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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. A. Im allgem.
jenem verstehe ich darunter die juristische Kunst, deren Aufgabe
die formale Vollendung des gegebenen Rechtsstoffs in dem oben
angegebenen Sinn ist, in diesem die Verwirklichung dieser Auf-
gabe am Recht selbst, also den kunstgemäßen Mechanismus des
Rechts, diejenige Einrichtung und Gestaltung desselben, die die
Operation der Anwendung des Rechts möglichst unterstützt und
erleichtert. Aehnlich gebraucht ja die Sprache auch den Aus-
druck Mechanik von der Kunst und von dem durch die Kunst
bewerkstelligten Mechanismus.

Ein Nachtheil ist von dieser zwiefachen Bedeutung des Aus-
drucks nicht zu befürchten, die Einsicht des Lesers wird es mir
ersparen, durch einen eignen Zusatz anzugeben, welche von bei-
den Bedeutungen jedesmal gemeint ist.

Indem ich es jetzt unternehme, eine Theorie der Technik auf-
zustellen, bemerke ich, daß mir dies nicht möglich ist, ohne Ideen,
die ich bereits früher (B. 1 S. 25--32, S. 42--47) angedeu-
tet habe, theilweise aufzunehmen und weiter auszuführen. Die
dort gegebenen Andeutungen können erst an dieser Stelle und
in diesem Zusammenhang ihre nähere Entwicklung und Be-
gründung erhalten.

Die gesammte Thätigkeit der juristischen Technik läßt sich
auf zwei Hauptrichtungen oder Hauptzwecke zurückführen -- ich
nenne sie die technischen Interessen --

1. die möglichste Erleichterung der subjectiven Beherr-
schung
(Aneignung, Erlernung, Erkenntniß, Auffassung)
des Rechts -- das Mittel dazu ist die quantitative und
qualitative Vereinfachung des Rechts -- und
2. die möglichste Erleichterung der Operation der Anwen-
dung
desselben (Praktikabilität des Rechts).

Nach diesen beiden Richtungen hin wollen wir jetzt die Thä-
tigkeit der Technik im allgemeinen verfolgen, um dieselbe zu-
nächst im Zusammenhange und mit Einem Blick zu überschauen;
die nähere Ausführung einzelner Punkte, die einer solchen be-
dürftig sind, bleibt den folgenden Paragraphen vorbehalten.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem.
jenem verſtehe ich darunter die juriſtiſche Kunſt, deren Aufgabe
die formale Vollendung des gegebenen Rechtsſtoffs in dem oben
angegebenen Sinn iſt, in dieſem die Verwirklichung dieſer Auf-
gabe am Recht ſelbſt, alſo den kunſtgemäßen Mechanismus des
Rechts, diejenige Einrichtung und Geſtaltung deſſelben, die die
Operation der Anwendung des Rechts möglichſt unterſtützt und
erleichtert. Aehnlich gebraucht ja die Sprache auch den Aus-
druck Mechanik von der Kunſt und von dem durch die Kunſt
bewerkſtelligten Mechanismus.

Ein Nachtheil iſt von dieſer zwiefachen Bedeutung des Aus-
drucks nicht zu befürchten, die Einſicht des Leſers wird es mir
erſparen, durch einen eignen Zuſatz anzugeben, welche von bei-
den Bedeutungen jedesmal gemeint iſt.

Indem ich es jetzt unternehme, eine Theorie der Technik auf-
zuſtellen, bemerke ich, daß mir dies nicht möglich iſt, ohne Ideen,
die ich bereits früher (B. 1 S. 25—32, S. 42—47) angedeu-
tet habe, theilweiſe aufzunehmen und weiter auszuführen. Die
dort gegebenen Andeutungen können erſt an dieſer Stelle und
in dieſem Zuſammenhang ihre nähere Entwicklung und Be-
gründung erhalten.

Die geſammte Thätigkeit der juriſtiſchen Technik läßt ſich
auf zwei Hauptrichtungen oder Hauptzwecke zurückführen — ich
nenne ſie die techniſchen Intereſſen

1. die möglichſte Erleichterung der ſubjectiven Beherr-
ſchung
(Aneignung, Erlernung, Erkenntniß, Auffaſſung)
des Rechts — das Mittel dazu iſt die quantitative und
qualitative Vereinfachung des Rechts — und
2. die möglichſte Erleichterung der Operation der Anwen-
dung
deſſelben (Praktikabilität des Rechts).

Nach dieſen beiden Richtungen hin wollen wir jetzt die Thä-
tigkeit der Technik im allgemeinen verfolgen, um dieſelbe zu-
nächſt im Zuſammenhange und mit Einem Blick zu überſchauen;
die nähere Ausführung einzelner Punkte, die einer ſolchen be-
dürftig ſind, bleibt den folgenden Paragraphen vorbehalten.

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[340/0046] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem. jenem verſtehe ich darunter die juriſtiſche Kunſt, deren Aufgabe die formale Vollendung des gegebenen Rechtsſtoffs in dem oben angegebenen Sinn iſt, in dieſem die Verwirklichung dieſer Auf- gabe am Recht ſelbſt, alſo den kunſtgemäßen Mechanismus des Rechts, diejenige Einrichtung und Geſtaltung deſſelben, die die Operation der Anwendung des Rechts möglichſt unterſtützt und erleichtert. Aehnlich gebraucht ja die Sprache auch den Aus- druck Mechanik von der Kunſt und von dem durch die Kunſt bewerkſtelligten Mechanismus. Ein Nachtheil iſt von dieſer zwiefachen Bedeutung des Aus- drucks nicht zu befürchten, die Einſicht des Leſers wird es mir erſparen, durch einen eignen Zuſatz anzugeben, welche von bei- den Bedeutungen jedesmal gemeint iſt. Indem ich es jetzt unternehme, eine Theorie der Technik auf- zuſtellen, bemerke ich, daß mir dies nicht möglich iſt, ohne Ideen, die ich bereits früher (B. 1 S. 25—32, S. 42—47) angedeu- tet habe, theilweiſe aufzunehmen und weiter auszuführen. Die dort gegebenen Andeutungen können erſt an dieſer Stelle und in dieſem Zuſammenhang ihre nähere Entwicklung und Be- gründung erhalten. Die geſammte Thätigkeit der juriſtiſchen Technik läßt ſich auf zwei Hauptrichtungen oder Hauptzwecke zurückführen — ich nenne ſie die techniſchen Intereſſen — 1. die möglichſte Erleichterung der ſubjectiven Beherr- ſchung (Aneignung, Erlernung, Erkenntniß, Auffaſſung) des Rechts — das Mittel dazu iſt die quantitative und qualitative Vereinfachung des Rechts — und 2. die möglichſte Erleichterung der Operation der Anwen- dung deſſelben (Praktikabilität des Rechts). Nach dieſen beiden Richtungen hin wollen wir jetzt die Thä- tigkeit der Technik im allgemeinen verfolgen, um dieſelbe zu- nächſt im Zuſammenhange und mit Einem Blick zu überſchauen; die nähere Ausführung einzelner Punkte, die einer ſolchen be- dürftig ſind, bleibt den folgenden Paragraphen vorbehalten.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/46>, abgerufen am 28.04.2024.