Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Vorrede. Aufgabe in die Arme geführt hat; ich habe in ihr mehr Arbeiterwartet und gefunden, als mir irgend ein concreterer Stoff in Aussicht gestellt hätte. Eben darum aber ist mir der Unfug, den man mit der Sache getrieben, die Frivolität und Seichtig- keit, die dabei zu Tage getreten, in innerster Seele verhaßt, und schon lange suchte ich nach der Gelegenheit, die mir jetzt erst zu Theil wird, meinem Urtheil einen öffentlichen Ausdruck zu geben. Ich fürchte nicht, daß ich mir damit selbst das Urtheil spreche. Daß nicht auch ich der Versuchung des Construirens und gewagten Combinirens öfters unterlegen sein sollte, wie könnte ich es mir verhehlen? Gehe Einer hin und versuche es --, ob er frei davon bleibt! Aber wessen ich mir bewußt bin und wessen ich leider gezwungen bin mich zu rühmen, ist die Liebe zu meiner Aufgabe und der Fleiß und Ernst, die einmal die untrennbaren Begleiter der Liebe sind. In diesem Bewußtsein fühle ich mich stark genug, das Urtheil über mich heraus zu fordern und auf Schonung zu verzichten. Aber andererseits er- hebe ich auch den Anspruch, mich nach mir selbst zu beurtheilen und mir nicht Verirrungen Anderer zur Last zu legen, über die mein Urtheil nicht anders lautet, als das aller Verständigen. Daß ich an meinen Richter den Anspruch erhebe, mein Vorrede. Aufgabe in die Arme geführt hat; ich habe in ihr mehr Arbeiterwartet und gefunden, als mir irgend ein concreterer Stoff in Ausſicht geſtellt hätte. Eben darum aber iſt mir der Unfug, den man mit der Sache getrieben, die Frivolität und Seichtig- keit, die dabei zu Tage getreten, in innerſter Seele verhaßt, und ſchon lange ſuchte ich nach der Gelegenheit, die mir jetzt erſt zu Theil wird, meinem Urtheil einen öffentlichen Ausdruck zu geben. Ich fürchte nicht, daß ich mir damit ſelbſt das Urtheil ſpreche. Daß nicht auch ich der Verſuchung des Conſtruirens und gewagten Combinirens öfters unterlegen ſein ſollte, wie könnte ich es mir verhehlen? Gehe Einer hin und verſuche es —, ob er frei davon bleibt! Aber weſſen ich mir bewußt bin und weſſen ich leider gezwungen bin mich zu rühmen, iſt die Liebe zu meiner Aufgabe und der Fleiß und Ernſt, die einmal die untrennbaren Begleiter der Liebe ſind. In dieſem Bewußtſein fühle ich mich ſtark genug, das Urtheil über mich heraus zu fordern und auf Schonung zu verzichten. Aber andererſeits er- hebe ich auch den Anſpruch, mich nach mir ſelbſt zu beurtheilen und mir nicht Verirrungen Anderer zur Laſt zu legen, über die mein Urtheil nicht anders lautet, als das aller Verſtändigen. Daß ich an meinen Richter den Anſpruch erhebe, mein <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="VI"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</fw><lb/> Aufgabe in die Arme geführt hat; ich habe in ihr mehr Arbeit<lb/> erwartet und gefunden, als mir irgend ein concreterer Stoff in<lb/> Ausſicht geſtellt hätte. Eben darum aber iſt mir der Unfug,<lb/> den man mit der Sache getrieben, die Frivolität und Seichtig-<lb/> keit, die dabei zu Tage getreten, in innerſter Seele verhaßt,<lb/> und ſchon lange ſuchte ich nach der Gelegenheit, die mir jetzt<lb/> erſt zu Theil wird, meinem Urtheil einen öffentlichen Ausdruck<lb/> zu geben. Ich fürchte nicht, daß ich mir damit ſelbſt das Urtheil<lb/> ſpreche. 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Vorrede.
Aufgabe in die Arme geführt hat; ich habe in ihr mehr Arbeit
erwartet und gefunden, als mir irgend ein concreterer Stoff in
Ausſicht geſtellt hätte. Eben darum aber iſt mir der Unfug,
den man mit der Sache getrieben, die Frivolität und Seichtig-
keit, die dabei zu Tage getreten, in innerſter Seele verhaßt,
und ſchon lange ſuchte ich nach der Gelegenheit, die mir jetzt
erſt zu Theil wird, meinem Urtheil einen öffentlichen Ausdruck
zu geben. Ich fürchte nicht, daß ich mir damit ſelbſt das Urtheil
ſpreche. Daß nicht auch ich der Verſuchung des Conſtruirens
und gewagten Combinirens öfters unterlegen ſein ſollte, wie
könnte ich es mir verhehlen? Gehe Einer hin und verſuche
es —, ob er frei davon bleibt! Aber weſſen ich mir bewußt
bin und weſſen ich leider gezwungen bin mich zu rühmen, iſt
die Liebe zu meiner Aufgabe und der Fleiß und Ernſt, die einmal
die untrennbaren Begleiter der Liebe ſind. In dieſem Bewußtſein
fühle ich mich ſtark genug, das Urtheil über mich heraus zu
fordern und auf Schonung zu verzichten. Aber andererſeits er-
hebe ich auch den Anſpruch, mich nach mir ſelbſt zu beurtheilen und
mir nicht Verirrungen Anderer zur Laſt zu legen, über die mein
Urtheil nicht anders lautet, als das aller Verſtändigen.
Daß ich an meinen Richter den Anſpruch erhebe, mein
Buch zu leſen, könnte als ein Hohn klingen. Leider hat es
ſeinen triftigen Grund. Ob der bloße Titel meines Buchs in
den Augen Mancher ſchon ausreichend iſt, um ihm ungeleſen
das Verdammungsurtheil zu ſprechen? — kurzum Walter in
Bonn hat ſich nicht entblödet dies über ſich zu gewinnen. Sein
Durchzug durch ſämmtliche Disciplinen der Jurisprudenz führte
ihn auch auf die Encyclopädie, und wir verdanken dieſer Gele-
genheit das lehrreiche und erbauliche Schauſpiel, einen Mann,
der auf concret hiſtoriſchem Gebiet ſich immer mit Geſchick und
Vorſicht bewegt hat, auf dem philoſophiſchen Seile mit der
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