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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Vorrede.
erschien" -- wornach es also bis ins vierte Jahrhundert der
Stadt hinein keinen Handel gegeben haben muß. So machten
denn die Römer für die Peregrinen das jus gentium, und
"sehr natürlich war es, daß ein nicht unbedeutender Theil
dieses jus gentium, was dem eigentlichen römischen Recht
bisher (bis wann?) noch ganz fremd gewesen war, förmlich
in dasselbe als integrirender, ergänzender Theil mit aufgenom-
men wurde. -- Daß aber nicht alles jus gentium schon damals
(wann?) mit in das römische Recht aufgenommen wurde, ist
gewiß, vielmehr schied sich das eigentliche Peregrinenrecht noch
längere Zeit hindurch scharf davon." -- Der Senat hatte in
dieser Periode eine "anerkannte und entschiedene gesetzgebende
Gewalt, ja er entwickelte dieselbe noch früher als das Volk und
die Senatsbeschlüsse waren und hießen im weitern Sinne leges."
Das Bedürfniß der alten Jurisprudenz wird folgendermaßen
motivirt. "Es wurde überhaupt jetzt (wann?) seitdem das rö-
mische Recht anfing sich in seinem Material zu erweitern, be-
sonders durch die Vereinigung des jus gentium mit dem
jus civile
die Nothwendigkeit einer zweckmäßigeren Verar-
beitung und Fortbildung dieses letztern durch die prudentes
und ihre Interpretation um so lebhafter gefühlt, weil es sonst
in Vergleichung mit dem jus gentium offenbar zurückgeblieben
wäre", wogegen freilich der bei Gelegenheit des prätorischen
Edicts behauptete "immer fühlbarer hervortretende Mangel
passender Grundsätze des jus gentium" seltsam contrastirt.

In der Geschichte des Eigenthums erfahren wir auch hier,
daß dasselbe "ursprünglich nur an beweglichen Sachen Statt
fand, diese Beschränkung jedoch schon ziemlich früh hinwegfiel,
ohne daß wir das Genauere davon wissen", bei den Obli-
gationen, daß "vielleicht schon vorher (d. h. vor den Verbal-
und Realcontracten) wenigstens sicher schon sehr früh",

Jhering, Geist d. röm. Rechts. II. *

Vorrede.
erſchien“ — wornach es alſo bis ins vierte Jahrhundert der
Stadt hinein keinen Handel gegeben haben muß. So machten
denn die Römer für die Peregrinen das jus gentium, und
ſehr natürlich war es, daß ein nicht unbedeutender Theil
dieſes jus gentium, was dem eigentlichen römiſchen Recht
bisher (bis wann?) noch ganz fremd geweſen war, förmlich
in daſſelbe als integrirender, ergänzender Theil mit aufgenom-
men wurde. — Daß aber nicht alles jus gentium ſchon damals
(wann?) mit in das römiſche Recht aufgenommen wurde, iſt
gewiß, vielmehr ſchied ſich das eigentliche Peregrinenrecht noch
längere Zeit hindurch ſcharf davon.“ — Der Senat hatte in
dieſer Periode eine „anerkannte und entſchiedene geſetzgebende
Gewalt, ja er entwickelte dieſelbe noch früher als das Volk und
die Senatsbeſchlüſſe waren und hießen im weitern Sinne leges.
Das Bedürfniß der alten Jurisprudenz wird folgendermaßen
motivirt. „Es wurde überhaupt jetzt (wann?) ſeitdem das rö-
miſche Recht anfing ſich in ſeinem Material zu erweitern, be-
ſonders durch die Vereinigung des jus gentium mit dem
jus civile
die Nothwendigkeit einer zweckmäßigeren Verar-
beitung und Fortbildung dieſes letztern durch die prudentes
und ihre Interpretation um ſo lebhafter gefühlt, weil es ſonſt
in Vergleichung mit dem jus gentium offenbar zurückgeblieben
wäre“, wogegen freilich der bei Gelegenheit des prätoriſchen
Edicts behauptete „immer fühlbarer hervortretende Mangel
paſſender Grundſätze des jus gentium“ ſeltſam contraſtirt.

In der Geſchichte des Eigenthums erfahren wir auch hier,
daß daſſelbe „urſprünglich nur an beweglichen Sachen Statt
fand, dieſe Beſchränkung jedoch ſchon ziemlich früh hinwegfiel,
ohne daß wir das Genauere davon wiſſen“, bei den Obli-
gationen, daß „vielleicht ſchon vorher (d. h. vor den Verbal-
und Realcontracten) wenigſtens ſicher ſchon ſehr früh“,

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[XVII/0023] Vorrede. erſchien“ — wornach es alſo bis ins vierte Jahrhundert der Stadt hinein keinen Handel gegeben haben muß. So machten denn die Römer für die Peregrinen das jus gentium, und „ſehr natürlich war es, daß ein nicht unbedeutender Theil dieſes jus gentium, was dem eigentlichen römiſchen Recht bisher (bis wann?) noch ganz fremd geweſen war, förmlich in daſſelbe als integrirender, ergänzender Theil mit aufgenom- men wurde. — Daß aber nicht alles jus gentium ſchon damals (wann?) mit in das römiſche Recht aufgenommen wurde, iſt gewiß, vielmehr ſchied ſich das eigentliche Peregrinenrecht noch längere Zeit hindurch ſcharf davon.“ — Der Senat hatte in dieſer Periode eine „anerkannte und entſchiedene geſetzgebende Gewalt, ja er entwickelte dieſelbe noch früher als das Volk und die Senatsbeſchlüſſe waren und hießen im weitern Sinne leges.“ Das Bedürfniß der alten Jurisprudenz wird folgendermaßen motivirt. „Es wurde überhaupt jetzt (wann?) ſeitdem das rö- miſche Recht anfing ſich in ſeinem Material zu erweitern, be- ſonders durch die Vereinigung des jus gentium mit dem jus civile die Nothwendigkeit einer zweckmäßigeren Verar- beitung und Fortbildung dieſes letztern durch die prudentes und ihre Interpretation um ſo lebhafter gefühlt, weil es ſonſt in Vergleichung mit dem jus gentium offenbar zurückgeblieben wäre“, wogegen freilich der bei Gelegenheit des prätoriſchen Edicts behauptete „immer fühlbarer hervortretende Mangel paſſender Grundſätze des jus gentium“ ſeltſam contraſtirt. In der Geſchichte des Eigenthums erfahren wir auch hier, daß daſſelbe „urſprünglich nur an beweglichen Sachen Statt fand, dieſe Beſchränkung jedoch ſchon ziemlich früh hinwegfiel, ohne daß wir das Genauere davon wiſſen“, bei den Obli- gationen, daß „vielleicht ſchon vorher (d. h. vor den Verbal- und Realcontracten) wenigſtens ſicher ſchon ſehr früh“, Jhering, Geiſt d. röm. Rechts. II. *

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/23>, abgerufen am 27.04.2024.