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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts.
dem Kauf gleicht, im dritten aber -- um uns bei dieser über-
aus bestrittenen Frage 733) auf das allein Sichere zu beschrän-
ken -- jedenfalls in der Formel eine der materiellen Ver-
schiedenheit des Verhältnisses entsprechende Abweichung von
der gewöhnlichen Mancipationsformel Statt fand. 734) In dem
zweiten und fünften Fall erreichte die Mancipation ihren Cul-
minationspunkt, sie hatte sich hier von dem natürlich sinnlichen
Requisit eines faßbaren Gegenstandes völlig losgerissen.
Dazu kamen in dem letzten Fall noch andere im Verlauf der
Darstellung bereits berührte Abweichungen und zwar von dem
Gewicht, daß wenn auch nicht die äußere Physiognomie, so doch
das innere Wesen und die juristische Natur der Mancipation
in diesem Fall bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit entstellt oder
richtiger völlig geopfert war. 735)

Die Anwendbarkeit der Mancipation erstreckte sich demnach
fast über das gesammte Privatrecht: das Vermögensrecht, Fa-
milienrecht und Erbrecht; nur das Obligationenrecht war ihr
verschlossen. Mittelbar reichte sie allerdings auch in letzteres
hinein (actio auctoritatis, Damnationslegat). Allein so wenig
man die Antretung der Erbschaft aus dem Grunde einen obli-
gatorischen Act nennen darf, weil sie mittelbar auch obligato-
rische Verhältnisse begründet, so wenig darf man dasselbe aus

733) Roßbach Untersuchungen über die röm. Ehe. S. 67--81.
734) Gaj. I, 123 .. cum a parentibus et coemptionatoribus iisdem
verbis mancipio accipiuntur, quibus servi, quod non similiter fit in
coemptione.
Im Sinne des gewöhnlichen Lebens -- denn eine juristische
Wahrheit hatte die Auffassung schwerlich -- mochte man sogar die Frau selbst
als Subject der Coemption bezeichnen: coemptionem facit z. B. Gaj. I, 115
u. a. a. Stellen.
735) Im richtigen Gefühl davon haben denn auch die römischen Juri-
sten die hereditas nicht unter die res mancipi gerechnet, während sie die Ru-
sticalservituten, trotzdem daß auch sie res incorporales sind (Gaj. II, 17)
unter ihrer Zahl aufführen. Ulp. XIX, 1. Daß die mancipirten freien Per-
sonen unter den res mancipi nicht mit genannt wurden, bedarf keiner Er-
klärung.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
dem Kauf gleicht, im dritten aber — um uns bei dieſer über-
aus beſtrittenen Frage 733) auf das allein Sichere zu beſchrän-
ken — jedenfalls in der Formel eine der materiellen Ver-
ſchiedenheit des Verhältniſſes entſprechende Abweichung von
der gewöhnlichen Mancipationsformel Statt fand. 734) In dem
zweiten und fünften Fall erreichte die Mancipation ihren Cul-
minationspunkt, ſie hatte ſich hier von dem natürlich ſinnlichen
Requiſit eines faßbaren Gegenſtandes völlig losgeriſſen.
Dazu kamen in dem letzten Fall noch andere im Verlauf der
Darſtellung bereits berührte Abweichungen und zwar von dem
Gewicht, daß wenn auch nicht die äußere Phyſiognomie, ſo doch
das innere Weſen und die juriſtiſche Natur der Mancipation
in dieſem Fall bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit entſtellt oder
richtiger völlig geopfert war. 735)

Die Anwendbarkeit der Mancipation erſtreckte ſich demnach
faſt über das geſammte Privatrecht: das Vermögensrecht, Fa-
milienrecht und Erbrecht; nur das Obligationenrecht war ihr
verſchloſſen. Mittelbar reichte ſie allerdings auch in letzteres
hinein (actio auctoritatis, Damnationslegat). Allein ſo wenig
man die Antretung der Erbſchaft aus dem Grunde einen obli-
gatoriſchen Act nennen darf, weil ſie mittelbar auch obligato-
riſche Verhältniſſe begründet, ſo wenig darf man daſſelbe aus

