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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
als civilistische kennen, war das Votum. Um der Terminologie:
voti reus, damnatus, vota solvere, reddere, vota rata, irrita,
caduca, titulus
u. s. w. und des bereits angeführten Grund-
satzes über die certa pecunia zu geschweigen, so war das Votum
dasjenige Verhältniß des geistlichen Rechts, bei dem von jeher
Bedingungen vorkamen 550) und wo die Veranlassung zur Aus-
bildung einer Theorie der Bedingungen unerläßlich war. 551)
Ebenso war die schriftliche Aufzeichnung und die auf die "tabu-
lae"
Bezug nehmende nuncupatio, die die spätere Form der
Testamente bildete, bei dem Votum etwas ganz gewöhnliches.

Auch die rückwirkende Kraft war dem geistlichen Recht bekannt
und zwar bei einem Verhältniß, bei dem die Annahme, daß sie
hier von Alters her stattgefunden, schwerlich auf Widerspruch
stoßen dürfte. 552) Und wer wird nicht gleich an die exheredatio
nominatim facta
und inter ceteros erinnert, wenn er hört, daß
derselbe Gegensatz auch bei Anrufung der Götter stattfand, und
daß hier der Ausdruck ceteri sogar ein technischer war? 553) Selbst
die Idee, daß die Erbeutung die normale Quelle des Eigen-
thums sei (Bd. 1 S. 108 fl.), fand in dem "capere" der Ve-
stalischen Jungfrau ihren religiösen Ausdruck, 554) und das jus

550) Es gab unbedingte und bedingte Vota. Man vergleiche rücksichtlich
der letzteren die Menge von Beispielen, die Brissonius a. a. O. c. 159--162
zusammengestellt hat, si bellatum prospere esset, si rediero u. s. w.
551) Ein Verhältniß des weltlichen Rechts, bei dem dasselbe ebenfalls
von Alters her der Fall war, s. oben S. 176 Note 235.
552) L. 28 §. 4 de stip. serv. (45. 3): .. heredis familia ex mortis
tempore funesta facta intelligitur.
Die Idee der rückwirkenden Kraft der
Antretung der Erbschaft für das Civilrecht wird in dieser Stelle geradezu auf
dies Argument gestützt und es kann kaum zweifelhaft sein, daß das geistliche
Recht diese Idee hier früher hatte und haben mußte, als das Civilrecht.
553) Brissonius a. a. O. c. 88. Liv. VI, 16: .. Jupiter ... ceteri-
que dii deaeque,
und die dort abgedruckte Stelle von Servius: .. more
Pontificum, per quos ritu veteri in omnibus sacris post speciales Deos,
quos ad ipsum sacrum quod fiebat necesse erat invocari generaliter
omnia numina invocabantur.
554) Gellius I, 12: veluti bello capta. Damit vergleiche man Gaj. IV, 16.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
als civiliſtiſche kennen, war das Votum. Um der Terminologie:
voti reus, damnatus, vota solvere, reddere, vota rata, irrita,
caduca, titulus
u. ſ. w. und des bereits angeführten Grund-
ſatzes über die certa pecunia zu geſchweigen, ſo war das Votum
dasjenige Verhältniß des geiſtlichen Rechts, bei dem von jeher
Bedingungen vorkamen 550) und wo die Veranlaſſung zur Aus-
bildung einer Theorie der Bedingungen unerläßlich war. 551)
Ebenſo war die ſchriftliche Aufzeichnung und die auf die „tabu-
lae“
Bezug nehmende nuncupatio, die die ſpätere Form der
Teſtamente bildete, bei dem Votum etwas ganz gewöhnliches.

Auch die rückwirkende Kraft war dem geiſtlichen Recht bekannt
und zwar bei einem Verhältniß, bei dem die Annahme, daß ſie
hier von Alters her ſtattgefunden, ſchwerlich auf Widerſpruch
ſtoßen dürfte. 552) Und wer wird nicht gleich an die exheredatio
nominatim facta
und inter ceteros erinnert, wenn er hört, daß
derſelbe Gegenſatz auch bei Anrufung der Götter ſtattfand, und
daß hier der Ausdruck ceteri ſogar ein techniſcher war? 553) Selbſt
die Idee, daß die Erbeutung die normale Quelle des Eigen-
thums ſei (Bd. 1 S. 108 fl.), fand in dem „capere“ der Ve-
ſtaliſchen Jungfrau ihren religiöſen Ausdruck, 554) und das jus

