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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
nichtzünftige Juristen, weiß die Geschichte uns weiter nichts zu
berichten, als die Zeit. Nach Pomponius soll die Herrschaft
der Pontifices bald nach den XII Tafeln (303) begonnen und
beinahe ein Jahrhundert bestanden haben. Man könnte darnach
die Einführung der Prätur (387) als Endpunkt betrachten. Allein
ganz abgesehen davon, daß solch ein plötzlicher und gewaltsamer
Umschwung aller sonstigen historischen Entwicklung in Rom
völlig widersprechen würde, so beschränkte sich die ursprüngliche
Dotation der Prätur auf den Antheil an der Rechtspflege, den
damals die Consuln in Händen hatten, und noch in der Mitte
des folgenden Jahrhunderts bei Gelegenheit des Berichts über
die bekannte That des Flavius 557) bezeichnet Livius (IX, 46)
das jus civile als repositum in penetralibus pontificum, und
am Anfang des sechsten Jahrhunderts konnte es als eine Merk-
würdigkeit gelten, daß der erste Pontifex Maximus aus der
Plebs, Tib. Coruncanius Jeden, der Lust hatte, zu seinem
Rechtsunterricht zuließ. Auch jetzt muß das jus civile und jus
pontificium
noch eine Zeit lang als gleichbedeutend gegolten
haben. 558)

Nach allen diesem möchte sich etwa die Mitte des fünften
Jahrhunderts als der Wendepunkt bezeichnen lassen. Verstattet
man mir nun über die Art und Weise, wie der Umschwung
erfolgte, eine Muthmaßung, so möchte ich denselben in folgen-
der Weise construiren.

Den ersten Anstoß zu einer Aenderung des bisherigen Zu-
standes finde ich in der Einführung der Prätur. Bekam auch
der Prätor ursprünglich kaum etwas mehr, als den Antheil, den
bisher die Consuln an der Rechtspflege ausgeübt hatten, so ist
es doch ganz erklärlich, daß die Abzweigung dieses Bestandtheils
der consularischen Gewalt zu einer eignen Magistratur in ähn-
licher Weise wie bei der Censur (rei a parva origine ortae,

557) L. 2 §. 6 de orig. jur. (1. 2).
558) S. z. B. Liv. XXX, 1 (a. U. 549): .. juris pontificii peritissimus.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
nichtzünftige Juriſten, weiß die Geſchichte uns weiter nichts zu
berichten, als die Zeit. Nach Pomponius ſoll die Herrſchaft
der Pontifices bald nach den XII Tafeln (303) begonnen und
beinahe ein Jahrhundert beſtanden haben. Man könnte darnach
die Einführung der Prätur (387) als Endpunkt betrachten. Allein
ganz abgeſehen davon, daß ſolch ein plötzlicher und gewaltſamer
Umſchwung aller ſonſtigen hiſtoriſchen Entwicklung in Rom
völlig widerſprechen würde, ſo beſchränkte ſich die urſprüngliche
Dotation der Prätur auf den Antheil an der Rechtspflege, den
damals die Conſuln in Händen hatten, und noch in der Mitte
des folgenden Jahrhunderts bei Gelegenheit des Berichts über
die bekannte That des Flavius 557) bezeichnet Livius (IX, 46)
das jus civile als repositum in penetralibus pontificum, und
am Anfang des ſechsten Jahrhunderts konnte es als eine Merk-
würdigkeit gelten, daß der erſte Pontifex Maximus aus der
Plebs, Tib. Coruncanius Jeden, der Luſt hatte, zu ſeinem
Rechtsunterricht zuließ. Auch jetzt muß das jus civile und jus
pontificium
noch eine Zeit lang als gleichbedeutend gegolten
haben. 558)

Nach allen dieſem möchte ſich etwa die Mitte des fünften
Jahrhunderts als der Wendepunkt bezeichnen laſſen. Verſtattet
man mir nun über die Art und Weiſe, wie der Umſchwung
erfolgte, eine Muthmaßung, ſo möchte ich denſelben in folgen-
der Weiſe conſtruiren.

Den erſten Anſtoß zu einer Aenderung des bisherigen Zu-
ſtandes finde ich in der Einführung der Prätur. Bekam auch
der Prätor urſprünglich kaum etwas mehr, als den Antheil, den
bisher die Conſuln an der Rechtspflege ausgeübt hatten, ſo iſt
es doch ganz erklärlich, daß die Abzweigung dieſes Beſtandtheils
der conſulariſchen Gewalt zu einer eignen Magiſtratur in ähn-
licher Weiſe wie bei der Cenſur (rei a parva origine ortae,

557) L. 2 §. 6 de orig. jur. (1. 2).
558) S. z. B. Liv. XXX, 1 (a. U. 549): .. juris pontificii peritissimus.
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[430/0136] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. nichtzünftige Juriſten, weiß die Geſchichte uns weiter nichts zu berichten, als die Zeit. Nach Pomponius ſoll die Herrſchaft der Pontifices bald nach den XII Tafeln (303) begonnen und beinahe ein Jahrhundert beſtanden haben. Man könnte darnach die Einführung der Prätur (387) als Endpunkt betrachten. Allein ganz abgeſehen davon, daß ſolch ein plötzlicher und gewaltſamer Umſchwung aller ſonſtigen hiſtoriſchen Entwicklung in Rom völlig widerſprechen würde, ſo beſchränkte ſich die urſprüngliche Dotation der Prätur auf den Antheil an der Rechtspflege, den damals die Conſuln in Händen hatten, und noch in der Mitte des folgenden Jahrhunderts bei Gelegenheit des Berichts über die bekannte That des Flavius 557) bezeichnet Livius (IX, 46) das jus civile als repositum in penetralibus pontificum, und am Anfang des ſechsten Jahrhunderts konnte es als eine Merk- würdigkeit gelten, daß der erſte Pontifex Maximus aus der Plebs, Tib. Coruncanius Jeden, der Luſt hatte, zu ſeinem Rechtsunterricht zuließ. Auch jetzt muß das jus civile und jus pontificium noch eine Zeit lang als gleichbedeutend gegolten haben. 558) Nach allen dieſem möchte ſich etwa die Mitte des fünften Jahrhunderts als der Wendepunkt bezeichnen laſſen. Verſtattet man mir nun über die Art und Weiſe, wie der Umſchwung erfolgte, eine Muthmaßung, ſo möchte ich denſelben in folgen- der Weiſe conſtruiren. Den erſten Anſtoß zu einer Aenderung des bisherigen Zu- ſtandes finde ich in der Einführung der Prätur. Bekam auch der Prätor urſprünglich kaum etwas mehr, als den Antheil, den bisher die Conſuln an der Rechtspflege ausgeübt hatten, ſo iſt es doch ganz erklärlich, daß die Abzweigung dieſes Beſtandtheils der conſulariſchen Gewalt zu einer eignen Magiſtratur in ähn- licher Weiſe wie bei der Cenſur (rei a parva origine ortae, 557) L. 2 §. 6 de orig. jur. (1. 2). 558) S. z. B. Liv. XXX, 1 (a. U. 549): .. juris pontificii peritissimus.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/136>, abgerufen am 13.05.2024.