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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
doch von Anfang an nicht anders, als zum reinen Schein! --
Geld zuwägen? Schwerlich! Die uns bekannte Gestalt der
Mancipatio stammt sicherlich erst aus der Periode, wo das
Metall oder Geld das allgemeine Tauschmittel geworden war.
Aber ist sie darum ganz und gar neu, hat man die alte Form
völlig aufgegeben? Es würde dies der sonstigen Weise der rö-
mischen Entwicklung wenig entsprechen. Um es kurz zu sagen,
ich erblicke in der Mancipation eine Combination zweier Ele-
mente, eines ursprünglichen: des eigentlichen Acts der
Mancipation, von dem das Geschäft selbst seinen Namen trägt,
des manu capere der Sache, und eines jüngeren: des
Geldes oder der Zahlung per aes et libram. Aber woher
und warum dieser Zusatz, der ja die Brauchbarkeit der alten
Form verringerte, indem er sie weitläuftiger machte? In an-
derer Weise erhöhte er sie, wenn sonst die folgende Hypothese
das Rechte getroffen.

Justinian berichtet, 711) die XII Tafeln hätten verfügt, daß
verkaufte Sachen nicht eher ins Eigenthum des Käufers über-
gehen sollten, als bis der Käufer den Preis gezahlt oder den
Verkäufer auf andere Weise sicher gestellt habe. Es liegt kein
Grund vor, diese Mittheilung auf die res nec mancipi zu be-
schränken, ich hoffe im Gegentheil an einer andern Stelle wahr-
scheinlich zu machen, daß er sich gar nicht auf sie bezog. Galt
jener Satz aber für res mancipi, und erfolgte die Mancipation
derselben schon zur Zeit der XII Tafeln in der späteren Weise,
so bleibt nur ein Doppeltes übrig. Entweder nämlich sollte im
Sinne des Gesetzes die Scheinzahlung per aes et libram nicht
genügen, es sollte wirklich gezahlt werden, damit das Eigen-
thum übergehe, oder aber jene sollte ausreichen. Im letztern
Fall hätte die Aufstellung des Requisits der Zahlung gar keinen
Sinn gehabt; wozu eine Zahlung einschärfen, die in Wirklich-
keit keine war? Die erstere Annahme aber ist eben so miß-

711) §. 41 I. de R. D. (2. 1).

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
doch von Anfang an nicht anders, als zum reinen Schein! —
Geld zuwägen? Schwerlich! Die uns bekannte Geſtalt der
Mancipatio ſtammt ſicherlich erſt aus der Periode, wo das
Metall oder Geld das allgemeine Tauſchmittel geworden war.
Aber iſt ſie darum ganz und gar neu, hat man die alte Form
völlig aufgegeben? Es würde dies der ſonſtigen Weiſe der rö-
miſchen Entwicklung wenig entſprechen. Um es kurz zu ſagen,
ich erblicke in der Mancipation eine Combination zweier Ele-
mente, eines urſprünglichen: des eigentlichen Acts der
Mancipation, von dem das Geſchäft ſelbſt ſeinen Namen trägt,
des manu capere der Sache, und eines jüngeren: des
Geldes oder der Zahlung per aes et libram. Aber woher
und warum dieſer Zuſatz, der ja die Brauchbarkeit der alten
Form verringerte, indem er ſie weitläuftiger machte? In an-
derer Weiſe erhöhte er ſie, wenn ſonſt die folgende Hypotheſe
das Rechte getroffen.

Juſtinian berichtet, 711) die XII Tafeln hätten verfügt, daß
verkaufte Sachen nicht eher ins Eigenthum des Käufers über-
gehen ſollten, als bis der Käufer den Preis gezahlt oder den
Verkäufer auf andere Weiſe ſicher geſtellt habe. Es liegt kein
Grund vor, dieſe Mittheilung auf die res nec mancipi zu be-
ſchränken, ich hoffe im Gegentheil an einer andern Stelle wahr-
ſcheinlich zu machen, daß er ſich gar nicht auf ſie bezog. Galt
jener Satz aber für res mancipi, und erfolgte die Mancipation
derſelben ſchon zur Zeit der XII Tafeln in der ſpäteren Weiſe,
ſo bleibt nur ein Doppeltes übrig. Entweder nämlich ſollte im
Sinne des Geſetzes die Scheinzahlung per aes et libram nicht
genügen, es ſollte wirklich gezahlt werden, damit das Eigen-
thum übergehe, oder aber jene ſollte ausreichen. Im letztern
Fall hätte die Aufſtellung des Requiſits der Zahlung gar keinen
Sinn gehabt; wozu eine Zahlung einſchärfen, die in Wirklich-
keit keine war? Die erſtere Annahme aber iſt eben ſo miß-

711) §. 41 I. de R. D. (2. 1).
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[568/0274] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. doch von Anfang an nicht anders, als zum reinen Schein! — Geld zuwägen? Schwerlich! Die uns bekannte Geſtalt der Mancipatio ſtammt ſicherlich erſt aus der Periode, wo das Metall oder Geld das allgemeine Tauſchmittel geworden war. Aber iſt ſie darum ganz und gar neu, hat man die alte Form völlig aufgegeben? Es würde dies der ſonſtigen Weiſe der rö- miſchen Entwicklung wenig entſprechen. Um es kurz zu ſagen, ich erblicke in der Mancipation eine Combination zweier Ele- mente, eines urſprünglichen: des eigentlichen Acts der Mancipation, von dem das Geſchäft ſelbſt ſeinen Namen trägt, des manu capere der Sache, und eines jüngeren: des Geldes oder der Zahlung per aes et libram. Aber woher und warum dieſer Zuſatz, der ja die Brauchbarkeit der alten Form verringerte, indem er ſie weitläuftiger machte? In an- derer Weiſe erhöhte er ſie, wenn ſonſt die folgende Hypotheſe das Rechte getroffen. Juſtinian berichtet, 711) die XII Tafeln hätten verfügt, daß verkaufte Sachen nicht eher ins Eigenthum des Käufers über- gehen ſollten, als bis der Käufer den Preis gezahlt oder den Verkäufer auf andere Weiſe ſicher geſtellt habe. Es liegt kein Grund vor, dieſe Mittheilung auf die res nec mancipi zu be- ſchränken, ich hoffe im Gegentheil an einer andern Stelle wahr- ſcheinlich zu machen, daß er ſich gar nicht auf ſie bezog. Galt jener Satz aber für res mancipi, und erfolgte die Mancipation derſelben ſchon zur Zeit der XII Tafeln in der ſpäteren Weiſe, ſo bleibt nur ein Doppeltes übrig. Entweder nämlich ſollte im Sinne des Geſetzes die Scheinzahlung per aes et libram nicht genügen, es ſollte wirklich gezahlt werden, damit das Eigen- thum übergehe, oder aber jene ſollte ausreichen. Im letztern Fall hätte die Aufſtellung des Requiſits der Zahlung gar keinen Sinn gehabt; wozu eine Zahlung einſchärfen, die in Wirklich- keit keine war? Die erſtere Annahme aber iſt eben ſo miß- 711) §. 41 I. de R. D. (2. 1).

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/274>, abgerufen am 24.11.2024.