Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. stitut schaffen können, so wenig wie es dasselbe zu halten ver-mochte, als die alten Censoren immer mehr ausstarben. Das innere Mark des Instituts, in dem seine Kraft und Stärke ruhte, und ohne das es nichts war, kam durch die Censoren selbst hinein, war das Resultat der Unerschrockenheit und Strenge, des sittlichen Ernstes und der eignen sittlichen Würdigkeit, durch die sie dem Volk imponirt hatten. Wenn wir heutzutage zu sagen pflegen: Das Amt macht den Mann, so können wir für die römische Welt den Satz dahin umdrehen: der Mann machte das Amt. 459) Ich habe oben gesagt, daß die Amtsgewalt sich wesent- von jenem Recht Gebrauch zu machen und den Widerspruch, der anfäng- lich entgegengesetzt ward, besiegte. Mit diesem Einen zurückeroberten Rechte hatte das Amt selbst unendlich viel gewonnen. Daß aber lediglich die Per- sönlichkeit des damaligen flamen den Ausschlag gegeben habe (magis sancti- tate vitae, quam sacerdotii jure rem obtinuisse), darüber war, wie Livius berichtet, nur eine Stimme. 459) Liv. IV, 8 legt den Patriciern bei Einführung den Censur diese
Erwägung unter: id, quod evenit, futurum credo etiam rati, ut mox opes eorum, qui praeessent, ipsi honori jus majestatemque adjicerent. Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. ſtitut ſchaffen können, ſo wenig wie es daſſelbe zu halten ver-mochte, als die alten Cenſoren immer mehr ausſtarben. Das innere Mark des Inſtituts, in dem ſeine Kraft und Stärke ruhte, und ohne das es nichts war, kam durch die Cenſoren ſelbſt hinein, war das Reſultat der Unerſchrockenheit und Strenge, des ſittlichen Ernſtes und der eignen ſittlichen Würdigkeit, durch die ſie dem Volk imponirt hatten. Wenn wir heutzutage zu ſagen pflegen: Das Amt macht den Mann, ſo können wir für die römiſche Welt den Satz dahin umdrehen: der Mann machte das Amt. 459) Ich habe oben geſagt, daß die Amtsgewalt ſich weſent- von jenem Recht Gebrauch zu machen und den Widerſpruch, der anfäng- lich entgegengeſetzt ward, beſiegte. Mit dieſem Einen zurückeroberten Rechte hatte das Amt ſelbſt unendlich viel gewonnen. Daß aber lediglich die Per- ſönlichkeit des damaligen flamen den Ausſchlag gegeben habe (magis sancti- tate vitae, quam sacerdotii jure rem obtinuisse), darüber war, wie Livius berichtet, nur eine Stimme. 459) Liv. IV, 8 legt den Patriciern bei Einführung den Cenſur dieſe
Erwägung unter: id, quod evenit, futurum credo etiam rati, ut mox opes eorum, qui praeessent, ipsi honori jus majestatemque adjicerent. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0314" n="300"/><fw place="top" type="header">Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Freiheitstrieb.</fw><lb/> ſtitut ſchaffen können, ſo wenig wie es daſſelbe zu halten ver-<lb/> mochte, als die alten Cenſoren immer mehr ausſtarben. Das<lb/> innere Mark des Inſtituts, in dem ſeine Kraft und Stärke ruhte,<lb/> und ohne das es nichts war, kam durch die Cenſoren ſelbſt<lb/> hinein, war das Reſultat der Unerſchrockenheit und Strenge,<lb/> des ſittlichen Ernſtes und der eignen ſittlichen Würdigkeit, durch<lb/> die <hi rendition="#g">ſie</hi> dem Volk imponirt hatten. Wenn wir heutzutage zu<lb/> ſagen pflegen: Das Amt macht den Mann, ſo können wir für<lb/> die römiſche Welt den Satz dahin umdrehen: der Mann machte<lb/> das Amt. <note place="foot" n="459)"><hi rendition="#aq">Liv. IV,</hi> 8 legt den Patriciern bei Einführung den Cenſur dieſe<lb/> Erwägung unter: <hi rendition="#aq">id, quod evenit, futurum credo etiam rati, ut mox <hi rendition="#g">opes<lb/> eorum, qui praeessent, ipsi honori jus majestatemque<lb/> adjicerent</hi>.