Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.B. Stellung der Magistratur. -- Garantien. §. 35. gerichtet war, gewissermaßen den Fehdehandschuh hin undohne Noth entschloß man sich schwerlich zu einem so gehässigen, Aufsehen erregenden Schritt. Ein leichtsinniger Intercedent hatte der öffentlichen Meinung und den Gewalten des Lebens gegenüber keinen leichteren Stand, als jeder andere Beamte bei seinen positiven Maßregeln,426) es kam nicht bloß darauf an, den Widerspruch zu erheben, sondern auf ihm zu beharren, und ein unmotivirter Widerspruch konnte seinem Urheber die De- müthigung eintragen, ihn selbst wieder zurückzunehmen. Auch hier also war die Gewalt in Wirklichkeit nicht so gefährlich, als sie in ihrer abstracten Gestalt erscheint. Ich habe gesagt, daß ich auf die beiden bisher besprochenen 426) Liv. XLV, 21 .... persaepe evenisset, ut .. qui ad interceden-
dum venissent, desisterent victi auctoritatibus suadentium legem. Bei Liv. IV, 60 legten die Tribunen ihr Veto ein gegen die Ausschreibung der Kriegssteuer, allein es ward ihnen hier die Beschämung zu Theil, daß bei Arm und Reich spreto tribunitio auxilio certamen conferendi (tributi) est ortum. B. Stellung der Magiſtratur. — Garantien. §. 35. gerichtet war, gewiſſermaßen den Fehdehandſchuh hin undohne Noth entſchloß man ſich ſchwerlich zu einem ſo gehäſſigen, Aufſehen erregenden Schritt. Ein leichtſinniger Intercedent hatte der öffentlichen Meinung und den Gewalten des Lebens gegenüber keinen leichteren Stand, als jeder andere Beamte bei ſeinen poſitiven Maßregeln,426) es kam nicht bloß darauf an, den Widerſpruch zu erheben, ſondern auf ihm zu beharren, und ein unmotivirter Widerſpruch konnte ſeinem Urheber die De- müthigung eintragen, ihn ſelbſt wieder zurückzunehmen. Auch hier alſo war die Gewalt in Wirklichkeit nicht ſo gefährlich, als ſie in ihrer abſtracten Geſtalt erſcheint. Ich habe geſagt, daß ich auf die beiden bisher beſprochenen 426) Liv. XLV, 21 .... persaepe evenisset, ut .. qui ad interceden-
dum venissent, desisterent victi auctoritatibus suadentium legem. Bei Liv. IV, 60 legten die Tribunen ihr Veto ein gegen die Ausſchreibung der Kriegsſteuer, allein es ward ihnen hier die Beſchämung zu Theil, daß bei Arm und Reich spreto tribunitio auxilio certamen conferendi (tributi) est ortum. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0295" n="281"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">B.</hi> Stellung der Magiſtratur. — Garantien. §. 35.</fw><lb/> gerichtet war, gewiſſermaßen den Fehdehandſchuh hin und<lb/> ohne Noth entſchloß man ſich ſchwerlich zu einem ſo gehäſſigen,<lb/> Aufſehen erregenden Schritt. Ein leichtſinniger Intercedent<lb/> hatte der öffentlichen Meinung und den Gewalten des Lebens<lb/> gegenüber keinen leichteren Stand, als jeder andere Beamte bei<lb/> ſeinen poſitiven Maßregeln,<note place="foot" n="426)"><hi rendition="#aq">Liv. XLV, 21 .... persaepe evenisset, ut .. qui ad interceden-<lb/> dum venissent, desisterent victi auctoritatibus suadentium legem.</hi> Bei<lb/><hi rendition="#aq">Liv. IV,</hi> 60 legten die Tribunen ihr Veto ein gegen die Ausſchreibung der<lb/> Kriegsſteuer, allein es ward ihnen hier die Beſchämung zu Theil, daß bei<lb/> Arm und Reich <hi rendition="#aq">spreto tribunitio auxilio certamen conferendi (tributi)<lb/> est ortum.