Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. Ausdruck des wirthschaftlichen Werthbewußtseinsder Zeit, beide können auf die Dauer nie erheblich divergiren. Ignorirte nun der ältere Verkehr die Nutzungen der Sache, Das Resultat der bisherigen Ausführung läßt sich in den 597) Wie lange die alte Anschauungsweise, die bei der Schätzung nur
die Sache selbst in ihrer Totalität ins Auge faßte, sich erhielt, dafür gibt die L. 3 § 1 uti poss. (43. 17) einen interessanten Beleg. Wie der Besitz juri- stisch etwas anderes ist als das Eigenthum, so hat er auch einen andern Ästi- mationswerth. Nichts desto weniger wollte noch Servius den Werth der Sache als Werth des Besitzes gelten lassen: tanti possessionem aestiman[-] dam, quanti ipsa res est, wogegen denn Ulpian mit Recht bemerkt: sed longe aliud est rei pretium, longe aliud possessionis. S. auch Fr. Mommsen Lehre vom Interesse S. 47 fl. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. Ausdruck des wirthſchaftlichen Werthbewußtſeinsder Zeit, beide können auf die Dauer nie erheblich divergiren. Ignorirte nun der ältere Verkehr die Nutzungen der Sache, Das Reſultat der bisherigen Ausführung läßt ſich in den 597) Wie lange die alte Anſchauungsweiſe, die bei der Schätzung nur
die Sache ſelbſt in ihrer Totalität ins Auge faßte, ſich erhielt, dafür gibt die L. 3 § 1 uti poss. (43. 17) einen intereſſanten Beleg. Wie der Beſitz juri- ſtiſch etwas anderes iſt als das Eigenthum, ſo hat er auch einen andern Äſti- mationswerth. Nichts deſto weniger wollte noch Servius den Werth der Sache als Werth des Beſitzes gelten laſſen: tanti possessionem aestiman[-] dam, quanti ipsa res est, wogegen denn Ulpian mit Recht bemerkt: sed longe aliud est rei pretium, longe aliud possessionis. S. auch Fr. Mommſen Lehre vom Intereſſe S. 47 fl. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0166" n="460"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/><hi rendition="#g">Ausdruck des wirthſchaftlichen Werthbewußtſeins<lb/> der Zeit</hi>, beide können auf die Dauer nie erheblich divergiren.</p><lb/> <p>Ignorirte nun der ältere Verkehr die Nutzungen der Sache,<lb/> wo ſie nur acceſſoriſch in Betracht kamen, ſo folgt daraus zwar<lb/> nicht, daß er ſie nicht dennoch ſelbſtändig in Form von Pacht<lb/> und Miethe hätte verwerthen können, allein auch nach dieſer<lb/> Seite hin ſcheint mir die oben bereits erwähnte Thatſache höchſt<lb/> beachtenswerth, daß es für ſie dem alten Recht an einem Maß-<lb/> ſtab der <hi rendition="#g">richterlichen Schätzung</hi> fehlte. Worauf hätte der<lb/> Richter den Vermiether oder Verpächter, der ſich der Erfüllung<lb/> des Vertrages weigerte oder den Gegner vor der Zeit exmittirte,<lb/> verurtheilen ſollen? Allerdings bot, wie bereits bemerkt, die<lb/> Conventionalpön ein indirectes Sicherungsmittel, allein daß<lb/> es eben eines indirecten Mittels bedurfte, daß das Recht nur<lb/> Verpflichtung auf das Geben <hi rendition="#aq">(dare)</hi> einer Sache anerkannte,<lb/> das <hi rendition="#aq">facere</hi> aber (im römiſchen Sinn fällt darunter auch die<lb/> Miethe von Sachen wie von Perſonen) nicht für ein richterlich<lb/> ſchätzbares Werthobject anerkannte, beweiſt eben die von mir<lb/> dem ältern Verkehr und Recht zur Laſt gelegte <hi rendition="#g">materialiſti-<lb/> ſche Erfaſſung des Werthbegriffs</hi>. Der Ausdruck:<lb/><hi rendition="#aq">quanti ea <hi rendition="#g">res</hi> est,</hi> mittelſt deſſen der Prätor den Richter zur<lb/> Aeſtimation anwies, hatte wie der Ausdruck <hi rendition="#aq">fructus</hi> urſprüng-<lb/> lich eine rein wörtliche Bedeutung; <hi rendition="#g">Sache</hi> und <hi rendition="#g">Werth</hi> waren<lb/> urſprünglich und lange gleichbedeutend. <note place="foot" n="597)">Wie lange die alte Anſchauungsweiſe, die bei der Schätzung nur<lb/> die Sache ſelbſt in ihrer Totalität ins Auge faßte, ſich erhielt, dafür gibt die<lb/><hi rendition="#aq">L. 3 § 1 uti poss. (43. 