Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. beide gebennicht den Gedanken selbst, wäre immerhin die For-mulirung desselben eine noch so genaue, so wenig wie das treueste Bild den Gegenstand selbst gewährt, sondern nur die Aufforderung und den Anhaltspunkt, sich ihn zu recon- struiren. Eben darum aber genügt in beiden Fällen nicht ein bloß Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. beide gebennicht den Gedanken ſelbſt, wäre immerhin die For-mulirung deſſelben eine noch ſo genaue, ſo wenig wie das treueſte Bild den Gegenſtand ſelbſt gewährt, ſondern nur die Aufforderung und den Anhaltspunkt, ſich ihn zu recon- ſtruiren. Eben darum aber genügt in beiden Fällen nicht ein bloß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0178" n="472"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> beide gebennicht den Gedanken ſelbſt, wäre immerhin die For-<lb/> mulirung deſſelben eine noch ſo genaue, ſo wenig wie das<lb/> treueſte Bild den Gegenſtand ſelbſt gewährt, ſondern nur die<lb/> Aufforderung und den Anhaltspunkt, ſich ihn zu <hi rendition="#g">recon-<lb/> ſtruiren</hi>.</p><lb/> <p>Eben darum aber genügt in beiden Fällen nicht ein bloß<lb/> paſſives Verhalten, ein bloßes <hi rendition="#g">Entgegennehmen</hi> eines<lb/><hi rendition="#g">Gegebenen</hi>, denn das Gegebene iſt nicht das, was man<lb/> geben <hi rendition="#g">will</hi>, ſondern es ſoll nur als Mittel für den Andern<lb/> dienen, ſich das, was er <hi rendition="#g">haben</hi> ſoll, bei richtigem Ge-<lb/> brauch zu <hi rendition="#g">verſchaffen</hi>; es bedarf vielmehr einer <hi rendition="#g">Selbſt-<lb/> thätigkeit</hi> von ſeiner Seite. Hier ſcheiden ſich nun die gram-<lb/> matiſche und logiſche Interpretation. Erſtere entzieht ſich die-<lb/> ſem Anſinnen einer ſelbſtthätigen Verwendung des Gegebenen,<lb/> ſie <hi rendition="#g">bleibt</hi> bei letzterem, <hi rendition="#g">bei den Worten ſtehen</hi>, wie es<lb/> die Sprache ganz treffend ausdrückt. Sie betrachtet alſo die<lb/> Worte als das, was ſie nie ſind und ſein können, als den Ge-<lb/> danken ſelbſt in ſeiner Sichtbarkeit und Objectivität oder, was<lb/> daſſelbe iſt, als das ansſchließlich in Betracht kommende <hi rendition="#g">Sur-<lb/> rogat</hi> deſſelben. Letztere hingegen geht, dem wahren Weſen<lb/> der Gedankenmittheilung gemäß, um mich auch hier des ganz<lb/> bezeichnenden Ausdrucks der Sprache zu bedienen, <hi rendition="#g">über die<lb/> Worte hinaus</hi> d. h. ſie verſetzt ſich in die Seele des Re-<lb/> denden, ſucht den Gedanken gewiſſermaßen in ſeiner Heimath<lb/> auf. Der Schauplatz <hi rendition="#g">ihrer</hi> Thätigkeit iſt die Seele des Re-<lb/> denden, der Schauplatz <hi rendition="#g">jener</hi> das nackte Wort. Was nicht in<lb/> den Worten liegt, ſondern jenſeits derſelben in der Seele des<lb/> Redenden, exiſtirt für letztere nicht, weil es ſich eben nicht im<lb/> Wort verkörpert hat. Sie hält ſich, wie die Sprache es nennt,<lb/> an das <hi rendition="#g">todte</hi> Wort; <hi rendition="#g">todt</hi>, weil es nicht den lebendigen Ge-<lb/> danken wieder gibt, ſondern nur eine Todtenmaske deſſelben.<lb/> Ihr einziges Augenmerk kann alſo nur darauf gerichtet ſein,<lb/> den Sinn anzugeben, den die Worte als ſolche nach Maßgabe<lb/> des Sprachgebrauchs haben, den objectiven Wortgehalt; ob<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [472/0178]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
beide gebennicht den Gedanken ſelbſt, wäre immerhin die For-
mulirung deſſelben eine noch ſo genaue, ſo wenig wie das
treueſte Bild den Gegenſtand ſelbſt gewährt, ſondern nur die
Aufforderung und den Anhaltspunkt, ſich ihn zu recon-
ſtruiren.
Eben darum aber genügt in beiden Fällen nicht ein bloß
paſſives Verhalten, ein bloßes Entgegennehmen eines
Gegebenen, denn das Gegebene iſt nicht das, was man
geben will, ſondern es ſoll nur als Mittel für den Andern
dienen, ſich das, was er haben ſoll, bei richtigem Ge-
brauch zu verſchaffen; es bedarf vielmehr einer Selbſt-
thätigkeit von ſeiner Seite. Hier ſcheiden ſich nun die gram-
matiſche und logiſche Interpretation. Erſtere entzieht ſich die-
ſem Anſinnen einer ſelbſtthätigen Verwendung des Gegebenen,
ſie bleibt bei letzterem, bei den Worten ſtehen, wie es
die Sprache ganz treffend ausdrückt. Sie betrachtet alſo die
Worte als das, was ſie nie ſind und ſein können, als den Ge-
danken ſelbſt in ſeiner Sichtbarkeit und Objectivität oder, was
daſſelbe iſt, als das ansſchließlich in Betracht kommende Sur-
rogat deſſelben. Letztere hingegen geht, dem wahren Weſen
der Gedankenmittheilung gemäß, um mich auch hier des ganz
bezeichnenden Ausdrucks der Sprache zu bedienen, über die
Worte hinaus d. h. ſie verſetzt ſich in die Seele des Re-
denden, ſucht den Gedanken gewiſſermaßen in ſeiner Heimath
auf. Der Schauplatz ihrer Thätigkeit iſt die Seele des Re-
denden, der Schauplatz jener das nackte Wort. Was nicht in
den Worten liegt, ſondern jenſeits derſelben in der Seele des
Redenden, exiſtirt für letztere nicht, weil es ſich eben nicht im
Wort verkörpert hat. Sie hält ſich, wie die Sprache es nennt,
an das todte Wort; todt, weil es nicht den lebendigen Ge-
danken wieder gibt, ſondern nur eine Todtenmaske deſſelben.
Ihr einziges Augenmerk kann alſo nur darauf gerichtet ſein,
den Sinn anzugeben, den die Worte als ſolche nach Maßgabe
des Sprachgebrauchs haben, den objectiven Wortgehalt; ob
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