Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. tor hat keine gesetzgebende Gewalt, und wenn er trotzdemRechtsgrundsätze in dem Edict aufstellt, so darf er sie doch nicht in die Form des Gesetzes, d. h. den Imperativ kleiden. Wie die bonorum possessio sich zur hereditas verhält, so der Conjunctiv des Prätors zum Imperativ des Volks, d. h. der Sache nach leistet er dasselbe, aber in der Form ist er verschieden. Aus der reichen Zahl von Beispielen nenne ich folgende:829) 1. exhibeas, restituas, satisdet, bona veneant. 2. ne quid facias, immittas, fiat, ne quis in jus vocet, vi eximat. 3. ut eant aut satisdent, solvat. Sodann ist der Conjunctiv die Form des Entwurfs oder 3. Der Infinitiv. Er ist die Form des Meinens, Auch das richterliche Urtheil kann außer der Form der Con- 829) Eine ganze Blumenlese von Conjunctiven s. in L. 1 §. 10 de ventre inspic. (25. 4). 830) Beispiele über verschiedene Anträge bei Briss. II, c. 1. 831) Die Einleitungsphrasen waren: placere videri, curae fore,
existimare, censere, arbitrari, aequum censere, judicare u. a. mit dem Accusativ cum Infinitiv oder bei Befehlen mit ut und ne, s. Briss. II, c. 73 und fl. Daß dieselben ursprünglich ohne allen Unterschied gebraucht sein Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. tor hat keine geſetzgebende Gewalt, und wenn er trotzdemRechtsgrundſätze in dem Edict aufſtellt, ſo darf er ſie doch nicht in die Form des Geſetzes, d. h. den Imperativ kleiden. Wie die bonorum possessio ſich zur hereditas verhält, ſo der Conjunctiv des Prätors zum Imperativ des Volks, d. h. der Sache nach leiſtet er daſſelbe, aber in der Form iſt er verſchieden. Aus der reichen Zahl von Beiſpielen nenne ich folgende:829) 1. exhibeas, restituas, satisdet, bona veneant. 2. ne quid facias, immittas, fiat, ne quis in jus vocet, vi eximat. 3. ut eant aut satisdent, solvat. Sodann iſt der Conjunctiv die Form des Entwurfs oder 3. Der Infinitiv. Er iſt die Form des Meinens, Auch das richterliche Urtheil kann außer der Form der Con- 829) Eine ganze Blumenleſe von Conjunctiven ſ. in L. 1 §. 10 de ventre inspic. (25. 4). 830) Beiſpiele über verſchiedene Anträge bei Briss. II, c. 1. 831) Die Einleitungsphraſen waren: placere videri, curae fore,
existimare, censere, arbitrari, aequum censere, judicare u. a. mit dem Accuſativ cum Infinitiv oder bei Befehlen mit ut und ne, ſ. Briss. II, c. 73 und fl. Daß dieſelben urſprünglich ohne allen Unterſchied gebraucht ſein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0337" n="631"/><fw place="top" type="header">Haften an der Aeußerlichkeit. <hi rendition="#aq">III.</hi> Der Formalismus. §. 47.</fw><lb/> tor hat keine geſetzgebende Gewalt, und wenn er trotzdem<lb/> Rechtsgrundſätze in dem Edict aufſtellt, ſo darf er ſie doch nicht<lb/> in die Form des Geſetzes, d. h. den Imperativ kleiden. Wie die<lb/><hi rendition="#aq">bonorum possessio</hi> ſich zur <hi rendition="#aq">hereditas</hi> verhält, ſo der Conjunctiv<lb/> des Prätors zum Imperativ des Volks, d. h. der <hi rendition="#g">Sache</hi> nach<lb/> leiſtet er daſſelbe, aber in der <hi rendition="#g">Form</hi> iſt er verſchieden. Aus<lb/> der reichen Zahl von Beiſpielen nenne ich folgende:<note place="foot" n="829)">Eine ganze Blumenleſe von Conjunctiven ſ. in <hi rendition="#aq">L. 1 §. 10 de<lb/> ventre inspic.</hi> (25. 4).</note></p><lb/> <list> <item>1. <hi rendition="#aq">exhibe<hi rendition="#g">as</hi>, restitu<hi rendition="#g">as</hi>, satis<hi rendition="#g">det</hi>, bona vene<hi rendition="#g">ant</hi>.</hi></item><lb/> <item>2. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ne</hi> quid facias, immittas, fiat, ne quis in jus vocet, vi<lb/> eximat.</hi></item><lb/> <item>3. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ut</hi> eant aut satisdent, solvat.