Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. III. Der Formalismus. 1. Das Wesen desselben im allgemeinen. Begriff des formellen und formlosen Geschäfts -- Kritik des For- XLV. Von allen Charakterzügen des älteren Rechts drängt Es ist ein eigenthümliches Verhältniß, welches gerade zwi- Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. III. Der Formalismus. 1. Das Weſen deſſelben im allgemeinen. Begriff des formellen und formloſen Geſchäfts — Kritik des For- XLV. Von allen Charakterzügen des älteren Rechts drängt Es iſt ein eigenthümliches Verhältniß, welches gerade zwi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <pb facs="#f0202" n="496"/> <fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw> </div> </div><lb/> <div n="6"> <head><hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus.</head><lb/> <div n="7"> <head><hi rendition="#b">1. Das Weſen deſſelben im allgemeinen</hi>.</head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#b">Begriff des formellen und formloſen Geſchäfts — Kritik des For-<lb/> malismus vom praktiſchen und ethiſchen Standpunkt — allge-<lb/> gemeine und beſondere Vortheile und Nachtheile der Form, wech-<lb/> ſelndes Verhältniß beider — die hiſtoriſchen Gründe des Forma-<lb/> lismus — die Macht des Sinnlichen und der Formenſinn.</hi> </p> </argument><lb/> <p><hi rendition="#aq">XLV.</hi> Von allen Charakterzügen des älteren Rechts drängt<lb/> ſich in dem Maße kein anderer ſofort auch der oberflächlichſten<lb/> Betrachtung auf, als das durch und durch formelle Gepräge<lb/> deſſelben. Liegt dies an uns, an unſerm einer ſolchen Erſchei-<lb/> nung im heutigen Recht minder gewöhnten und darum beſon-<lb/> ders dafür empfänglichen Auge? Gewiß nicht! Dieſer Cha-<lb/> rakterzug iſt objectiv der am ſchärfſten ausgeprägte, am conſe-<lb/> quenteſten durchgeführte; ſelbſt der Gedanke der Freiheit, der<lb/> ihm im übrigen am nächſten kömmt, und der wie er durch das<lb/> ganze Recht, das öffentliche wie das Privatrecht geht, ſelbſt er<lb/> kann ſich nicht mit ihm meſſen. Kein materielles Princip ver-<lb/> ſtattete eine ſo rückſichtsloſe, ungehemmte Durchführung, wie<lb/> das der Form, kein Element des alten Rechts hat ſich ſo lange<lb/> erhalten; <hi rendition="#g">die römiſchen Formen haben die römiſche<lb/> Freiheit überlebt</hi>.</p><lb/> <p>Es iſt ein eigenthümliches Verhältniß, welches gerade zwi-<lb/> ſchen dieſen beiden Fundamentalgedanken des römiſchen Rechts<lb/> obwaltet. Scheinbar ſich widerſprechend — denn der höchſten<lb/> Freiheit des <hi rendition="#g">materiellen</hi> Wollens, welche der eine gewährt,<lb/> ſetzt der andere die äußerſte Gebundenheit in <hi rendition="#g">formeller</hi> Be-<lb/> ziehung entgegen — ſcheinbar ſich widerſprechend verrathen ſie<lb/> durch den <hi rendition="#g">Parallelismus ihrer Entwicklungslinien</hi>,<lb/> daß ſie ſich gegenſeitig bedingen und durch eine geheime Wechſel-<lb/> beziehung aufs engſte aneinander gekettet ſind. Die Blüthezeit<lb/> der Freiheit iſt zugleich die Periode der peinlichſten Strenge in<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [496/0202]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
III. Der Formalismus.
1. Das Weſen deſſelben im allgemeinen.
Begriff des formellen und formloſen Geſchäfts — Kritik des For-
malismus vom praktiſchen und ethiſchen Standpunkt — allge-
gemeine und beſondere Vortheile und Nachtheile der Form, wech-
ſelndes Verhältniß beider — die hiſtoriſchen Gründe des Forma-
lismus — die Macht des Sinnlichen und der Formenſinn.
XLV. Von allen Charakterzügen des älteren Rechts drängt
ſich in dem Maße kein anderer ſofort auch der oberflächlichſten
Betrachtung auf, als das durch und durch formelle Gepräge
deſſelben. Liegt dies an uns, an unſerm einer ſolchen Erſchei-
nung im heutigen Recht minder gewöhnten und darum beſon-
ders dafür empfänglichen Auge? Gewiß nicht! Dieſer Cha-
rakterzug iſt objectiv der am ſchärfſten ausgeprägte, am conſe-
quenteſten durchgeführte; ſelbſt der Gedanke der Freiheit, der
ihm im übrigen am nächſten kömmt, und der wie er durch das
ganze Recht, das öffentliche wie das Privatrecht geht, ſelbſt er
kann ſich nicht mit ihm meſſen. Kein materielles Princip ver-
ſtattete eine ſo rückſichtsloſe, ungehemmte Durchführung, wie
das der Form, kein Element des alten Rechts hat ſich ſo lange
erhalten; die römiſchen Formen haben die römiſche
Freiheit überlebt.
Es iſt ein eigenthümliches Verhältniß, welches gerade zwi-
ſchen dieſen beiden Fundamentalgedanken des römiſchen Rechts
obwaltet. Scheinbar ſich widerſprechend — denn der höchſten
Freiheit des materiellen Wollens, welche der eine gewährt,
ſetzt der andere die äußerſte Gebundenheit in formeller Be-
ziehung entgegen — ſcheinbar ſich widerſprechend verrathen ſie
durch den Parallelismus ihrer Entwicklungslinien,
daß ſie ſich gegenſeitig bedingen und durch eine geheime Wechſel-
beziehung aufs engſte aneinander gekettet ſind. Die Blüthezeit
der Freiheit iſt zugleich die Periode der peinlichſten Strenge in
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