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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Vorrede.
Balancirstange in der Hand sich abmühen zu sehen. Neben den
sonstigen auf ein philosophisch unmündiges Publicum berech-
neten Productionen ergeht er sich auch über die Philosophie des
positiven Rechts (§. 48) und gibt bei dieser Gelegenheit ver-
schiedene "Cautelen", wie Thomasius sie nennen würde, zur
"umsichtigen und fürtrefflichen Herstellung" einer solchen. Die
dritte lautet dahin, daß man sich "bei der Charakteristik dessen,
was man den Geist eines Rechts nennt, vor einer zu vagen
Allgemeinheit hüten müsse. Das Recht eines Volks sei, wie
das Volk selbst, aus so vielen geistigen Elementen zusammen-
gesetzt, es herrsche so sehr in den Instituten bald das eine, bald
das andere Element vor, daß ein für alle gelten sollender Cha-
rakterzug, zumahl wenn noch die Färbung einer philosophischen
Schule hinzukomme, nur zu leicht auf unwahre und unfrucht-
bare Redensarten hinauslaufe." In der Note wird neben
Anderen dann auch mir die Ehre zu Theil, als abschreckendes
Beispiel zu figuriren, und zwar soll ich als Charakter des
römischen Rechts die Subjectivität, als die des deutschen die
Objectivität hingestellt haben, während Schmidt (Unterschied
zwischen dem röm. u. german. Recht) denselben gerade entgegen-
gesetzt bestimme. Daß der letztere Schriftsteller mit aller seiner
Mühe, die er sich gegeben, dem deutschen Recht die Objecti-
vität, dem römischen die Subjectivität zu vindiciren -- eine
Formel, die sich in jedem Paragraphen des Buchs wiederholt
-- so wenig ausgerichtet hat, daß gerade er sich als Zeugen
für das Gegentheil aufführen lassen muß, -- nun, das würde
in Betracht kommen, wenn es sich fragte, ob Walter, ich will
nicht sagen, das Schmidtsche Buch gelesen, sondern nur
einen Blick hineingethan habe. Für mich handelt es sich nur
um mein Buch. Und darüber fordere ich jeden Leser zum
Richter auf. Wo habe ich den Versuch gemacht den principiellen

Vorrede.
Balancirſtange in der Hand ſich abmühen zu ſehen. Neben den
ſonſtigen auf ein philoſophiſch unmündiges Publicum berech-
neten Productionen ergeht er ſich auch über die Philoſophie des
poſitiven Rechts (§. 48) und gibt bei dieſer Gelegenheit ver-
ſchiedene „Cautelen“, wie Thomaſius ſie nennen würde, zur
„umſichtigen und fürtrefflichen Herſtellung“ einer ſolchen. Die
dritte lautet dahin, daß man ſich „bei der Charakteriſtik deſſen,
was man den Geiſt eines Rechts nennt, vor einer zu vagen
Allgemeinheit hüten müſſe. Das Recht eines Volks ſei, wie
das Volk ſelbſt, aus ſo vielen geiſtigen Elementen zuſammen-
geſetzt, es herrſche ſo ſehr in den Inſtituten bald das eine, bald
das andere Element vor, daß ein für alle gelten ſollender Cha-
rakterzug, zumahl wenn noch die Färbung einer philoſophiſchen
Schule hinzukomme, nur zu leicht auf unwahre und unfrucht-
bare Redensarten hinauslaufe.“ In der Note wird neben
Anderen dann auch mir die Ehre zu Theil, als abſchreckendes
Beiſpiel zu figuriren, und zwar ſoll ich als Charakter des
römiſchen Rechts die Subjectivität, als die des deutſchen die
Objectivität hingeſtellt haben, während Schmidt (Unterſchied
zwiſchen dem röm. u. german. Recht) denſelben gerade entgegen-
geſetzt beſtimme. Daß der letztere Schriftſteller mit aller ſeiner
Mühe, die er ſich gegeben, dem deutſchen Recht die Objecti-
vität, dem römiſchen die Subjectivität zu vindiciren — eine
Formel, die ſich in jedem Paragraphen des Buchs wiederholt
— ſo wenig ausgerichtet hat, daß gerade er ſich als Zeugen
für das Gegentheil aufführen laſſen muß, — nun, das würde
in Betracht kommen, wenn es ſich fragte, ob Walter, ich will
nicht ſagen, das Schmidtſche Buch geleſen, ſondern nur
einen Blick hineingethan habe. Für mich handelt es ſich nur
um mein Buch. Und darüber fordere ich jeden Leſer zum
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[VII/0013] Vorrede. Balancirſtange in der Hand ſich abmühen zu ſehen. Neben den ſonſtigen auf ein philoſophiſch unmündiges Publicum berech- neten Productionen ergeht er ſich auch über die Philoſophie des poſitiven Rechts (§. 48) und gibt bei dieſer Gelegenheit ver- ſchiedene „Cautelen“, wie Thomaſius ſie nennen würde, zur „umſichtigen und fürtrefflichen Herſtellung“ einer ſolchen. Die dritte lautet dahin, daß man ſich „bei der Charakteriſtik deſſen, was man den Geiſt eines Rechts nennt, vor einer zu vagen Allgemeinheit hüten müſſe. Das Recht eines Volks ſei, wie das Volk ſelbſt, aus ſo vielen geiſtigen Elementen zuſammen- geſetzt, es herrſche ſo ſehr in den Inſtituten bald das eine, bald das andere Element vor, daß ein für alle gelten ſollender Cha- rakterzug, zumahl wenn noch die Färbung einer philoſophiſchen Schule hinzukomme, nur zu leicht auf unwahre und unfrucht- bare Redensarten hinauslaufe.“ In der Note wird neben Anderen dann auch mir die Ehre zu Theil, als abſchreckendes Beiſpiel zu figuriren, und zwar ſoll ich als Charakter des römiſchen Rechts die Subjectivität, als die des deutſchen die Objectivität hingeſtellt haben, während Schmidt (Unterſchied zwiſchen dem röm. u. german. Recht) denſelben gerade entgegen- geſetzt beſtimme. Daß der letztere Schriftſteller mit aller ſeiner Mühe, die er ſich gegeben, dem deutſchen Recht die Objecti- vität, dem römiſchen die Subjectivität zu vindiciren — eine Formel, die ſich in jedem Paragraphen des Buchs wiederholt — ſo wenig ausgerichtet hat, daß gerade er ſich als Zeugen für das Gegentheil aufführen laſſen muß, — nun, das würde in Betracht kommen, wenn es ſich fragte, ob Walter, ich will nicht ſagen, das Schmidtſche Buch geleſen, ſondern nur einen Blick hineingethan habe. Für mich handelt es ſich nur um mein Buch. Und darüber fordere ich jeden Leſer zum Richter auf. Wo habe ich den Verſuch gemacht den principiellen

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/13>, abgerufen am 27.04.2024.