Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Proceß in Rom spielte; Processe unter römischen Bürgernaußerhalb Roms, ein Anwendungsfall der judicia imperio continentia 938) kamen, von dem Note 929 erwähnten Fall ab- gesehen, erst in späterer Zeit auf. Aber der alte Proceß ver- mochte sich dem Einfluß der Gebietserweiterung doch nicht ganz zu entziehen, und es sind bereits früher (S. 600 und S. 660) zwei Spuren nahmhaft gemacht, in denen dieser Einfluß unver- kennbar hervortritt, ich meine die Selbstdispensation des Prä- tors vom Erscheinen beim Vindicationsact an unbeweglichen Sachen und die den Partheien durch die lex Silia und Calpurnia gewährte Dispensation vom Erscheinen im ersten Termin. Einen ähnlichen Zweck, das nutzlose Reisen möglichst zu ersparen, hatte auch die lex Hortensia aus dem Jahr 465, welche bestimmte, daß die Nundinen, welche früher dies nefasti gewesen, 939) dies fasti sein sollten, was m. a. W. so viel hieß: das Landvolk könne, wenn es doch einmal des Marktes wegen zur Stadt komme, zugleich seine Rechtshändel abmachen. 940) Dem bisherigen nach dürfte sich die Behauptung rechtferti- Die Beschränkungen, denen die Form 942) der Rechtsge- 938) Gaj. IV, 105 .. extra primum urbis Romae miliarium. 939) Fest. Nundinai. 940) Macrob. Sat. I, 16: Lege Hortensia effectum est, ut (nundi- nae) fastae essent, uti rustici qui nundinandi causa in urbem venie- bant, lites componerent. 941) Die klassische Stelle dafür ist Liv. V, 52. 942) Die höchst wichtige Beziehung der Zeit zu dem Inhalt des Rechts-
geschäfts wird in der Theorie des subjectiven Willens erörtert werden. Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. Proceß in Rom ſpielte; Proceſſe unter römiſchen Bürgernaußerhalb Roms, ein Anwendungsfall der judicia imperio continentia 938) kamen, von dem Note 929 erwähnten Fall ab- geſehen, erſt in ſpäterer Zeit auf. Aber der alte Proceß ver- mochte ſich dem Einfluß der Gebietserweiterung doch nicht ganz zu entziehen, und es ſind bereits früher (S. 600 und S. 660) zwei Spuren nahmhaft gemacht, in denen dieſer Einfluß unver- kennbar hervortritt, ich meine die Selbſtdispenſation des Prä- tors vom Erſcheinen beim Vindicationsact an unbeweglichen Sachen und die den Partheien durch die lex Silia und Calpurnia gewährte Dispenſation vom Erſcheinen im erſten Termin. Einen ähnlichen Zweck, das nutzloſe Reiſen möglichſt zu erſparen, hatte auch die lex Hortensia aus dem Jahr 465, welche beſtimmte, daß die Nundinen, welche früher dies nefasti geweſen, 939) dies fasti ſein ſollten, was m. a. W. ſo viel hieß: das Landvolk könne, wenn es doch einmal des Marktes wegen zur Stadt komme, zugleich ſeine Rechtshändel abmachen. 940) Dem bisherigen nach dürfte ſich die Behauptung rechtferti- Die Beſchränkungen, denen die Form 942) der Rechtsge- 938) Gaj. IV, 105 .. extra primum urbis Romae miliarium. 939) Fest. Nundinai. 940) Macrob. Sat. I, 16: Lege Hortensia effectum est, ut (nundi- nae) fastae essent, uti rustici qui nundinandi causa in urbem venie- bant, lites componerent. 941) Die klaſſiſche Stelle dafür iſt Liv. V, 52. 942) Die höchſt wichtige Beziehung der Zeit zu dem Inhalt des Rechts-
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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
Proceß in Rom ſpielte; Proceſſe unter römiſchen Bürgern
außerhalb Roms, ein Anwendungsfall der judicia imperio
continentia 938) kamen, von dem Note 929 erwähnten Fall ab-
geſehen, erſt in ſpäterer Zeit auf. Aber der alte Proceß ver-
mochte ſich dem Einfluß der Gebietserweiterung doch nicht ganz
zu entziehen, und es ſind bereits früher (S. 600 und S. 660)
zwei Spuren nahmhaft gemacht, in denen dieſer Einfluß unver-
kennbar hervortritt, ich meine die Selbſtdispenſation des Prä-
tors vom Erſcheinen beim Vindicationsact an unbeweglichen
Sachen und die den Partheien durch die lex Silia und Calpurnia
gewährte Dispenſation vom Erſcheinen im erſten Termin. Einen
ähnlichen Zweck, das nutzloſe Reiſen möglichſt zu erſparen, hatte
auch die lex Hortensia aus dem Jahr 465, welche beſtimmte,
daß die Nundinen, welche früher dies nefasti geweſen, 939) dies
fasti ſein ſollten, was m. a. W. ſo viel hieß: das Landvolk
könne, wenn es doch einmal des Marktes wegen zur Stadt
komme, zugleich ſeine Rechtshändel abmachen. 940)
Dem bisherigen nach dürfte ſich die Behauptung rechtferti-
gen, daß die Form der privatrechtlichen Geſchäfte und die Orga-
niſation des Proceſſes noch Jahrhunderte lang den Charakter
athmeten, den das römiſche Recht urſprünglich an ſich trug —
den eines Stadtrechtes. Denſelben Geſichtspunkt für das
öffentliche und geiſtliche Recht und die Religion 941) zu verfolgen,
liegt außerhalb der Gränzen unſerer Aufgabe; möge ſich dazu
ein Anderer finden!
Die Beſchränkungen, denen die Form 942) der Rechtsge-
938) Gaj. IV, 105 .. extra primum urbis Romae miliarium.
939) Fest. Nundinai.
940) Macrob. Sat. I, 16: Lege Hortensia effectum est, ut (nundi-
nae) fastae essent, uti rustici qui nundinandi causa in urbem venie-
bant, lites componerent.
941) Die klaſſiſche Stelle dafür iſt Liv. V, 52.
942) Die höchſt wichtige Beziehung der Zeit zu dem Inhalt des Rechts-
geſchäfts wird in der Theorie des ſubjectiven Willens erörtert werden.
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