550) Es gab unbedingte und bedingte Vota. Man vergleiche rückſichtlich
der letzteren die Menge von Beiſpielen, die Brissonius a. a. O. c. 159—162
zuſammengeſtellt hat, si bellatum prospere esset, si rediero u. ſ. w.
551) Ein Verhältniß des weltlichen Rechts, bei dem daſſelbe ebenfalls
von Alters her der Fall war, ſ. oben S. 176 Note 235.
552) L. 28 §. 4 de stip. serv. (45. 3): .. heredis familia ex mortis
tempore funesta facta intelligitur.
Die Idee der rückwirkenden Kraft der
Antretung der Erbſchaft für das Civilrecht wird in dieſer Stelle geradezu auf
dies Argument geſtützt und es kann kaum zweifelhaft ſein, daß das geiſtliche
Recht dieſe Idee hier früher hatte und haben mußte, als das Civilrecht.
553) Brissonius a. a. O. c. 88. Liv. VI, 16: .. Jupiter … ceteri-
que dii deaeque,
und die dort abgedruckte Stelle von Servius: .. more
Pontificum, per quos ritu veteri in omnibus sacris post speciales Deos,
quos ad ipsum sacrum quod fiebat necesse erat invocari generaliter
omnia numina invocabantur.
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[428/0134] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. als civiliſtiſche kennen, war das Votum. Um der Terminologie: voti reus, damnatus, vota solvere, reddere, vota rata, irrita, caduca, titulus u. ſ. w. und des bereits angeführten Grund- ſatzes über die certa pecunia zu geſchweigen, ſo war das Votum dasjenige Verhältniß des geiſtlichen Rechts, bei dem von jeher Bedingungen vorkamen 550) und wo die Veranlaſſung zur Aus- bildung einer Theorie der Bedingungen unerläßlich war. 551) Ebenſo war die ſchriftliche Aufzeichnung und die auf die „tabu- lae“ Bezug nehmende nuncupatio, die die ſpätere Form der Teſtamente bildete, bei dem Votum etwas ganz gewöhnliches. Auch die rückwirkende Kraft war dem geiſtlichen Recht bekannt und zwar bei einem Verhältniß, bei dem die Annahme, daß ſie hier von Alters her ſtattgefunden, ſchwerlich auf Widerſpruch ſtoßen dürfte. 552) Und wer wird nicht gleich an die exheredatio nominatim facta und inter ceteros erinnert, wenn er hört, daß derſelbe Gegenſatz auch bei Anrufung der Götter ſtattfand, und daß hier der Ausdruck ceteri ſogar ein techniſcher war? 553) Selbſt die Idee, daß die Erbeutung die normale Quelle des Eigen- thums ſei (Bd. 1 S. 108 fl.), fand in dem „capere“ der Ve- ſtaliſchen Jungfrau ihren religiöſen Ausdruck, 554) und das jus 550) Es gab unbedingte und bedingte Vota. Man vergleiche rückſichtlich der letzteren die Menge von Beiſpielen, die Brissonius a. a. O. c. 159—162 zuſammengeſtellt hat, si bellatum prospere esset, si rediero u. ſ. w. 551) Ein Verhältniß des weltlichen Rechts, bei dem daſſelbe ebenfalls von Alters her der Fall war, ſ. oben S. 176 Note 235. 552) L. 28 §. 4 de stip. serv. (45. 3): .. heredis familia ex mortis tempore funesta facta intelligitur. Die Idee der rückwirkenden Kraft der Antretung der Erbſchaft für das Civilrecht wird in dieſer Stelle geradezu auf dies Argument geſtützt und es kann kaum zweifelhaft ſein, daß das geiſtliche Recht dieſe Idee hier früher hatte und haben mußte, als das Civilrecht. 553) Brissonius a. a. O. c. 88. Liv. VI, 16: .. Jupiter … ceteri- que dii deaeque, und die dort abgedruckte Stelle von Servius: .. more Pontificum, per quos ritu veteri in omnibus sacris post speciales Deos, quos ad ipsum sacrum quod fiebat necesse erat invocari generaliter omnia numina invocabantur. 554) Gellius I, 12: veluti bello capta. Damit vergleiche man Gaj. IV, 16.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/134>, abgerufen am 21.11.2024.