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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Grundbesitzes (500 Jugera) und des Viehstandes (100 Stück
Großvieh, 500 Kleinvieh) festsetzte, war für die eigentliche Kar-
dinalfrage gleichfalls gleichgültig. Ein Gut von jenem Umfang
war ein großes in unserm Sinn, 372) an einer Ausdehnung des-
selben über diese Gränze hinaus lag nicht viel. Die Maßregel
konnte schließlich nur dem großen Grundbesitz zu gute kommen,
denn wenn auch alles überschüssige Land ursprünglich in kleinen
Parcellen an ärmere Leute verkauft worden wäre, so mußte das-
selbe nach dem oben entwickelten Gesetz zum größten Theil bald
wieder zu größeren Complexen von 500 Jugera zusammenschie-
ßen. Das einzige also, was die lex Licinia durch diese Be-
stimmung wirklich erreichte, war der Erfolg, daß sie die Zahl
der großen Grundbesitzer vermehrte, im Interesse der wohl-
habenden
Klasse die Millionäre verhinderte, ihr Vermögen in
Grundbesitz anzulegen. Uebrigens stieß es schon von Anfang an
auf so heftigen Widerspruch, daß es nicht einmal seine be-
schränkten Intentionen erreichte. 373)

Den Gefahren, die aus der Verdrängung oder der beträcht-
lichen Verminderung des freien Bauernstandes erwachsen muß-
ten, hätte man begegnen können, wenn man denselben als Päch-
terstand wieder an den Grund und Boden gefesselt hätte. Allein
das System der Verpachtung der Güter in kleinen Parcellen, 374)
wie es z. B. in England besteht, war hier den Verhältnissen we-
niger entsprechend. Dieselben Gründe, die die Lage des kleinen

Der große Grundbesitzer, den vorzugsweise die Last der Kriegsführung traf,
wäre durch den kleinen total ruinirt worden, wenn er nicht durch das Institut
der Leibeigenschaft und das Verpachtungssystem und andere Mittel das Gleich-
gewicht wieder hergestellt hätte.
372) d. h. auf Sklavenwirthschaft angewiesen. Das normale Maß des
kleinen Grundbesitzes war bekanntlich 7 Jugera, in den ältesten Zeiten sogar
nur 2.
373) Appian. I, 8.
374) Ueber die verschiedenen Pachtsysteme, die zur Zeit der Republik vor-
kamen, s. K. W. Nitzsch die Gracchen und ihre nächsten Vorgänger. Berl.
1847. S. 188--190.

Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Grundbeſitzes (500 Jugera) und des Viehſtandes (100 Stück
Großvieh, 500 Kleinvieh) feſtſetzte, war für die eigentliche Kar-
dinalfrage gleichfalls gleichgültig. Ein Gut von jenem Umfang
war ein großes in unſerm Sinn, 372) an einer Ausdehnung deſ-
ſelben über dieſe Gränze hinaus lag nicht viel. Die Maßregel
konnte ſchließlich nur dem großen Grundbeſitz zu gute kommen,
denn wenn auch alles überſchüſſige Land urſprünglich in kleinen
Parcellen an ärmere Leute verkauft worden wäre, ſo mußte das-
ſelbe nach dem oben entwickelten Geſetz zum größten Theil bald
wieder zu größeren Complexen von 500 Jugera zuſammenſchie-
ßen. Das einzige alſo, was die lex Licinia durch dieſe Be-
ſtimmung wirklich erreichte, war der Erfolg, daß ſie die Zahl
der großen Grundbeſitzer vermehrte, im Intereſſe der wohl-
habenden
Klaſſe die Millionäre verhinderte, ihr Vermögen in
Grundbeſitz anzulegen. Uebrigens ſtieß es ſchon von Anfang an
auf ſo heftigen Widerſpruch, daß es nicht einmal ſeine be-
ſchränkten Intentionen erreichte. 373)