</hi></item> </list><lb/> <p>Sodann iſt der Conjunctiv die Form des <hi rendition="#g">Entwurfs</hi> oder<lb/><hi rendition="#g">Antrages</hi>. Der Magiſtrat, der einen Geſetzentwurf oder<lb/> irgend einen Antrag ans Volk bringt, leitet ihn ein mit den<lb/> Worten: <hi rendition="#aq">rogo, velitis, jubeatis, Quirites,</hi> oder <hi rendition="#aq">vellent, jube-<lb/> rent,</hi> dem dann der Antrag ſelbſt durchweg in Form des Con-<lb/> junctivs gehalten folgt.<note place="foot" n="830)">Beiſpiele über verſchiedene Anträge bei <hi rendition="#aq">Briss. II, c.</hi> 1.</note> In derſelben Weiſe bedient ſich der<lb/> Senat dem Magiſtrat gegenüber des Conjunctivs, indem er<lb/> ihm den Entwurf der von ihm zu treffenden Verfügungen un-<lb/> terbreitet. Gewiſſermaßen erſcheint alſo der Conjunctiv, wie oben<lb/> als <hi rendition="#g">Vertreter</hi>, ſo hier als <hi rendition="#g">Vorläufer</hi> des Imperativs.</p><lb/> <p>3. Der <hi rendition="#g">Infinitiv</hi>. Er iſt die <hi rendition="#g">Form des Meinens</hi>,<lb/> der Anſicht, Ueberzeugung, Erklärung, des Gutachtens, Ur-<lb/> theils. Darum findet er ſeine Hauptanwendung in den Se-<lb/> natsbeſchlüſſen.<note xml:id="seg2pn_37_1" next="#seg2pn_37_2" place="foot" n="831)">Die Einleitungsphraſen waren: <hi rendition="#aq">placere videri, curae fore,<lb/> existimare, censere, arbitrari, aequum censere, judicare</hi> u. a. mit dem<lb/> Accuſativ cum Infinitiv oder bei Befehlen mit <hi rendition="#aq">ut</hi> und <hi rendition="#aq">ne</hi>, ſ. <hi rendition="#aq">Briss. II, c.</hi><lb/> 73 und fl. Daß dieſelben urſprünglich ohne allen Unterſchied gebraucht ſein</note></p><lb/> <p>Auch das richterliche Urtheil kann außer der Form der Con-<lb/> demnation die des bloßen <hi rendition="#g">Ausſpruches</hi> annehmen (B. 1<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [631/0337]
Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
tor hat keine geſetzgebende Gewalt, und wenn er trotzdem
Rechtsgrundſätze in dem Edict aufſtellt, ſo darf er ſie doch nicht
in die Form des Geſetzes, d. h. den Imperativ kleiden. Wie die
bonorum possessio ſich zur hereditas verhält, ſo der Conjunctiv
des Prätors zum Imperativ des Volks, d. h. der Sache nach
leiſtet er daſſelbe, aber in der Form iſt er verſchieden. Aus
der reichen Zahl von Beiſpielen nenne ich folgende: 829)
1. exhibeas, restituas, satisdet, bona veneant.
2. ne quid facias, immittas, fiat, ne quis in jus vocet, vi
eximat.
3. ut eant aut satisdent, solvat.
Sodann iſt der Conjunctiv die Form des Entwurfs oder
Antrages. Der Magiſtrat, der einen Geſetzentwurf oder
irgend einen Antrag ans Volk bringt, leitet ihn ein mit den
Worten: rogo, velitis, jubeatis, Quirites, oder vellent, jube-
rent, dem dann der Antrag ſelbſt durchweg in Form des Con-
junctivs gehalten folgt. 830) In derſelben Weiſe bedient ſich der
Senat dem Magiſtrat gegenüber des Conjunctivs, indem er
ihm den Entwurf der von ihm zu treffenden Verfügungen un-
terbreitet. Gewiſſermaßen erſcheint alſo der Conjunctiv, wie oben
als Vertreter, ſo hier als Vorläufer des Imperativs.
3. Der Infinitiv. Er iſt die Form des Meinens,
der Anſicht, Ueberzeugung, Erklärung, des Gutachtens, Ur-
theils. Darum findet er ſeine Hauptanwendung in den Se-
natsbeſchlüſſen. 831)
Auch das richterliche Urtheil kann außer der Form der Con-
demnation die des bloßen Ausſpruches annehmen (B. 1
829) Eine ganze Blumenleſe von Conjunctiven ſ. in L. 1 §. 10 de
ventre inspic. (25. 4).
830) Beiſpiele über verſchiedene Anträge bei Briss. II, c. 1.
831) Die Einleitungsphraſen waren: placere videri, curae fore,
existimare, censere, arbitrari, aequum censere, judicare u. a. mit dem
Accuſativ cum Infinitiv oder bei Befehlen mit ut und ne, ſ. Briss. II, c.
73 und fl. Daß dieſelben urſprünglich ohne allen Unterſchied gebraucht ſein
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