733) Roßbach Unterſuchungen über die röm. Ehe. S. 67—81.
734) Gaj. I, 123 .. cum a parentibus et coemptionatoribus iisdem
verbis mancipio accipiuntur, quibus servi, quod non similiter fit in
coemptione.
Im Sinne des gewöhnlichen Lebens — denn eine juriſtiſche
Wahrheit hatte die Auffaſſung ſchwerlich — mochte man ſogar die Frau ſelbſt
als Subject der Coemption bezeichnen: coemptionem facit z. B. Gaj. I, 115
u. a. a. Stellen.
735) Im richtigen Gefühl davon haben denn auch die römiſchen Juri-
ſten die hereditas nicht unter die res mancipi gerechnet, während ſie die Ru-
ſticalſervituten, trotzdem daß auch ſie res incorporales ſind (Gaj. II, 17)
unter ihrer Zahl aufführen. Ulp. XIX, 1. Daß die mancipirten freien Per-
ſonen unter den res mancipi nicht mit genannt wurden, bedarf keiner Er-
klärung.
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[578/0284] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. dem Kauf gleicht, im dritten aber — um uns bei dieſer über- aus beſtrittenen Frage 733) auf das allein Sichere zu beſchrän- ken — jedenfalls in der Formel eine der materiellen Ver- ſchiedenheit des Verhältniſſes entſprechende Abweichung von der gewöhnlichen Mancipationsformel Statt fand. 734) In dem zweiten und fünften Fall erreichte die Mancipation ihren Cul- minationspunkt, ſie hatte ſich hier von dem natürlich ſinnlichen Requiſit eines faßbaren Gegenſtandes völlig losgeriſſen. Dazu kamen in dem letzten Fall noch andere im Verlauf der Darſtellung bereits berührte Abweichungen und zwar von dem Gewicht, daß wenn auch nicht die äußere Phyſiognomie, ſo doch das innere Weſen und die juriſtiſche Natur der Mancipation in dieſem Fall bis zur gänzlichen Unkenntlichkeit entſtellt oder richtiger völlig geopfert war. 735) Die Anwendbarkeit der Mancipation erſtreckte ſich demnach faſt über das geſammte Privatrecht: das Vermögensrecht, Fa- milienrecht und Erbrecht; nur das Obligationenrecht war ihr verſchloſſen. Mittelbar reichte ſie allerdings auch in letzteres hinein (actio auctoritatis, Damnationslegat). Allein ſo wenig man die Antretung der Erbſchaft aus dem Grunde einen obli- gatoriſchen Act nennen darf, weil ſie mittelbar auch obligato- riſche Verhältniſſe begründet, ſo wenig darf man daſſelbe aus 733) Roßbach Unterſuchungen über die röm. Ehe. S. 67—81. 734) Gaj. I, 123 .. cum a parentibus et coemptionatoribus iisdem verbis mancipio accipiuntur, quibus servi, quod non similiter fit in coemptione. Im Sinne des gewöhnlichen Lebens — denn eine juriſtiſche Wahrheit hatte die Auffaſſung ſchwerlich — mochte man ſogar die Frau ſelbſt als Subject der Coemption bezeichnen: coemptionem facit z. B. Gaj. I, 115 u. a. a. Stellen. 735) Im richtigen Gefühl davon haben denn auch die römiſchen Juri- ſten die hereditas nicht unter die res mancipi gerechnet, während ſie die Ru- ſticalſervituten, trotzdem daß auch ſie res incorporales ſind (Gaj. II, 17) unter ihrer Zahl aufführen. Ulp. XIX, 1. Daß die mancipirten freien Per- ſonen unter den res mancipi nicht mit genannt wurden, bedarf keiner Er- klärung.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/284>, abgerufen am 16.07.2024.