17)</hi> einen intereſſanten Beleg. Wie der Beſitz juri-<lb/> ſtiſch etwas anderes iſt als das Eigenthum, ſo hat er auch einen andern Äſti-<lb/> mationswerth. Nichts deſto weniger wollte noch Servius den Werth der<lb/> Sache als Werth des Beſitzes gelten laſſen: <hi rendition="#aq">tanti possessionem aestiman<supplied>-</supplied><lb/> dam, quanti ipsa res est,</hi> wogegen denn Ulpian mit Recht bemerkt: <hi rendition="#aq">sed<lb/> longe aliud est <hi rendition="#g">rei</hi> pretium, longe aliud possessionis.</hi> S. auch Fr.<lb/> Mommſen Lehre vom Intereſſe S. 47 fl.</note></p><lb/> <p>Das Reſultat der bisherigen Ausführung läßt ſich in den<lb/> Satz zuſammen faſſen: <hi rendition="#g">der ältere Verkehr operirte mit</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [460/0166]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
Ausdruck des wirthſchaftlichen Werthbewußtſeins
der Zeit, beide können auf die Dauer nie erheblich divergiren.
Ignorirte nun der ältere Verkehr die Nutzungen der Sache,
wo ſie nur acceſſoriſch in Betracht kamen, ſo folgt daraus zwar
nicht, daß er ſie nicht dennoch ſelbſtändig in Form von Pacht
und Miethe hätte verwerthen können, allein auch nach dieſer
Seite hin ſcheint mir die oben bereits erwähnte Thatſache höchſt
beachtenswerth, daß es für ſie dem alten Recht an einem Maß-
ſtab der richterlichen Schätzung fehlte. Worauf hätte der
Richter den Vermiether oder Verpächter, der ſich der Erfüllung
des Vertrages weigerte oder den Gegner vor der Zeit exmittirte,
verurtheilen ſollen? Allerdings bot, wie bereits bemerkt, die
Conventionalpön ein indirectes Sicherungsmittel, allein daß
es eben eines indirecten Mittels bedurfte, daß das Recht nur
Verpflichtung auf das Geben (dare) einer Sache anerkannte,
das facere aber (im römiſchen Sinn fällt darunter auch die
Miethe von Sachen wie von Perſonen) nicht für ein richterlich
ſchätzbares Werthobject anerkannte, beweiſt eben die von mir
dem ältern Verkehr und Recht zur Laſt gelegte materialiſti-
ſche Erfaſſung des Werthbegriffs. Der Ausdruck:
quanti ea res est, mittelſt deſſen der Prätor den Richter zur
Aeſtimation anwies, hatte wie der Ausdruck fructus urſprüng-
lich eine rein wörtliche Bedeutung; Sache und Werth waren
urſprünglich und lange gleichbedeutend. 597)
Das Reſultat der bisherigen Ausführung läßt ſich in den
Satz zuſammen faſſen: der ältere Verkehr operirte mit
597) Wie lange die alte Anſchauungsweiſe, die bei der Schätzung nur
die Sache ſelbſt in ihrer Totalität ins Auge faßte, ſich erhielt, dafür gibt die
L. 3 § 1 uti poss. (43. 17) einen intereſſanten Beleg. Wie der Beſitz juri-
ſtiſch etwas anderes iſt als das Eigenthum, ſo hat er auch einen andern Äſti-
mationswerth. Nichts deſto weniger wollte noch Servius den Werth der
Sache als Werth des Beſitzes gelten laſſen: tanti possessionem aestiman-
dam, quanti ipsa res est, wogegen denn Ulpian mit Recht bemerkt: sed
longe aliud est rei pretium, longe aliud possessionis. S. auch Fr.
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