</hi></note></p><lb/> <p>Ich habe oben geſagt, daß die Amtsgewalt ſich weſent-<lb/> lich nach der moraliſchen Kraft ihres Trägers richtete. Am<lb/> auffallendſten zeigt ſich dies an dem Verhältniß der verſchiede-<lb/> nen Staatsgewalten zu einander. Es wird aus dem bisherigen<lb/> klar geworden ſein, daß daſſelbe ein außerordentlich fruchtbarer<lb/> Boden für Conflikte der mannichfaltigſten Art ſein mußte.<lb/> Denn die Machtgebiete der einzelnen aus ſo heterogenen politi-<lb/> ſchen Elementen gebildeten Gewalten durchkreuzten ſich in ſelt-<lb/> ſamer Weiſe, die Gränzen waren vielfach ſehr unbeſtimmt, und<lb/> ſelbſt der Beſitzzuſtand, ſoweit er ſich auf ſtillſchweigende Con-<lb/> vention und Herkommen ſtützte, ſchloß nicht die Möglichkeit<lb/> einer Erweiterung der Macht auf Koſten anderer Gewalten<lb/> aus. Dazu kam, daß das Interceſſionsrecht die Befugniß ge-<lb/> währte, ſelbſt in das <hi rendition="#g">zweifelloſe</hi> Gebiet einer andern Macht<lb/> hinüber zu greifen. Es begreift ſich, daß bei einer ſolchen Ge-<lb/><note xml:id="seg2pn_47_2" prev="#seg2pn_47_1" place="foot" n="458)">von jenem Recht Gebrauch zu machen und den Widerſpruch, der anfäng-<lb/> lich entgegengeſetzt ward, beſiegte. Mit dieſem Einen zurückeroberten Rechte<lb/> hatte das Amt ſelbſt unendlich viel gewonnen. Daß aber lediglich die Per-<lb/> ſönlichkeit des damaligen <hi rendition="#aq">flamen</hi> den Ausſchlag gegeben habe (<hi rendition="#aq">magis sancti-<lb/> tate vitae, quam sacerdotii jure rem obtinuisse</hi>), darüber war, wie Livius<lb/> berichtet, nur eine Stimme.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [300/0314]
Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
ſtitut ſchaffen können, ſo wenig wie es daſſelbe zu halten ver-
mochte, als die alten Cenſoren immer mehr ausſtarben. Das
innere Mark des Inſtituts, in dem ſeine Kraft und Stärke ruhte,
und ohne das es nichts war, kam durch die Cenſoren ſelbſt
hinein, war das Reſultat der Unerſchrockenheit und Strenge,
des ſittlichen Ernſtes und der eignen ſittlichen Würdigkeit, durch
die ſie dem Volk imponirt hatten. Wenn wir heutzutage zu
ſagen pflegen: Das Amt macht den Mann, ſo können wir für
die römiſche Welt den Satz dahin umdrehen: der Mann machte
das Amt. 459)
Ich habe oben geſagt, daß die Amtsgewalt ſich weſent-
lich nach der moraliſchen Kraft ihres Trägers richtete. Am
auffallendſten zeigt ſich dies an dem Verhältniß der verſchiede-
nen Staatsgewalten zu einander. Es wird aus dem bisherigen
klar geworden ſein, daß daſſelbe ein außerordentlich fruchtbarer
Boden für Conflikte der mannichfaltigſten Art ſein mußte.
Denn die Machtgebiete der einzelnen aus ſo heterogenen politi-
ſchen Elementen gebildeten Gewalten durchkreuzten ſich in ſelt-
ſamer Weiſe, die Gränzen waren vielfach ſehr unbeſtimmt, und
ſelbſt der Beſitzzuſtand, ſoweit er ſich auf ſtillſchweigende Con-
vention und Herkommen ſtützte, ſchloß nicht die Möglichkeit
einer Erweiterung der Macht auf Koſten anderer Gewalten
aus. Dazu kam, daß das Interceſſionsrecht die Befugniß ge-
währte, ſelbſt in das zweifelloſe Gebiet einer andern Macht
hinüber zu greifen. Es begreift ſich, daß bei einer ſolchen Ge-
458)
459) Liv. IV, 8 legt den Patriciern bei Einführung den Cenſur dieſe
Erwägung unter: id, quod evenit, futurum credo etiam rati, ut mox opes
eorum, qui praeessent, ipsi honori jus majestatemque
adjicerent.
458) von jenem Recht Gebrauch zu machen und den Widerſpruch, der anfäng-
lich entgegengeſetzt ward, beſiegte. Mit dieſem Einen zurückeroberten Rechte
hatte das Amt ſelbſt unendlich viel gewonnen. Daß aber lediglich die Per-
ſönlichkeit des damaligen flamen den Ausſchlag gegeben habe (magis sancti-
tate vitae, quam sacerdotii jure rem obtinuisse), darüber war, wie Livius
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