</hi></note> es kam nicht bloß darauf an,<lb/> den Widerſpruch zu erheben, ſondern auf ihm zu beharren, und<lb/> ein unmotivirter Widerſpruch konnte ſeinem Urheber die De-<lb/> müthigung eintragen, ihn ſelbſt wieder zurückzunehmen. Auch<lb/> hier alſo war die Gewalt in Wirklichkeit nicht ſo gefährlich, als<lb/> ſie in ihrer abſtracten Geſtalt erſcheint.</p><lb/> <p>Ich habe geſagt, daß ich auf die beiden bisher beſprochenen<lb/> verfaſſungsmäßigen Garantien gegen den Mißbrauch der Amts-<lb/> gewalt nicht das entſcheidende Gewicht lege. Die beſte Garantie<lb/> lag vielmehr außerhalb der Verfaſſung — in dem Geiſt der<lb/> Zeit, dem Charakter des Volks, den Verhältniſſen und thatſäch-<lb/> lichen Gewalten des römiſchen Lebens. Ich will hier nicht wie-<lb/> derholen, was ich ſchon oben (S. 146) bei Gelegenheit des<lb/> Privatrechts ausgeführt habe; ein jeder wird ſich ſagen kön-<lb/> nen, daß alles dort Geſagte in verſtärktem Maße auf den vor-<lb/> liegenden Fall Anwendung findet. Was von der rein privat-<lb/> rechtlichen Gewalt galt, die der Einzelne aus eignem Recht<lb/> hatte, und die ſich im Innern des römiſchen Hauſes verbarg,<lb/> um wie viel mehr mußte es gelten von der öffentlichen, die ihm<lb/> nur zur Verwaltung anvertraut war und ſich ſtets im vollen<lb/> Licht der Oeffentlichkeit bewegte, bei allen ihren Schritten der<lb/> Controle und Kritik von Mit- und Nachwelt ausgeſetzt, von<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [281/0295]
B. Stellung der Magiſtratur. — Garantien. §. 35.
gerichtet war, gewiſſermaßen den Fehdehandſchuh hin und
ohne Noth entſchloß man ſich ſchwerlich zu einem ſo gehäſſigen,
Aufſehen erregenden Schritt. Ein leichtſinniger Intercedent
hatte der öffentlichen Meinung und den Gewalten des Lebens
gegenüber keinen leichteren Stand, als jeder andere Beamte bei
ſeinen poſitiven Maßregeln, 426) es kam nicht bloß darauf an,
den Widerſpruch zu erheben, ſondern auf ihm zu beharren, und
ein unmotivirter Widerſpruch konnte ſeinem Urheber die De-
müthigung eintragen, ihn ſelbſt wieder zurückzunehmen. Auch
hier alſo war die Gewalt in Wirklichkeit nicht ſo gefährlich, als
ſie in ihrer abſtracten Geſtalt erſcheint.
Ich habe geſagt, daß ich auf die beiden bisher beſprochenen
verfaſſungsmäßigen Garantien gegen den Mißbrauch der Amts-
gewalt nicht das entſcheidende Gewicht lege. Die beſte Garantie
lag vielmehr außerhalb der Verfaſſung — in dem Geiſt der
Zeit, dem Charakter des Volks, den Verhältniſſen und thatſäch-
lichen Gewalten des römiſchen Lebens. Ich will hier nicht wie-
derholen, was ich ſchon oben (S. 146) bei Gelegenheit des
Privatrechts ausgeführt habe; ein jeder wird ſich ſagen kön-
nen, daß alles dort Geſagte in verſtärktem Maße auf den vor-
liegenden Fall Anwendung findet. Was von der rein privat-
rechtlichen Gewalt galt, die der Einzelne aus eignem Recht
hatte, und die ſich im Innern des römiſchen Hauſes verbarg,
um wie viel mehr mußte es gelten von der öffentlichen, die ihm
nur zur Verwaltung anvertraut war und ſich ſtets im vollen
Licht der Oeffentlichkeit bewegte, bei allen ihren Schritten der
Controle und Kritik von Mit- und Nachwelt ausgeſetzt, von
426) Liv. XLV, 21 .... persaepe evenisset, ut .. qui ad interceden-
dum venissent, desisterent victi auctoritatibus suadentium legem. Bei
Liv. IV, 60 legten die Tribunen ihr Veto ein gegen die Ausſchreibung der
Kriegsſteuer, allein es ward ihnen hier die Beſchämung zu Theil, daß bei
Arm und Reich spreto tribunitio auxilio certamen conferendi (tributi)
est ortum.
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