſchlagung derſelben im voraus verpflichtet, ſind gleichfalls
ungültig, L. 4 Cod. de inut. stip. (8. 39). L. 3 Cod. de collat. (6. 20).
L. 16 de suis et leg. (38. 16), aber ob der Geſichtspunkt, daß die Freiheit
des Entſchluſſes dem berufenen Erben nicht verkümmert werden dürfe, hier
der entſcheidende war, laſſe ich dahin geſtellt.
354) Auch aus dem Beſitz läßt ſich eins anführen, L. 12 de precar.
(43. 26): Cum precario aliquid datur, si convenit, ut in Calendas Julias
351) machten Gründe anbetrifft, ſo wird man, wenn man weiß, was die Römer
unter fides verſtanden (ich erinnere an fideicommissa d. h. ins Gewiſſen
geſchobene, alſo rechtlich nicht verbindende Auflagen) in der Stelle aus
Feſtus: consponsos antiqui dicebant fide mutua colligatos nur die zu-
treffende Charakteriſtik des Verhältniſſes als eines rein moraliſchen er-
blicken, es aber ſchwer begreifen können, wie ein namhafter neuerer Rechts-
hiſtoriker in der fides mutua eine Andeutung von gegenſeitigen Stipulationen
hat finden wollen. — Einer Exception bedurfte es im ältern Recht gegen
eine angebliche act. ex sponsu ebenſo wenig, wie gegen jede Klage, die
ipso jure nicht begründet war. Gegen die Einklagung der Conventionalſtrafe
ſichert freilich Paulus den Vater in der L. 134 pr. de V. O. (45. 1) durch
eine exceptio. Daß aber eine stipulatio contra bonos mores (und eine
ſolche nimmt Paulus hier an) nur auf dieſem Wege hätte entkräftet werden
können (unter dieſer Vorausſetzung alſo im ältern Recht nicht, Gai. IV. §. 108)
iſt bekanntlich unrichtig, ja in der Regel wird ſie geradezu als nichtig erklärt
(ein Beiſpiel aus dem Eherecht ſ. in L. 19 ibid.), und ſchwerlich wird man
doch ſich zu der Annahme entſchließen, daß das ältere Recht alle Stipula-
tionen einer Conventionalpön ohne Unterſchied ihrer Tendenz für gültig er-
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