Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
Innehaber sein Recht abzuleiten, bestreitet ihm umgekehrt die Zuständigkeit desselben, letzterer überträgt nicht, sondern tritt ab, weicht zurück (cedit in jure), jener aber leitet sein Recht formell aus seiner eignen Person ab (vindicat). Ob auch die Tradition in dieser Weise aufgelöst werden darf, kann zweifelhaft sein. Für das neuere Recht halte ich es allerdings nicht für zulässig, allein dies schließt die Annahme für das äl- tere Recht nicht aus.
Der im vorhergehenden aufgestellten Behauptung ließe sich die Fassung geben, daß das ältere Recht keine eigentliche Suc- cession d. h. keinen Eintritt in das Recht, sondern nur in die Sache eines Andern kannte. Daraus aber würde folgen, daß alle Rechte mit Ausnahme des Eigenthums unübertragbar gewesen seien, denn jener Ersatz der Succession ins Recht durch Succes- sion in die Sache war nur beim Eigenthum möglich, weil nur hier Sache und Recht sich deckten. Ist nun jene Behauptung nicht eine verwegene? So scheint es. Allein man erlaube mir folgende Erläuterung. Zunächst kann man mir entgegensetzen die Universalsuccession. Allein hier erfolgt der Eintritt bekannt- lich nicht in die einzelnen Rechte, sondern in die Gesammtper- sönlichkeit des Erblassers oder, um diesen neuerdings angefoch- tenen Ausdruck zu vermeiden, der Erbe wird in allen Beziehun- gen Repräsentant des Erblassers, loco defuncti. Dies Ver- hältniß scheidet von unserer Betrachtung völlig aus, denn unsere Behauptung bezieht sich nur auf die Unübertragbarkeit der einzelnen Rechte oder die Möglichkeit der Singularsuc- cession. Nun läugne ich allerdings nicht, daß das römische Recht neben den Verhältnissen, in denen es an dieser Unübertragbar- keit fortdauernd festgehalten, nämlich dem Mancipium (S. 192 Anm. 277), der Obligation, den Servituten und der Erbschaft (mit Ausnahme der deferirten hereditas legitima) andere auf- weist, in denen es eine Uebertragung zuläßt, nämlich aus dem Familienrecht: die Uebertragung der väterlichen Gewalt und der Tutel, aus dem Vermögensrecht die gerichtliche Abtretung
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
Innehaber ſein Recht abzuleiten, beſtreitet ihm umgekehrt die Zuſtändigkeit deſſelben, letzterer überträgt nicht, ſondern tritt ab, weicht zurück (cedit in jure), jener aber leitet ſein Recht formell aus ſeiner eignen Perſon ab (vindicat). Ob auch die Tradition in dieſer Weiſe aufgelöſt werden darf, kann zweifelhaft ſein. Für das neuere Recht halte ich es allerdings nicht für zuläſſig, allein dies ſchließt die Annahme für das äl- tere Recht nicht aus.
Der im vorhergehenden aufgeſtellten Behauptung ließe ſich die Faſſung geben, daß das ältere Recht keine eigentliche Suc- ceſſion d. h. keinen Eintritt in das Recht, ſondern nur in die Sache eines Andern kannte. Daraus aber würde folgen, daß alle Rechte mit Ausnahme des Eigenthums unübertragbar geweſen ſeien, denn jener Erſatz der Succeſſion ins Recht durch Succeſ- ſion in die Sache war nur beim Eigenthum möglich, weil nur hier Sache und Recht ſich deckten. Iſt nun jene Behauptung nicht eine verwegene? So ſcheint es. Allein man erlaube mir folgende Erläuterung. Zunächſt kann man mir entgegenſetzen die Univerſalſucceſſion. Allein hier erfolgt der Eintritt bekannt- lich nicht in die einzelnen Rechte, ſondern in die Geſammtper- ſönlichkeit des Erblaſſers oder, um dieſen neuerdings angefoch- tenen Ausdruck zu vermeiden, der Erbe wird in allen Beziehun- gen Repräſentant des Erblaſſers, loco defuncti. Dies Ver- hältniß ſcheidet von unſerer Betrachtung völlig aus, denn unſere Behauptung bezieht ſich nur auf die Unübertragbarkeit der einzelnen Rechte oder die Möglichkeit der Singularſuc- ceſſion. Nun läugne ich allerdings nicht, daß das römiſche Recht neben den Verhältniſſen, in denen es an dieſer Unübertragbar- keit fortdauernd feſtgehalten, nämlich dem Mancipium (S. 192 Anm. 277), der Obligation, den Servituten und der Erbſchaft (mit Ausnahme der deferirten hereditas legitima) andere auf- weiſt, in denen es eine Uebertragung zuläßt, nämlich aus dem Familienrecht: die Uebertragung der väterlichen Gewalt und der Tutel, aus dem Vermögensrecht die gerichtliche Abtretung
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
Innehaber ſein Recht abzuleiten, beſtreitet ihm umgekehrt
die Zuſtändigkeit deſſelben, letzterer überträgt nicht, ſondern
tritt ab, weicht zurück (cedit in jure), jener aber leitet ſein
Recht formell aus ſeiner eignen Perſon ab (vindicat). Ob
auch die Tradition in dieſer Weiſe aufgelöſt werden darf, kann
zweifelhaft ſein. Für das neuere Recht halte ich es allerdings
nicht für zuläſſig, allein dies ſchließt die Annahme für das äl-
tere Recht nicht aus.
Der im vorhergehenden aufgeſtellten Behauptung ließe ſich
die Faſſung geben, daß das ältere Recht keine eigentliche Suc-
ceſſion d. h. keinen Eintritt in das Recht, ſondern nur in die
Sache eines Andern kannte. Daraus aber würde folgen, daß alle
Rechte mit Ausnahme des Eigenthums unübertragbar geweſen
ſeien, denn jener Erſatz der Succeſſion ins Recht durch Succeſ-
ſion in die Sache war nur beim Eigenthum möglich, weil nur
hier Sache und Recht ſich deckten. Iſt nun jene Behauptung
nicht eine verwegene? So ſcheint es. Allein man erlaube mir
folgende Erläuterung. Zunächſt kann man mir entgegenſetzen
die Univerſalſucceſſion. Allein hier erfolgt der Eintritt bekannt-
lich nicht in die einzelnen Rechte, ſondern in die Geſammtper-
ſönlichkeit des Erblaſſers oder, um dieſen neuerdings angefoch-
tenen Ausdruck zu vermeiden, der Erbe wird in allen Beziehun-
gen Repräſentant des Erblaſſers, loco defuncti. Dies Ver-
hältniß ſcheidet von unſerer Betrachtung völlig aus, denn unſere
Behauptung bezieht ſich nur auf die Unübertragbarkeit der
einzelnen Rechte oder die Möglichkeit der Singularſuc-
ceſſion. Nun läugne ich allerdings nicht, daß das römiſche Recht
neben den Verhältniſſen, in denen es an dieſer Unübertragbar-
keit fortdauernd feſtgehalten, nämlich dem Mancipium (S. 192
Anm. 277), der Obligation, den Servituten und der Erbſchaft
(mit Ausnahme der deferirten hereditas legitima) andere auf-
weiſt, in denen es eine Uebertragung zuläßt, nämlich aus dem
Familienrecht: die Uebertragung der väterlichen Gewalt und
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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/168>, abgerufen am 16.02.2025.
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