Den Gefahren, die aus der Verdrängung oder der beträcht-
lichen Verminderung des freien Bauernſtandes erwachſen muß-
ten, hätte man begegnen können, wenn man denſelben als Päch-
terſtand wieder an den Grund und Boden gefeſſelt hätte. Allein
das Syſtem der Verpachtung der Güter in kleinen Parcellen, 374)
wie es z. B. in England beſteht, war hier den Verhältniſſen we-
niger entſprechend. Dieſelben Gründe, die die Lage des kleinen

Der große Grundbeſitzer, den vorzugsweiſe die Laſt der Kriegsführung traf,
wäre durch den kleinen total ruinirt worden, wenn er nicht durch das Inſtitut
der Leibeigenſchaft und das Verpachtungsſyſtem und andere Mittel das Gleich-
gewicht wieder hergeſtellt hätte.
372) d. h. auf Sklavenwirthſchaft angewieſen. Das normale Maß des
kleinen Grundbeſitzes war bekanntlich 7 Jugera, in den älteſten Zeiten ſogar
nur 2.
373) Appian. I, 8.
374) Ueber die verſchiedenen Pachtſyſteme, die zur Zeit der Republik vor-
kamen, ſ. K. W. Nitzſch die Gracchen und ihre nächſten Vorgänger. Berl.
1847. S. 188—190.
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[248/0262] Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Grundbeſitzes (500 Jugera) und des Viehſtandes (100 Stück Großvieh, 500 Kleinvieh) feſtſetzte, war für die eigentliche Kar- dinalfrage gleichfalls gleichgültig. Ein Gut von jenem Umfang war ein großes in unſerm Sinn, 372) an einer Ausdehnung deſ- ſelben über dieſe Gränze hinaus lag nicht viel. Die Maßregel konnte ſchließlich nur dem großen Grundbeſitz zu gute kommen, denn wenn auch alles überſchüſſige Land urſprünglich in kleinen Parcellen an ärmere Leute verkauft worden wäre, ſo mußte das- ſelbe nach dem oben entwickelten Geſetz zum größten Theil bald wieder zu größeren Complexen von 500 Jugera zuſammenſchie- ßen. Das einzige alſo, was die lex Licinia durch dieſe Be- ſtimmung wirklich erreichte, war der Erfolg, daß ſie die Zahl der großen Grundbeſitzer vermehrte, im Intereſſe der wohl- habenden Klaſſe die Millionäre verhinderte, ihr Vermögen in Grundbeſitz anzulegen. Uebrigens ſtieß es ſchon von Anfang an auf ſo heftigen Widerſpruch, daß es nicht einmal ſeine be- ſchränkten Intentionen erreichte. 373) Den Gefahren, die aus der Verdrängung oder der beträcht- lichen Verminderung des freien Bauernſtandes erwachſen muß- ten, hätte man begegnen können, wenn man denſelben als Päch- terſtand wieder an den Grund und Boden gefeſſelt hätte. Allein das Syſtem der Verpachtung der Güter in kleinen Parcellen, 374) wie es z. B. in England beſteht, war hier den Verhältniſſen we- niger entſprechend. Dieſelben Gründe, die die Lage des kleinen 371) 372) d. h. auf Sklavenwirthſchaft angewieſen. Das normale Maß des kleinen Grundbeſitzes war bekanntlich 7 Jugera, in den älteſten Zeiten ſogar nur 2. 373) Appian. I, 8. 374) Ueber die verſchiedenen Pachtſyſteme, die zur Zeit der Republik vor- kamen, ſ. K. W. Nitzſch die Gracchen und ihre nächſten Vorgänger. Berl. 1847. S. 188—190. 371) Der große Grundbeſitzer, den vorzugsweiſe die Laſt der Kriegsführung traf, wäre durch den kleinen total ruinirt worden, wenn er nicht durch das Inſtitut der Leibeigenſchaft und das Verpachtungsſyſtem und andere Mittel das Gleich- gewicht wieder hergeſtellt hätte.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/262>, abgerufen am 22.11.2024.