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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. II. Die Wortinterpretation. §. 44.
derselbe der wirklichen Meinung des Redenden entspricht, ist
für sie gleichgültig und muß es sein, wenn sie sich nicht selbst
verläugnen will. Damit aber ist sie gerichtet.

Der Gegensatz beider Auffassungsweisen läßt sich demgemäß
mit den Ausdrücken objectiv und absolut für die eine,
und subjectiv und individuell für die andere bezeichnen.
Letztere setzt das Wort in Verbindung mit seinem Urheber
und gibt unter Zuhülfenahme von sonstigen Momenten an,
was dieses Subject in diesem individuellen Fall damit
hat sagen wollen, bestimmt also am letzten Ende die Kraft und
Bedeutung des Wortes nicht aus ihm selbst, sondern anders-
woher. Darauf beruht es, daß bei dieser Art der Auslegung
dasselbe Wort und derselbe Satz je nach Verschiedenheit jener
rein individuellen Beziehungen einen verschiedenen Sinn erhal-
ten kann. Bei der andern Art ist dies nicht möglich; für sie,
die das Wort als etwas Selbständiges, von der Subjectivität
des Redenden Unabhängiges, rein aus und durch sich selbst zu
Bestimmendes nimmt, muß dasselbe Wort, derselbe Satz, von
wem und unter welchen Verhältnissen er auch gebraucht wird,
immer dieselbe Bedeutung haben. Der Gegensatz der absoluten
oder objectiven und subjectiven oder individuellen Bestimmung,
den wir bereits bei einer früheren Gelegenheit als einen charak-
teristischen Divergenzpunkt des ältern und neuern Rechts haben
kennen lernen, (S. 109 u. fl.) und für den auch der nächste
Paragraph einen neuen Beleg liefern wird, wiederholt sich also
wie bei der Bestimmung des Werthes und der Zeit, so auch
bei der des Wortes.

Ueber das Werthverhältniß jener beiden Interpretationen
zu einander kann nach dem bisherigen kein Zweifel sein. Dem
Wesen der geistigen Mittheilung entspricht allein die logische
Interpretation; sie legt dem Wort keine andere Function und
keinen andern Werth bei, als dasselbe einmal hat. Wäre die
Annahme, von der die grammatische Interpretation ausgeht,
wahr, daß nämlich der Gedanke selbst sich als solcher wieder-

Haften an der Aeußerlichkeit. II. Die Wortinterpretation. §. 44.
derſelbe der wirklichen Meinung des Redenden entſpricht, iſt
für ſie gleichgültig und muß es ſein, wenn ſie ſich nicht ſelbſt
verläugnen will. Damit aber iſt ſie gerichtet.

Der Gegenſatz beider Auffaſſungsweiſen läßt ſich demgemäß
mit den Ausdrücken objectiv und abſolut für die eine,
und ſubjectiv und individuell für die andere bezeichnen.
Letztere ſetzt das Wort in Verbindung mit ſeinem Urheber
und gibt unter Zuhülfenahme von ſonſtigen Momenten an,
was dieſes Subject in dieſem individuellen Fall damit
hat ſagen wollen, beſtimmt alſo am letzten Ende die Kraft und
Bedeutung des Wortes nicht aus ihm ſelbſt, ſondern anders-
woher. Darauf beruht es, daß bei dieſer Art der Auslegung
daſſelbe Wort und derſelbe Satz je nach Verſchiedenheit jener
rein individuellen Beziehungen einen verſchiedenen Sinn erhal-
ten kann. Bei der andern Art iſt dies nicht möglich; für ſie,
die das Wort als etwas Selbſtändiges, von der Subjectivität
des Redenden Unabhängiges, rein aus und durch ſich ſelbſt zu
Beſtimmendes nimmt, muß daſſelbe Wort, derſelbe Satz, von
wem und unter welchen Verhältniſſen er auch gebraucht wird,
immer dieſelbe Bedeutung haben. Der Gegenſatz der abſoluten
oder objectiven und ſubjectiven oder individuellen Beſtimmung,
den wir bereits bei einer früheren Gelegenheit als einen charak-
teriſtiſchen Divergenzpunkt des ältern und neuern Rechts haben
kennen lernen, (S. 109 u. fl.) und für den auch der nächſte
Paragraph einen neuen Beleg liefern wird, wiederholt ſich alſo
wie bei der Beſtimmung des Werthes und der Zeit, ſo auch
bei der des Wortes.

Ueber das Werthverhältniß jener beiden Interpretationen
zu einander kann nach dem bisherigen kein Zweifel ſein. Dem
Weſen der geiſtigen Mittheilung entſpricht allein die logiſche
Interpretation; ſie legt dem Wort keine andere Function und
keinen andern Werth bei, als daſſelbe einmal hat. Wäre die
Annahme, von der die grammatiſche Interpretation ausgeht,
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[473/0179] Haften an der Aeußerlichkeit. II. Die Wortinterpretation. §. 44. derſelbe der wirklichen Meinung des Redenden entſpricht, iſt für ſie gleichgültig und muß es ſein, wenn ſie ſich nicht ſelbſt verläugnen will. Damit aber iſt ſie gerichtet. Der Gegenſatz beider Auffaſſungsweiſen läßt ſich demgemäß mit den Ausdrücken objectiv und abſolut für die eine, und ſubjectiv und individuell für die andere bezeichnen. Letztere ſetzt das Wort in Verbindung mit ſeinem Urheber und gibt unter Zuhülfenahme von ſonſtigen Momenten an, was dieſes Subject in dieſem individuellen Fall damit hat ſagen wollen, beſtimmt alſo am letzten Ende die Kraft und Bedeutung des Wortes nicht aus ihm ſelbſt, ſondern anders- woher. Darauf beruht es, daß bei dieſer Art der Auslegung daſſelbe Wort und derſelbe Satz je nach Verſchiedenheit jener rein individuellen Beziehungen einen verſchiedenen Sinn erhal- ten kann. Bei der andern Art iſt dies nicht möglich; für ſie, die das Wort als etwas Selbſtändiges, von der Subjectivität des Redenden Unabhängiges, rein aus und durch ſich ſelbſt zu Beſtimmendes nimmt, muß daſſelbe Wort, derſelbe Satz, von wem und unter welchen Verhältniſſen er auch gebraucht wird, immer dieſelbe Bedeutung haben. Der Gegenſatz der abſoluten oder objectiven und ſubjectiven oder individuellen Beſtimmung, den wir bereits bei einer früheren Gelegenheit als einen charak- teriſtiſchen Divergenzpunkt des ältern und neuern Rechts haben kennen lernen, (S. 109 u. fl.) und für den auch der nächſte Paragraph einen neuen Beleg liefern wird, wiederholt ſich alſo wie bei der Beſtimmung des Werthes und der Zeit, ſo auch bei der des Wortes. Ueber das Werthverhältniß jener beiden Interpretationen zu einander kann nach dem bisherigen kein Zweifel ſein. Dem Weſen der geiſtigen Mittheilung entſpricht allein die logiſche Interpretation; ſie legt dem Wort keine andere Function und keinen andern Werth bei, als daſſelbe einmal hat. Wäre die Annahme, von der die grammatiſche Interpretation ausgeht, wahr, daß nämlich der Gedanke ſelbſt ſich als ſolcher wieder-

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/179>, abgerufen am 21.11.2024.