Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.I. Der Selbständigkeitstrieb. 2. Zu-Sich-Kommen des Rechts. §. 26. daß ich dem Leser einige charakteristische Züge des ältern Rechtsvorführe, deren Bedeutung für unsere Frage sich auch ohne lange Vorrede begreifen läßt. Für die innere Selbständigkeit des Rechts ist nun zuerst der Wie nun das ursprünglich im Recht vorhandene religiöse Jhering, Geist des röm. Rechts. II. 4
I. Der Selbſtändigkeitstrieb. 2. Zu-Sich-Kommen des Rechts. §. 26. daß ich dem Leſer einige charakteriſtiſche Züge des ältern Rechtsvorführe, deren Bedeutung für unſere Frage ſich auch ohne lange Vorrede begreifen läßt. Für die innere Selbſtändigkeit des Rechts iſt nun zuerſt der Wie nun das urſprünglich im Recht vorhandene religiöſe Jhering, Geiſt des röm. Rechts. II. 4
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I. Der Selbſtändigkeitstrieb. 2. Zu-Sich-Kommen des Rechts. §. 26.
daß ich dem Leſer einige charakteriſtiſche Züge des ältern Rechts
vorführe, deren Bedeutung für unſere Frage ſich auch ohne lange
Vorrede begreifen läßt.
Für die innere Selbſtändigkeit des Rechts iſt nun zuerſt der
bereits früher (§. 18) entwickelte Gegenſatz zwiſchen jus und fas
bedeutungsvoll; es iſt auf dieſe Bedeutung ſchon an jener Stelle
(B. 1 S. 258) kurz hingewieſen. Die religiöſe Subſtanz, die
im primitiven Zuſtande das ganze Recht durchdringt, iſt ver-
mittelſt des fas extrahirt, und das jus damit nach dieſer Seite
hin frei geworden, von einem hemmenden fremdartigen Beſtand-
theil gereinigt. Jener Dualismus reicht unzweifelhaft weit über
Rom hinaus; er ſteht bereits an der Schwelle der Geſchichte
des eigentlichen römiſchen Rechts. Ob er zugleich ein ethniſcher
geweſen und durch das Zuſammentreffen zweier Völker, von denen
das eine das Recht als fas, das andere es als jus erfaßt hatte,
nach Rom gekommen, oder ob er das Werk Eines Volkes ge-
weſen, bleibe dahingeſtellt; für das römiſche Recht, das ihn be-
reits vorfand, war er eine außerordentlich werthvolle Mitgift.
Er verſetzte von vornherein den römiſchen Geiſt auf eine Höhe
der Rechtsanſchauung, zu der es manche orientaliſche Völker nie
gebracht haben.
Wie nun das urſprünglich im Recht vorhandene religiöſe
Element, wenn ich ſo ſagen darf, in das fas entwich, ſo das,
was nach Ausſcheidung dieſes Elements noch an fremdartigen
Subſtanzen und Motiven im Recht verblieb, in die Cenſur.
Hier wie dort ward das hemmende Element nicht einfach zur
Seite geſchoben und abgethan; der römiſche Inſtinkt fand ein
beſſeres Mittel, das Recht ſicher zu ſtellen. Er wies jenem Ele-
ment ein abgeſondertes Feld außerhalb des Rechts an, wo es
ſeine volle Befriedigung fand und eben darum nicht in Verſu-
chung kam, ſie ſich innerhalb des Rechts und auf Koſten deſſel-
ben zu verſchaffen. Was waren dies für fremdartige Sub-
ſtanzen? Die beſte Antwort wird uns darauf die Cenſur ſelbſt
Jhering, Geiſt des röm. Rechts. II. 4
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